W&V: Product Placement im Fernsehen:Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Product-Placement im Jahr eins der Liberalisierung: ProSiebenSat.1 betreibt offene Akquise, die RTL-Gruppe gibt sich eher reserviert. Werbekunden zeigen zwar Interesse, wünschen sich aber mehr Wirkungsnachweise.

Martin Bell

Die etwas andere Art der Werbung. "Alles Gute", behaupten McCafé-Plakate in Berlins Straßen, "beginnt mit einem guten Kaffee." Die Entstehung der Kampagne ließ sich in Sat.1 verfolgen: Wie die Agentur Broda & Broda den Pitch gewann, den Claim ersann, Motive entwarf. Broda & Broda? Richtig: die nämliche Agentur, die mit Topmodel Sara Nuru einen Dessous-Spot für C&A drehte.

"Deutschlands Meisterkoch"

Gefragt sind Platzierungen vor allem in Shows und TV-Serien - So band die Sat1-Show Deutschlands Meisterkoch im Herbst 2010 zwei Placements ein: Während die Kandidaten im Studio mit Siemens-Küchengeräten hantierten, lieferte die Metro-Tochter Real in Lieferwägen Real-Lebensmittelprodukte an.

(Foto: Sat1/Willi Weber)

Fantasie und Wirklichkeit. Die McCafé- und C&A-Kampagnen gibt es tatsächlich, die Kreativschmiede Broda & Broda nicht. Sie ist eine Erfindung von Drehbuchautoren, Schauplatz der Sat.1-Soap Anna und die Liebe. Auf Vermittlung der Münchner SevenOne AdFactory fanden die beiden Marken Eingang in die fiktionale Handlung und feierten im Rahmen der Serie den Auftakt real existierender Werbeauftritte. Product-Placement im Jahr eins der Liberalisierung.

"Die Zahl umgesetzter Platzierungen liegt über den Erwartungen", erklärt AdFactory-Geschäftsführerin Sabine Eckhardt. "Ich bin sehr zufrieden." 25 Projekte betreute die ProSiebenSat.1-Gesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten: das neue Otto-Mode-Label Gold Cut etwa in der Casting-Show Fashion & Fame, die Schoko-Linsen m&m's in Schlag den Raab (beide auf ProSieben), Siemens-Haushaltsgeräte und die Supermarktkette Real in Deutschlands Meisterkoch (Sat1). "Im anstehenden Jahr", hofft Eckhardt, "wollen wir die Fallzahl verdoppeln."

Zurückhaltender nähert sich die RTL-Gruppe dem Terrain. "Im vergangenen Jahr haben wir gemeinsam mit Werbekunden und Agenturen ausgelotet, wie eine Integration von Product- Placement aussehen kann", berichtet Lars-Eric Mann, Verkaufsdirektor Solutions beim RTL-Vermarkter IP Deutschland. "Es geht uns aber nicht darum, möglichst schnell möglichst viele Placements umzusetzen." Anders als ProSieben- Sat.1 haben die Kölner mit dem Bundesverband deutscher Fernsehproduzenten bisher auch keine Regelung formuliert, die Abläufe, Informationspflichten und Verteilung der Einnahmen festlegt. Gespräche, die dazu vorige Woche mit der Produzentenallianz stattfinden sollten, sind auf Mai vertagt.

"Noch hat sich Product-Placement hierzulande im Fernsehen nicht etabliert", stellt Otto Kettmann ernüchtert fest, Geschäftsführer der Stuttgarter Spezialagentur Kettmann & Partner, die Unternehmen zum Thema berät. An fehlendem Interesse seitens der Werbungtreibenden liegt es nicht. 20 Anfragen im Monat zählt IP-Manager Mann. "Die Nachfrage ist da", bestätigt Kettmann. "Nach wie vor herrscht jedoch Unsicherheit, was Product-Placement leistet: Bloß Awareness? Oder auch Image-Förderliches?" Wirkungsstudien, die das beantworten, sind ein Jahr nach Legalisierung der einstigen Grauzone noch Mangelware.

Schwerpunkt auf Shows und Serien

SevenOne AdFactory versucht dem abzuhelfen. Im Januar legten die Münchner erste Untersuchungen vor. Deutschlands Meisterkoch, eine von schwachen Quoten geplagte Sat.1-Show, band im Herbst 2010 zwei Placements ein: Die Metro-Tochter Real schaffte in Real-Lieferwagen Real-Lebensmittel heran, während die Kandidaten im Studio an Siemens-Kochstationen mit Siemens-Küchengeräten hantierten. Beide Marken traten zudem als Presenter des laut Sat.1 "größten Koch-Castings aller Zeiten" auf.

Ergebnis: Die ungestützte Markenbekanntheit stieg hier um 56 (Real), da um 50 Prozent (Siemens). Das Image profitiert. "Hochwertige" und "gesunde Produkte", "breites Angebot" - auf diesen Feldern legte Real um bis zu 33 Prozentpunkte zu. "Siemens", resümiert die AdFactory-Studie, "wird in sämtlichen Dimensionen positiver bewertet" und deutlich stärker als "innovatives Unternehmen" mit "hochwertiger Technik" wahrgenommen.

Trotz gut sichtbarer Platzierungen: Mehr als der Hälfte der Befragten gefiel das Involvement der Marken. Die, fand das Gros, passten zum Meisterkoch. "Die Wirkungswerte stimmen, und das, obwohl Product Placement nicht als Werbung empfunden wird", freut sich Eckhardt. "Besonders erfolgversprechend ist die Einbindung in eine vernetzte Kampagne."

Das deckt sich mit Vorstellungen der Werbekunden. 56 Prozent der Unternehmen, die auf dem Feld bereits aktiv waren, betten Placements in aktuelle Kampagnen ein, ergab 2010 eine Umfrage der Fachhochschule Düsseldorf im Auftrag des RTL II-Vermarkters El Cartel Media , Grünwald. Nur ein knappes Drittel sieht Präsenz jenseits klassischer Werbeblöcke als alleinstehende Maßnahme.

Nicht alle Genres wirken auf Auftraggeber gleichermaßen attraktiv. Scripted Reality etwa à la X-Diaries (RTL II), Trash-TV mit improvisiertem Laienspiel, rangiert der El-Cartel-Studie zufolge unter "Ferner liefen", auch Reportagen und Real-Life-Formate wie RTLs Verzeih mir oder We are Familiy auf ProSieben. Offenbar erscheinen solche Umfelder wenig imageförderlich. Gefragt hingegen sind Platzierungen in Shows sowie vor allem in TV-Serien. " McCafé und C&A in Anna und die Liebe sind anschauliche Beispiele, aber leider Ausnahmen", moniert Berater Kettmann. "Product-Placement ist in der Fiction-Sparte zu Hause, ausgerechnet hier jedoch bis dato nicht wirklich angekommen."

Hohes Maß an Vorbereitung

Der Grund? "Produktionsvorlauf", hört man von Seiten der Vermarkter. Kettmann widerspricht: "Der beträgt sechs bis neun Monate - eine Spanne, die sich im Lebenszyklus eines Markenprodukts durchaus überschauen lässt." Der Stuttgarter sieht eher einen Zusammenhang mit dem Faible der Vermarkter für Gesamtpakete inklusive Presenting und klassischen TV-Spots. Das lässt sich weniger aufwendig und vor allem schneller für Shows realisieren. Marken ins Drehbuch einer Serie zu schreiben, erfordert ein höheres Maß an Abstimmung und Vorbereitung. "Mal abgesehen davon, dass private Sender heute deutlich weniger Fiktionales produzieren als früher", so Kettmann.

Der Schwerpunkt in Placement-Konzepten, räumt Ad- Factory-Chefin Eckhardt ein, werde weiterhin auf Shows liegen, aber: "Bei Neuproduktionen im Fiction gehen wir künftig stärker in die Akquise." Im Mai tourt sie mit einer Roadshow durch Deutschland, um Ansätze in Unternehmen und Agenturen vorzustellen. IP indes bleibt reserviert. "Erfolgreiches Placement muss handwerklich erstklassig umgesetzt werden", betont Verkaufsdirektor Mann. "Es spricht also alles dafür, sich Zeit zu lassen."

Mehr zu W&V unter www.wuv.de

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