"Your Life Is a Joke" auf Netflix"Keine Sorge, es wird schon okay"

Lesezeit: 4 Min.

Plötzlich ganz nah: Christian Ulmen (links) und Oliver Polak in einem Potsdamer See in "Your Life Is a Joke".
Plötzlich ganz nah: Christian Ulmen (links) und Oliver Polak in einem Potsdamer See in "Your Life Is a Joke". (Foto: Netflix)

Kein deutscher Moderator hat aktuell mehr Soul als Oliver Polak. In seiner Interview-Show bei Netflix zeigt er, wie wunderbar lächerlich wir alle sind.

Von Aurelie von Blazekovic

Christian Ulmen glaubt, Oliver Polak könnte so etwas wie einen neuen Biene-Maja-Song geschrieben haben. Ein Intro-Lied für eine Fernsehsendung also, das so gut ist, dass man es noch lange singen wird, lange nachdem man die Sendung gesehen hat. Gut möglich, dass das stimmt, dass Ulmen recht hat mit seiner Einschätzung zu Beginn der Sendung. "Your Life Is a Joke", der Song, ist tatsächlich grandios. So viel Siebzigerjahre-Soul, "eine Mischung aus Philly-Sound und Barry Manilow", sagt Polak selbst im Videocall, ein so wärmender Text, dass man zu Beginn seiner neuen Netflix-Show schon fast zu folgender Arbeitsthese verleitet wäre: Der Intro-Song ist vielleicht das Beste an der Sendung.

Ist er dann nicht. Your Life Is a Joke, die Sendung, hält locker mit dem Lied mit. Polak ist übrigens für beides verantwortlich. Das Lied entstand gemeinsam mit dem Musiker Erobique ("Urlaub in Italien"). Und mit der Show schafft er etwas, das ähnlich selten ist wie eine richtig gute Kindersendung: eine richtige gute Comedy-Sendung, und das in Deutschland.

Your Life Is a Joke ist ein Interviewformat für Netflix und besteht in der ersten Staffel aus drei Folgen, in denen Polak jeweils einen Tag mit Schauspieler Christian Ulmen, Rapperin Nura oder Sängerin Jennifer Weist von Jennifer Rostock verbringt. Am Ende des Tages roastet er sie, bringt also zwei etablierte Formen aus der amerikanischen Comedy-Welt in einer Sendung zusammen: Gespräche in einem schönen alten Auto, siehe Jerry Seinfelds Comedians in Cars Getting Coffee, und das Roasting, also das bewundernde Sich-lustig-Machen über andere.

Wie könnte man sich jemandem nicht nah fühlen, der im Manta für einen singt?

Die Sendung beginnt damit, dass Polak seinen Gast in einem beigefarbenen Manta abholt, nach ein wenig Smalltalk eine Hand auf die Rücklehne des Beifahrersitzes legt und dann lossingt. "Ich will den Tag gern mit dir sein, nie mehr ohne dich allein / Zeig mir alles, was du magst, oder auch was an dir nagt". Einfach loszusingen, erklärt Polak aus seiner Berliner Wohnung mit blond gefärbtem Haar und noch schwarzem Bart, fand er im Fernsehen von früher gut, "wenn so Leute wie Peter Alexander oder Rudi Carrell auch mal gesungen haben".

Das Singen ist ein guter Eisbrecher, für Publikum wie Manta-Beifahrer, denn Polak kannte keinen seiner Gäste vor dem Dreh gut. Und wie könnte man sich jemandem nicht nah fühlen, der in einen kleinen Manta gedrängt für einen singt, als wäre es das Jahr 1978, der Name Barry Manilow und das Lied "Copacabana".

Laut Selbstauskunft "Pionier des straighten American Stand-ups in Deutschland": Oliver Polak.
Laut Selbstauskunft "Pionier des straighten American Stand-ups in Deutschland": Oliver Polak. (Foto: Frédéric Schwilden)

Weiter geht es mit Christian Ulmen, Nura oder Jennifer Weist dann an Orte ihrer Wahl. Ulmen wählt den Baumarkt, Nura ein Nagelstudio, Jennifer Weist einen Fitnessraum. Und jetzt geht es natürlich ums Kennenlernen, was Polak erstaunlich schnell und unpeinlich gelingt. Er führt Gespräche, in denen er sich selbst so schnell wie möglich nackt macht. Im Baumarkt sagt er, dass er nach zwei Krebserkrankungen keine Hoden mehr habe, Ulmen erzählt im Manta, dass er seine Kinder zu oft anschreie.

Polak meint, es sei nicht sein Ziel, etwas Intimes herauszukitzeln aus seinen Gästen. Das mag stimmen, allerdings drängt in der Sendung wirklich alles an ihm danach, so menschlich wie möglich mit den Leuten zu werden. Nach wenigen Stunden kuschelt er mit Christian Ulmen im See, und Jennifer Weist spricht von ihren persönlichen "Me Too"-Momenten aus der frühen Musikkarriere. Es ist Polaks große Wärme, die das möglich macht - und die Gespräche gleichberechtigt und lustig.

Polak nennt sich auf seiner Website übrigens "Pionier des straighten American Stand-ups in Deutschland". Für Comedy interessiert er sich, wie er sagt, seit fünfzehn Jahren. Damals hat er im Internet Sarah Silverman entdeckt. Inzwischen besucht Polak die legendären Comedy-Keller von New York - einerseits zum Zuhören, er trat vor der Pandemie aber auch selbst dort auf. Er liebt amerikanische Comedians, nicht nur die kantigeren wie Louis C.K., auch die familienfreundlichen Entertainer wie den Late-Night-Moderator Jimmy Fallon, der den USA in seiner Sendung kürzlich einen charmanten deutschen Schauspieler namens Matthias Schweighöfer präsentierte. "Es ist sehr viel Liebe, die da mitschwingt", sagt Polak.

Am Ende das Tages wird geroastet. Polak mit Rapperin Nura auf der Bühne in "Your Life Is a Joke".
Am Ende das Tages wird geroastet. Polak mit Rapperin Nura auf der Bühne in "Your Life Is a Joke". (Foto: Netflix)

Und andererseits ist Polak ja auch Bestsellerautor und sagt: "Ich habe in meinem Leben noch nicht mehr als 15 Bücher gelesen, wirklich." Eines davon ist "Generation Golf" von Florian Illies. Dessen Stimme hatte er im Kopf, als er sein erstes Buch, "Ich darf das, ich bin Jude", schrieb.

Gute Witze über andere zu erzählen, ist nicht einfach, gute Witze über sich selbst zu erzählen aber auch nicht

Your Life Is a Joke ist auf Netflix international zu sehen. Es ist die bisher größte Bühne für Polak, der zuletzt die kleine Talkshow Besser als Krieg für den RBB machte. Er würde sie gerne weiter bespielen. Nach den ersten drei Folgen könnte er sich jedenfalls sehr viele Leute vorstellen, mit denen er die Sendung sofort noch machen würde: Otto Waalkes, zum Beispiel, oder, noch besser, in New York drehen mit Paul Stanley und Gene Simmons von Kiss. Aber warum eigentlich nicht Shirin David oder Matthias Schweighöfer, der bei Jimmy Fallon seinen guten Humor zeigen konnte, oder mal einen Politiker? "Markus Söder als Shrek verkleidet!"

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Das Leben als Witz zu begreifen, ist eine gute Idee, auch für eine Unterhaltungssendung. Am Ende des Tages mit Ulmen und Co. wird Polak aus den Gesprächen Witze machen und sie auf einer Bühne vor Publikum und dem Gast selbst erzählen. Der Spirit: Du bist komplett lächerlich, Ulmen, aber ich hab dich gern. "Keine Sorge, es wird schon okay / doch vielleicht tut es auch etwas weeeeh", heißt es im Intro-Song, und so ist es auch. Der Roast ist nicht das Beste an der Sendung, er macht sie aber auch nicht schlechter, was man bei der Schwere der Disziplin gerade hierzulande als gelungen werten kann.

Gute Witze über andere zu erzählen, ist nicht einfach. Gute Witze über sich selbst zu erzählen aber auch nicht. Von amerikanischen Comedians hat Polak gelernt, Humor aus seiner Biografie zu machen. Die Grundlage seiner Comedy-Karriere ist dieser Satz: Mein Name ist Oliver Polak, ich komme aus Papenburg im Emsland und ich bin Jude. "Manchmal denke ich", sagt er im Call noch, "wenn ich noch offener wäre, könnte alles noch geiler sein." Schon jetzt macht Polak Fernsehen mit einer Freundlichkeit, und mit Soul, wie man es in Deutschland nicht oft sieht.

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