Wien-Tatort "Unvergessen":Knarzen für Besserwisser

Tatort Wien mit Harald Krassnitzer

Im Wien-Tatort "Unvergessen" granteln Eisner und alle anderen vorkommenden Österreicher, bis es knarzt.

(Foto: rbb/ORF/Toni Muhr)

Nachdem Kommissar Eisner sein Gedächtnis verloren hat, ermittelt er kurzerhand weiter - in einem Verbrechen, das ihn selbst betrifft. Was hilft, ist wie immer Alkohol und natürlich Granteln, bis es knarzt. Ein Fall für jene Klugscheißer, die via Twitter künftig jeden "Tatort" auseinandernehmen wollen.

Von Holger Gertz

Dass ein Kommissar mit Gedächtnisverlust zu kämpfen hat, stand schon häufiger im Drehbuch, Ivo Batic hat nach einer solchen Diagnose vorübergehend nicht mal Franz Leitmayr wiedererkannt. In dieser Episode aus Wien wird dem Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) eine Kugel in den Kopf geschossen, der Schaden, den sie anrichtet, ist allerdings überschaubar. Eisners Schutzengel, wird ihm mitgeteilt, habe mächtige Eier gehabt. Retrograde Amnesie, nur die Erinnerung an die fatalen Stunden ist gelöscht. Eisner kann sich schnell daranmachen, die fehlenden Momente in seinem Leben zu rekonstruieren. Dramaturgischer Kniff von Regisseur und Autor Sascha Bigler: Beim Tauchgang in die Tiefe der Erinnerung findet der Inspektor die Spur eines Verbrechens und seine eigene Rolle darin.

Was hilft in solcher Lage? Grundsätzlich und wie immer Alkohol. Denn, sagt Eisner: "I hab's am Kopf, net an der Leber." Was hilft außerdem? Alles rauszulassen natürlich, Eisner und alle anderen vorkommenden Österreicher granteln, bis es knarzt. "Gschissene Radlfahrer, depperte. Überall sans, sogar in die Berg", brüllt ein Taxifahrer, mit dem Eisner Richtung Karawanken unterwegs ist. Was hilft, schließlich, am meisten? Ein warmherziger Mensch wie Kollegin Fellner (Adele Neuhauser). "Wenn schon a Kugel im Kopf, dann wenigstens für eine Frau", sagt sie, und es ist auch in dieser Folge wunderbar, diesen beiden ziemlich runtergelebten Routiniers beim Wahrheitssuchen zuzuschauen. Sie wissen ja: Es gibt keine Wahrheit. Sie wissen auch: Wer sucht, der findet nicht.

Am Ende steht also immer noch ein gewaltiger Nebel in der Landschaft, aber Eisner und Fellner spielen über ein paar Untiefen im Buch locker weg. Der Fall dürfte außerdem perfektes Anschauungsmaterial für jene Klugscheißer und Besserwisser sein, die via Twitter künftig jeden Tatort auf seine Realitätsnähe abklopfen wollen. Ob alles politisch korrekt abläuft und die Polizeiarbeit realistisch dargestellt ist, und so weiter. Eisner müsste in die Reha, aber ermittelt trotzdem. Ein Anarchist, dem vieles am Oarsch vorbeigeht, sehr angenehm.

ARD, Montag, 20.15 Uhr.

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