Youtube-Clips aus Late-Night-Shows:Damit auch die Deutschen mal was zu lachen haben

Carpool Karaoke mit James Corden und den Red Hot Chili Peppers

Nacktsingen im Auto: "Carpool Karaoke" mit James Corden und den Red Hot Chili Peppers.

(Foto: Youtube/The Late Late Show with James Corden)

Soziale Netzwerke bringen großartige US-Unterhaltung nach Deutschland. Aber hinter Formaten wie "Carpool Karaoke" stecken auch handfeste Promotion-Interessen.

Von David Pfeifer

Kennen Sie den schon? Der Mann ganz rechts auf dem großen Bild heißt James Corden und macht sich hauptberuflich über sich selbst lustig. In den USA führt er als Gastgeber durch die Late Late Show, die, wie der Name schon sagt, sehr, sehr spät läuft, also zwangsweise keine riesigen Einschaltquoten erzielt.

Einem größeren und vor allem auch deutschen Publikum ist Corden durch sein "Carpool Karaoke" bekannt. Es basiert auf dem Umstand, dass man in Los Angeles bestimmte Fahrstreifen nur benutzen darf, wenn man wenigstens zu zweit im Auto sitzt. Corden lädt sich also prominente Mitfahrer ein, fast immer aus der Welt des Pop, und gemeinsam singen sie bis zum Fahrziel. Das ist gleichzeitig beschwingt, charmant und oftmals zum Schreien komisch, weil Corden mit der ganzen Energie eines Superfans die Lieder seiner Gäste mitschmettert und sie auch mal nach unverständlichen Songpassagen befragt.

Mitgemacht haben unter anderem bereits Rod Steward, Elton John, Stevie Wonder, Jennifer Lopez, Adele, George Clooney, Julia Roberts und Chris Martin von Coldplay. Geballte Star-Power also. In der aktuellen Folge, vergangene Woche auf Youtube veröffentlicht, fährt der nicht gerade austrainierte James Corden eine ganze Weile lang nackt mit den Performance-Nudisten von den Red Hot Chili Peppers zur Arbeit.

Für die Stars sind diese Clips handfeste Promotion. Und viel bequemer, als bei Lanz zu sitzen

Innerhalb weniger Tage wurde der Clip fünf Millionen Mal aufgerufen. Jennifer Lopez kam bereits auf mehr als 41 Millionen, Adele auf 109 Millionen Abrufe. Und der Zähler steigt stetig weiter, denn die Verbreitung potenziert sich, je mehr Menschen einen Clip sehen, liken oder teilen. Ein digitaler Schneeballeffekt. Vor Youtube versammelt sich ein Weltpublikum, das man früher mit Mondlandungen oder Muhammad-Ali-Kämpfen erreichte.

Natürlich stehen handfeste Promotion-Interessen im Hintergrund: Für die Stars ist es praktischer, mit perfekt inszeniertem Quatsch weltweit ihre Zielgruppe zu erreichen, als beispielsweise nur für das deutsche Publikum in einer Samstagabendshow komische Hüte zu tragen oder sich in einer Talksendung anlanzen zu lassen. Bei Corden müssen sie weder von Eheproblemen noch von der letzten Entziehungskur beichten, sie können ihren neuen Film bewerben oder ihr Album, wie die Red Hot Chili Peppers, und Spaß dabei haben. Was den Spaß für die Zuseher nicht schmälert.

Sein privates Umfeld kann man in Deutschland in jüngerer Zeit ganz gut unterteilen in Menschen, die James Corden kennen - oder eben nicht. Die Clips werden zum Distinktionsinhalt beim Small Talk. So wie man noch vor Kurzem über Fernsehserien wie Mad Men oder Game of Thrones plauderte ("Also, ich sehe ja gar nicht mehr fern, ich besorge mir die guten Serien auf DVD"), wird nun im Bescheidwisserton über die neuesten Scoops der US-Entertainer gesprochen. Wer James Corden nicht kennt, und auf einen seiner Fans trifft, bekommt rasch das Gefühl vermittelt, er habe die vergangenen Monate vielleicht nicht hinterm Mond gelebt - aber vermutlich im Keller gelacht.

Ähnlich konnte es einem im vergangenen Jahr mit dem Moderator Jimmy Fallon und seinem "Lip Sync Battle" ergehen (zu einem Hit in die Bürste singen, unter anderen mit Tom Cruise) oder mit Jimmy Kimmel und "Celebrities Read Mean Tweets" (Promis lesen die größten Gemeinheiten vor, die auf Twitter über sie geschrieben wurden, unter anderen mit Gwyneth Paltrow). Der Engländer John Oliver machte sich im US-Fernsehen über die Fifa und Donald Trump lustig, was über Youtube weltweit große Verbreitung fand.

Und der Großmeister der Stand-up-Comedy, Jerry Seinfeld, nutzt seine Oldtimer-Sammlung, um sich mit einem anderen Komiker Kaffee zu holen und im Auto ein wenig zu plaudern, in der Serie Comedians in Cars Getting Coffee. Seinfeld betreibt eine eigene Website, auf der man die einzelnen Folgen jederzeit abrufen kann - mit freundlicher Unterstützung einer Autofirma.

Im Fall von Humor ist der "Filter Bubble"-Effekt ein Gewinn

Dass die US-Amerikaner mindestens so gut im Inszenieren kluger Comedy sind wie die Deutschen beim Bierbrauen, ist eine Binse. Doch seitdem Breitband-Internet und vollständige Vernetzung sich auch im Privatbereich durchgesetzt haben, findet diese neue Entertainmentform ohne Hürden und sehr schnell nach Deutschland. Wer über einen Facebook-Account und einen einigermaßen heiter gestimmten Freundeskreis verfügt, bekommt die besten Formate meistens frei Haus geliefert.

Die gute Seite des sonst häufig kritisierten "Filter Bubble"-Effekts, der dazu führt, dass man in sozialen Netzwerken vorwiegend nur das vorgesetzt bekommt, was der eigenen Weltsicht entspricht. Im Fall von Humor ist das ein Gewinn, weil es Anlässe schafft, gemeinsam zu lachen. Und die Freude zu teilen, im ganz konkreten Sinn, wenn man den Link auf Facebook oder per Mail an seine Freunde weitergibt.

Spaßpause statt Zigarettenpause

Man kann die Sketche auch zwischendurch im Büro sehen. Da die meisten Clips zwischen fünf und 15 Minuten lang sind, gönnt man sich eine Spaßpause statt Zigarettenpause - Lachen ist ja auf jeden Fall gesünder als Rauchen. Nur wer dann tiefer einsteigt und sich von einem Gag zum nächsten klickt, stellt fest, dass hier unendlicher Spaß darauf wartet, abgerufen zu werden. Zu Hause kann so etwas in ausgedehnte Zwerchfell-Prokrastination ausufern und die komplette Abendunterhaltung liefern.

Wer einmal auf Komiker wie Louis C. K. oder Eddie Izzard stößt, verbringt schnell ein paar unterhaltsame Stunden damit, sich ihr Werk zu erarbeiten. Die Sprache bleibt eine Hürde, wer mitlachen will, muss relativ gut Alltagsenglisch verstehen und mit den popkulturellen Codes des englischen Sprachraums vertraut sein. Aber vor der Breitband-Internet-Youtube-Zeit wären diese Gags dem deutschen Publikum einfach vorenthalten geblieben.

Früher war also wirklich nicht alles besser. Als Eddie Murphy 1985 durch Beverly Hills Cop ein internationaler Filmstar wurde, füllte er als Stand-up-Comedian bereits riesige Hallen von New York bis Denver. Seine größten Shows Raw und Delirious konnte man jedoch erst Jahre später auf abgenudelten VHS-Kassetten in den englischsprachigen Abteilungen gut sortierter Videotheken finden und man brauchte dazu ein Abspielgerät, das mit dem US-Wiedergabeformat NTSC klarkam.

Böhmermann hat die Wucht viraltauglicher Formate verstanden

Der erste und bisher einzige deutsche Comedian, der die Wucht viraltauglicher Unterhaltungsformate verstanden hat, ist Jan Böhmermann. Der hatte aus der Not heraus, dass seine Sendung Neo Magazin auf dem Spartenkanal ZDF Neo lief, in sich geschlossene Sketche entwickelt, die nach der Ausstrahlung gut zu verbreiten sind. Die Redaktion erdachte beispielsweise die Kunstfigur "Photoshop Philipp", die entweder Hitler auf den Titel des Spiegel montierte oder schaurige Rockfestival-Plakate gestaltete - und mehrere Hunderttausend Mal angeklickt wurde.

Der "Varoufake"-Sketch, bei dem sich Böhmermann dazu bekannte, den berühmten Stinkefinger-Auftritt des griechischen Finanzministers Varoufakis für eine Jauch-Sendung manipuliert zu haben, fand Millionen Zuseher. Eine deutlich höhere Verbreitung also, als der Sender bieten konnte.

Böhmermann brach damit aus seiner Nischenbekanntheit aus und schwappte in den Mainstream. Während sich die klassisch geschulten TV-Zuseher wunderten, wer denn dieser Mann sei, der das Erdoğan-Gedicht vorgelesen hat, und wo der denn nun auf einmal herkomme, waren seine Kernzuseher, die jüngere Online-Kundschaft, relativ baff über so viel kulturelle Ignoranz. Mittlerweile beförderte das ZDF die Neo Magazin Royale-Sendung ins Hauptprogramm, so als habe die Lok den Bahnhof in eine besser besuchte Gegend gezogen. Die Sendung war wichtig, um die Produktionsmittel und eine Sockel-Bekanntheit zu liefern. Seine Prominenz verdankt Böhmermann aber den sozialen Netzwerken.

Damit ist Böhmermann, auf kleinerer Skala, recht nah dran an den US-Komikern. Auch hier ist die Sendung mehr der grobe Rahmen, in dem ein Unterhaltungsformat ausprobiert wird, um es dann per Internet auf die Weltbühne zu senden.

Einer der ersten großen Youtube-Hits, der noch nicht im Besserwisser-Timbre, sondern eher noch mit "Hast du das gesehen?"-Verblüffung weitergetragen wurde, war vermutlich das Lied, das die Komikerin Sarah Silverman ihrem damaligen Verlobten, dem Talkshow-Host Jimmy Kimmel, 2009 in dessen Sendung vorspielte. Sie beichtet ihm darin per Videobotschaft eine Affäre mit Matt Damon, der als Gast-Star auftritt und sich dabei ordentlich zum Deppen macht ("I'm f***ing Matt Damon").

Dieses Über-sich-selbst-lachen-Können ist der entscheidende Kniff, der auch die Interview-Reihe Between Two Ferns des unausprechlichen Komikers Zach Galifianakis (The Hangover) ausmacht, die nur für den Online-Kanal "Funny Or Die" hergestellt wird. Galifianakis fragte darin etwa einen unbeweglich-genervt wirkenden Bruce Willis, ob Ashton Kutcher sein Lieblingskind sei.

US-Stars achten nicht darauf, ob ihre Kunst oder sie als Person im besten Licht dargestellt werden

Auch James Corden hat noch weitere Kurzformate neben dem "Carpool Karaoke" entwickelt. In einem davon hauen sich mit großem Vergnügen Superstars in die Pfanne, wenn beispielsweise Arnold Schwarzenegger oder Tom Hanks ihre gesamte Filmkarriere mit Kindergarten-Requisiten in sechs Minuten nachspielen. Die US-Stars sind eben Entertainment-Profis, die nicht so sehr darauf achten, ob ihre Kunst oder sie als Person im besten Licht dargestellt werden. Sie wissen vielmehr genau, dass viele Millionen Zuschauer sie durch solche Auftritte als cool wahrnehmen, wenn sie mit dem eigenen Image spielen.

Sogar Präsident Barack Obama hat diesen Effekt schon für sich genutzt. Er stellte sich nicht nur einem Interview in Between Two Ferns, er setzte sich auch mit Jerry Seinfeld in eine alte Corvette, um Kaffee zu holen - aus Sicherheitsgründen konnten sie freilich nur vor dem Weißen Haus im Kreis fahren. Und erst vergangene Woche war der Präsident wieder mal bei Jimmy Fallon zu Gast, um dort seine Regierungsbilanz sehr sanft und langsam zum Takt der Studioband vorzutragen ("Slow-Jamming The News"). Ein großer Moment, perfekt unaufgeregt präsentiert, und viel lustiger als Donald Trump.

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