Süddeutsche Zeitung

Wirecard-Film:Voll ins Risiko

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RTL wollte mit der schnellen Wirecard-Verfilmung einen Erfolg landen. Doch das Zuschauerinteresse war eher gering, jetzt gibt es dafür Streit vor Gericht. Das könnte teuer werden.

Von Caspar Busse

Die Hoffnungen waren groß. Immerhin wollte der Sender RTL der Erste sein, der den Wirtschaftskrimi um die Skandalfirma Wirecard ins Fernsehen bringt - und so punkten. Der Erfolg war aber, freundlich gesagt, überschaubar. Die Erstausstrahlung von Der große Fake - Die Wirecard-Story bei RTL am Donnerstag vergangener Woche - zur besten Sendezeit - hatte gerade einmal knapp 1,5 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von unter fünf Prozent entsprach. Das liegt nicht nur deutlich unter den Erwartungen, sondern auch außerhalb dessen, was RTL normalerweise erreicht.

Dabei hatte man beim Kölner Privatsender genau aufs Timing geachtet: Der Film wurde genau am Abend des Tages ausgestrahlt, an dem sich Vizekanzler Olaf Scholz dem Wirecard-Untersuchungsausschuss in Berlin stellen musste. Aber auch das half nichts. Dafür sorgt der Film nun im Nachhinein für Aufsehen. So wie es aussieht, wird es sogar ein weiteres gerichtliches Nachspiel geben - eine Publicity, die RTL wohl gerne vermieden hätte und die teuer werden kann.

Trotz einer einstweiligen Verfügung sendete RTL den Film unverändert

Denn RTL hatte sehr kurz vor der Ausstrahlung eine einstweilige Verfügung gegen die Ausstrahlung kassiert, den Film aber trotzdem unverändert gesendet. Der Anwalt eines ehemaligen Wirecard-Mitarbeiters, der im Film vorkommt und der der Kronzeuge im laufenden Wirecard-Ermittlungsverfahren ist, hatte diese erst beim Landgericht München und dann in nächster Instanz beim Oberlandesgericht (OLG) München beantragt. "Der Beitrag ist aus unserer Sicht vorverurteilend, der Zuschauer hat das Urteil schon gefällt", sagt Rechtsanwalt Lucas Brost aus Köln. Die Richter des OLG hatten sich dieser Argumentation angeschlossen. Der Film sei zu beanstanden, "insbesondere weil nach dem maßgeblichen Verständnis eines unvoreingenommenen Zuschauers der Verdacht geäußert wird, dass über Wirecard auch Kinderpornografie und Terrorismus mitfinanziert worden ist und der namentlich genannte Antragssteller als ,Statthalter in Dubai' hierbei eine maßgebliche Rolle gespielt hat", heißt es im Beschluss des OLG Münchens. Es droht nun ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro gegen RTL oder ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten gegen RTL-Geschäftsführer. Dieses will Anwalt Brost nun beantragen.

Der Finanzdienstleiter Wirecard, zuletzt sogar Mitglied im Dax (also eine der 30 wichtigsten börsennotierten Firmen in Deutschland), war im vergangenen Jahr spektakulär zusammengebrochen, es gibt massive Betrugsvorwürfe, sehr viel Geld ist einfach verschwunden. Der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun und der untergetauchte Vorstand Jan Marsalek werden von der ermittelnden Münchner Staatsanwaltschaft schwer belastet, unter anderem mit Informationen des Kronzeugen, der ebenfalls noch in U-Haft ist - und eben im Film namentlich genannt wird. Wirecard ist einer der größten Wirtschaftsskandale der jüngeren Zeit und beschäftigt nun auch die Politik in Berlin. Eigentlich guter Stoff, mehrere Produzenten arbeiten bereits an Verfilmungen.

Sogar Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing tritt auf und äußert sich zum Fall Wirecard

Die RTL-Produktion Der große Fake ist ein sogenanntes Dokudrama - eine zuletzt sehr beliebte, aber auch umstrittene Darstellungsform. Darin werden nachgestellte Szenen mit Schauspielern, Interviews mit wahren Protagonisten und die Darstellung der Fakten vermischt. Fiktives und Faktisches wechseln sich also dramaturgisch ab, damit der Zuschauer dranbleibt. So tritt neben anderen sogar Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing auf und äußert sich zum Fall Wirecard. Braun, der derzeit in U-Haft sitzt, wird von Christoph Maria Herbst ( Stromberg) gespielt, Marsalek von Franz Hartwig ( Der Pass).

Der große Fake lief vom 31. März an bereits im kostenpflichtigen Streamingdienst TV-Now (der demnächst in RTL plus umbenannt werden soll). Am 22. April dann wurde die Produktion erstmals im frei empfangbaren Sender RTL gezeigt, im Rahmen eines Themenabends, gefolgt von einer Dokumentation. Inzwischen hat RTL in seiner Mediathek vorsorglich die entsprechenden Stellen in Der große Fake unkenntlich gemacht, sieht sich aber trotzdem im Recht.

"Wir halten die Entscheidung des OLG München für formal und inhaltlich falsch", teilte ein RTL-Sprecher am Dienstag mit. Das Landgericht München habe zuvor anders als das OLG entschieden und ein Verbot der Ausstrahlung abgelehnt. RTL sei dann vom OLG nicht angehört worden, das verletzte das Recht auf ein faires Verfahren. Es werde im Film zudem an keiner Stelle der Verdacht geäußert, dass der Antragsteller in strafrechtlich relevanter Weise eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll, so die Argumentation. Die einstweilige Verfügung sei zudem sehr kurzfristig vor der Ausstrahlung bei RTL eingegangen.

"Die Entscheidung ist für uns deshalb nicht akzeptabel", teilt RTL mit und kündigt an: "Wir prüfen derzeit sämtliche in Betracht kommenden rechtlichen Schritte gegen die einstweilige Verfügung und werden diese auch einleiten." Der juristische Streit steht also erst am Anfang, Fortsetzung folgt.

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