Wetter:Potzblitz

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Vor 70 Jahren hat die BBC Wettervorhersagen ins Programm aufgenommen. Das deutsche TV zog eifrig nach, mit Zeigestöcken und Miniröcken. Eine Kultur­geschichte.

Von Christian Endt, Clara Lipkowski und Kathrin Müller-Lancé

Wie wird das Wetter? Vor genau 70 Jahren war diese vermeintlich banale Frage geradezu revolutionär, als die BBC sie im Fernsehen stellte. Schon 1936 hatte es erste Testläufe für TV-Wetterberichte gegeben, diese aber wurden durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Am 29. Juli 1949 dann ging der Wetterbericht als fester Programmpunkt richtig auf Sendung. Das deutsche Fernsehen zog ab 1951 nach. Anfangs standen die Moderatoren noch mit professoraler Attitüde im Studio, heute gleicht die Vorhersagen oft einer Unterhaltungsshow. Eine kleine Kulturgeschichte des Wetterfernsehens.

Die Show

Im Jahr 1951 ging beim damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) erstmals eine Wetterkarte auf Sendung. Aus dem Dachgeschoss eines Hochbunkers in Hamburg. Die Moderatoren bemalten vor laufender Kamera zur Veranschaulichung Papierkarten. Sie nahmen Schiefertafeln zur Hilfe, schoben Wolken auf einem Tableau hin und her und hielten Puppen in die Kamera, die je nach Wetter einen Regenschirm oder eine Jacke trugen. Weiße Papierkügelchen rieselten als Schnee auf sie herab. Im DDR-Fernsehfunk bereitete man vor der Sendung eine Glastafel vor.

Und nun zum Sie-wissen-schon: Gerd Roediger vom Seewetteramt des DWD in Hamburg sagt in den Fünfzigern in der Tagessschau das Wetter vorher. (Foto: Deutscher Wetterdienst)

1960 traten Trickfilme an die Stelle der Papierkarten, produziert vom Hessischen Rundfunk (HR). Damals wurden noch Daten vom Wetterdienst mit dem Motorradkurier zum Sender gefahren. Lange wurde das Wetter im Fernsehen auf der Karte von Deutschland in seinen Grenzen von 1937, mit den ehemaligen deutschen Provinzen östlich der Oder-Neiße-Linie, gezeigt. Erst mit der neuen Ostpolitik von Willy Brandt wurde das unrühmlich und in den Siebzigern abgeschafft. Fortan sahen die Zuschauer eine Europakarte. In den Neunzigern kamen dann computeranimierte Karten zum Einsatz. Und heute finden die Moderationen vor einem "Green Screen" statt, einer grünen Wand, auf der das Publikum dann eine virtuelle Karte sieht. Die Moderatoren sprechen in der Regel frei. "Ich glaube, man ist viel überzeugender, wenn man einfach spricht und nicht abliest", sagt HR-Wetterchefin Silke Hansen. Ein Publikumsliebling ist der Wetterbericht ohnehin: Das Wetter der Tagesschau gilt als wertvollste Minute im deutschen Fernsehen, immer wieder würden hier die höchsten Einschaltquoten erreicht, sagt Hansen. Das liege aber auch an den nachfolgenden Sendungen.

Der Pionier

Ohne Wegbereiter wie Lewis Fry Richardson wäre es soweit nicht gekommen. Er war es, der im April 1917, das Wetter der Zukunft zum ersten Mal errechnete: Ohne Computer dauerte das damals lange. Um eine Prognose zu berechnen, die eigentlich für den Folgetag bestimmt war, brauchte Richardson zwei Jahre. Mit dem mühsam errechneten Ergebnis lag er dann auch noch oft ziemlich daneben. Seither machte die Meteorologie rasante Fortschritte. "Die Vorhersagen für sieben Tage in die Zukunft sind heute so zuverlässig wie es Prognosen für den nächsten Tag im Jahr 1968 waren", sagt Detlef Majewski vom Deutschen Wetterdienst (DWD). "Vor 50 Jahren wusste man also erst am Freitag, ob am Wochenende Ausflugswetter wird, heute schon eine Woche vorher."

Die Berechnung

Das Grundprinzip der Wetterprognose hat sich seither nicht verändert. Wichtig war immer eine möglichst genaue Kenntnis des aktuellen Wetters, also von Luftdruck, Temperatur und Wind. Zudem die Naturgesetze, die beschreiben, wie sich die Atmosphäre unter diesen Bedingungen entwickelt. Mittlerweile steckt hinter dem Wetterbericht jedoch ein gigantischer Materialeinsatz. Satelliten umkreisen die Erde, Wetterbojen treiben auf den Ozeanen, Messballone steigen in den Himmel auf, weltweit Hunderte am Tag. Aus diesen und weiteren Quellen bekommt allein der DWD 135 Millionen Messungen der Atmosphäre, Tag für Tag. Um daraus eine Prognose abzuleiten, setzen Meteorologen die Daten in Gleichungen ein, die löst beim DWD ein Supercomputer, der Billionen Rechenoperationen pro Sekunde ausführen kann. Und die nächsten Programme sind längst in Planung. Vor allem noch kleinräumiger sollen die Prognosen werden, obwohl sich auch da sehr viel getan hat: 1966 berechnete der DWD das Wetter auf 381 Kilometer genau, inzwischen auf 13 Kilometer.

Im Gegensatz zu früher sind die Prognosen der Wetteredaktionen heute viel aktueller. Die Vorhersage für die Tagesschau wird zum Beispiel nicht mehr am Nachmittag, sondern erst um kurz vor 20 Uhr überspielt. Dass die Vorhersagen - und zwar überall - trotzdem immer mal wieder daneben liegen, hat damit zu tun, dass bei komplexen Systemen wie dem Wetter kleinste Abweichungen gravierende Folgen haben können. Das ist der Schmetterlings-Effekt, benannt nach einem Beispiel des Meteorologen Edward Lorenz, wonach der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen könne.

Die Moderatoren

Wer die Wettervorhersage präsentiert, weiß, wovon er spricht. Oder? Zumindest beim ZDF arbeiten vor und hinter der Kamera ausschließlich ausgebildete Meteorologen. Aus verschiedenen Modellen berechnen sie die aktuelle Vorhersage selbst. Da gebe es schon mal Diskussionen, sagt Katja Horneffer aus der ZDF-Wetterredaktion. Am Ende aber habe der Moderator das letzte Wort, er müsse die Prognose schließlich überbringen: "Wenn ich denke, der Nebel bleibt, dann sage ich das auch so. Und wenn ich unrecht hatte, dann freut sich am nächsten Tag eben der Kollege." Bei der ARD stehen nicht nur Meteorologen vor der Kamera: Sven Plöger und Karsten Schwanke haben Meteorologie studiert, Claudia Kleinert BWL. Auch bei den Privatsendern ist eine meteorologische Ausbildung nicht zwingend. Und früher? Ab den Fünfzigerjahren verlas eine Zeit lang nur eine Stimme aus dem Off nüchtern das Wetter, Moderatoren deuteten wie stumme Professoren mit Zeigestock auf Karten. Ab den Siebzigern wurden dann erste "Wetterfrösche" wie Uwe Wesp, der Mann mit Fliege, berühmt. In den Neunzigern wurde die Sprache lockerer, aus "Temperaturrückgang" machten Moderatoren wie Jörg Kachelmann "es wird kälter", "Niederschlag" wurde zu "Regen". Bei den Privatsendern plauderte der "lustigste Wetterfrosch" Manfred Erwe in einer eigenen Sat-1-Show wie ein Kumpel über das Wetter. Es war auch das Jahrzehnt, in dem "Wetterfeen", "Wetternixen" und "Wettersirenen" mit schlüpfrigen Kommentaren angekündigt wurden, die dann mit kurzen Röcken auftauchten. Heute findet die Präsentation meist in Anzug oder Kostüm statt.

Die Pannen

Die Wettervorhersage ist längst selbst ein Event - das gilt nicht nur für spektakuläre Live-Schalten aus Schneestürmen oder Überschwemmungen, sondern auch für denkwürdige Auftritte mancher Moderatoren. ZDF-Mann Uwe Wesp zum Beispiel kündigte einst an: "Am Sonntag ist es im ganzen Deutschen Rei... Bereich recht warm und sonnig." Später erklärte er der Zeit: "Wir hatten vorher in der Redaktion über das Deutsche Reich gesprochen, da kann einem so ein Versprecher schon einmal passieren." Silke Hansen vom HR erinnert sich an besonders an Orkan Kyrill: "In der Live-Schalte hat der Sturm eine Bodenfliese hochgehoben. Sie ist genau zwischen dem Kameramann und mir aufgeschlagen." Im TV konnte man die Fliese fliegen sehen. "Da macht Wetter keinen Spaß mehr". Ein Klickhit im Internet ist der endlose Lachanfall von RTL-Wettermoderatorin Maxi Biewer. Ein andermal empfahl sie für einen Sommertag, man solle doch "unanständige Dinge tun". Eine Steilvorlage für Stefan Raab, der daraus kurzerhand einen Rap mit Rassel machte. Spätestens damit war der Wetterbericht auch in der Popkultur angekommen.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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