W&V: Wandel im Fernsehempfang:Aus für Analog-TV

Dass künftig nur noch digitales Fernsehen möglich sein wird, ist beschlossene Sache - und für die Händler ein Milliardengeschäft. Doch viele Zuschauer wissen davon noch nichts. Warum?

Sigrid Eck

In gut 440 Tagen endet die analoge Ausstrahlung der Fernsehsender in Deutschland via Satellit. Darauf haben sich die Landesmedienanstalten zusammen mit den Programmveranstaltern geeinigt. Wer nach dem 1. Mai 2012 fernsehen möchte, braucht dann einen Digital-Receiver.

Transistorfernseher von 1963

1963 topmodern: tragbare Fernsehgeräte. Von digitalem Empfang war damals noch nicht zu träumen.

(Foto: dpa)

Etwa 6,8 Millionen Haushalte sind von der Abschaltung des analogen Signals betroffen. Das ergeben Berechnungen des Marktforschungsinstituts Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Rund 60 Prozent der Satellitenhaushalte sind bereits digitalisiert.

Beim Fachhandel ist die technische Umstellung das Thema schlechthin, man rechnet dort mit einem Umsatzpotenzial von über einer Milliarde Euro. Doch beim normalen Verbraucher ist der Paradigmenwechsel noch nicht angekommen.

Bislang konnten sich die Zuschauer lediglich bei den großen Sendern über die Videotexttafel 198 informieren, ob sie betroffen sind und was sie gegebenenfalls bis April 2012 veranlassen müssten - größere Aktionen fanden jedoch nicht statt.

Das soll sich in diesem Jahr grundsätzlich ändern. Die Initiative Klardigital 2012 hat eine umfassende Kampagne für den Konsumenten konzipiert. Hinter der Inititative stehen die Landesmedienanstalten sowie ARD, Mediengruppe RTL Deutschland, ProSiebenSat.1, ZDF und der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT).

Erst ein Jahr vorher zu informieren, war beabsichtigt

Das Projektbüro mit Sitz in Berlin ist bei der gemeinsamen Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten (ALM) eingerichtet. Klaus Hofmann und Veit Olischläger, beides Medien- und Technikmanager mit langjähriger Erfahrung in der Branche, leiten das Büro.

"Im vergangenen Jahr konzentrierte sich unsere Kommunikation auf den Fachhandel und Fachhandwerk", erklärt Olischläger, warum das Thema bislang nicht breitenwirksam publiziert wurde. Aber: "In diesem Jahr steht die Information des Endkunden im Vordergrund", kündigt der Projektbüro-Leiter an.

Vom 30. April bis 6. Mai plant die Initiative eine Aktionswoche, bei der die Konsumenten über die Analog-Abschaltung informiert werden sollen. Auf den großen Sendern RTL, ProSiebenSat.1, ARD und ZDF läuft ein Spot, der auf die Umstellung aufmerksam macht.

Darüber hinaus klären die Servicesendungen der beteiligten Sender über die technische Veränderung auf. Hinzu kommen Flyer, Newsletter und Broschüren, die man sich auf der Internet-Seite Klardigital2012 herunterladen kann. Im September, zur Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin, sollen weitere Aktionen hinzukommen.

Bis zum Stichtag soll die Internet-Seite die zentrale Plattform für alle Fragen rund um den Satellitenumstieg sein. Informieren können sich nicht nur Zuschauer und Händler, sondern auch Handwerksbetriebe, die Wohnungswirtschaft und Kabelnetzbetreiber.

Den Konsumenten erst ein Jahr vor dem Ziehen des Steckers zu informieren, war beabsichtigt. Zum einen ist es schwierig, die Aufmersamkeit für eine Kampagne zu erhalten, die ein Jahr oder noch länger vor dem Stichtag läuft. Der Verbraucher beschäftigt sich erfahrungsgemäß erst kurz vorher damit, was er tun muss.

"Digitalisierung ist ein Konjunkturprogramm"

Zum anderen sollte der Fachhandel zuerst informiert werden, bevor der Käufer auf ihn zukommt. "Der wichtigste Punkt im Verkaufsgespräch ist ein geschulter Händler", sagt Astra-Geschäftsführer Wolfgang Elsäßer. Deshalb plant Astra für dieses Jahr wieder Händlerschulungen für mehr als 5000 Mitarbeiter.

Zusätzlich leitet ein Online-Portal durch die wichtigsten Fragen. Nach Angaben von Elsäßer klicken sich pro Monat 2500 Händler durch den Leitfaden. Alles in allem investierte das Unternehmen mit Sitz in Unterföhring gut fünf Millionen Euro in die Weiterbildung des Handels.

Ausgaben, die natürlich nicht ganz uneigennützig sind. Einerseits sehen mehr als die Hälfte aller Satellitenbesitzer über den Satelliten Astra fern. Zudem warnt Elsäßer: "Wenn wir jetzt nicht den Handel aktiv informieren, droht ein Receiver-Engpass."

Täglich müssen 18.000 Receiver über den Tisch gehen, damit zum Stichtag die Republik versorgt ist. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden rund 10.000 Receiver verkauft. Bei den Elektronik-Ketten Media-Markt und Saturn ist man sich des Themas ebenfalls bewusst: "Wir arbeiten daran, dass wir die Kunden unterstützen", heißt es aus der Konzernzentrale in Ingolstadt.

Volkswirtschaftlich betrachtet bietet die Umstellung ein großes Potenzial für Händler und Hersteller und für mittelständische Handwerksbetriebe, die die Receiver in den Wohnzimmern aufbauen und einstellen. "Die Digitalisierung ist ein Konjunkturprogramm", sagt Elsäßer.

Im Schnitt gaben die Konsumenten bis Ende Oktober vergangenen Jahres für einen Satelliten-Receiver 122 Euro aus (Angaben GfK). Legt man diesen Durchschnittspreis zugrunde, ergibt sich ein Umsatzpotenzial von 880 Millionen Euro - noch knapp sieben Millionen analoge Receiver sind in Betrieb.

Interessanterweise geht der Trend hin zu höherwertigen Geräten: zu edlen Receivern mit High-Definition-Empfang und Festplatte. Hoch im Kurs stehen auch Fernsehgeräte mit Empfangstuner, die HD zeigen.

Bei der massiven Kampagne der Satelliten-TV-Anbieter müssen die Kabelnetzbetreiber aufpassen. Sie müssen nun ihre Kunden verstärkt überzeugen, beim Übertragungsweg Kabel zu bleiben.

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