Süddeutsche Zeitung

"Wetten, dass..?" in Düsseldorf:Willkommen beim polierten Showroboter

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Wie müsste ein guter Entertainer durch "Wetten, dass...?" führen? Er müsste überraschen, selbst Spaß haben, sich keinem Druck beugen. All das gelingt Markus Lanz mal wieder nicht - zwei Gäste führen ihm vor, wie es geht.

Eine TV-Kritik von Hans Hoff

Nach einer Stunde kommt Udo Jürgens auf die Bühne und hat schon den perfekten Kommentar für die gesamte Sendung im Gepäck. "Der Mann ist das Problem", singt er. Besser kann man das aktuelle Dilemma bei "Wetten, dass...?" nicht zusammenfassen. Markus Lanz ist immer noch Moderator - Online-Petition hin, Online-Petition her. Und dazu gelernt hat er exakt nichts. Muss er auch nicht, denn man wolle ja gar nichts ändern, sagt man beim ZDF, und deshalb wird die bittere Diagnose von Altmeister Jürgens Gültigkeit behalten. Der Mann ist das Problem.

Wie sehr Lanz der Show schadet, wird schon deutlich, als er die ersten Gäste empfängt. Man kann zu Joko und Klaas stehen, wie man will, aber gegen den Gastgeber wirken sie wie Giganten des Showgeschäfts. Sie sind in den wenigen Minuten ihres Auftritts überraschend, sie haben selbst Spaß, sie beugen sich keinem Druck.

Bei Lanz ist nichts überraschend. Er fragt vorzugsweise angelesene Geschichten ab, die schon so viel Staub angesetzt haben, dass sich die Befragten nur mühsam an sie zu erinnern scheinen. Er nennt Judith Rakers allen Ernstes eine Entertainerin und fragt sie, ohne rot zu werden, wie das war, als sie das erste Mal zur Tagesschau antrat. Vor zehn Jahren.

Niemand sonst kann so falsch lachen

Auch von Udo Jürgens will er wissen, wie das war, vor dem Brandenburger Tor zu spielen. Auch das liegt eine kleine Ewigkeit zurück. So vermeidet er ganz sicher alles Unkalkulierte, wirkt dabei aber wie ein polierter Showroboter. Lanz stellt nur Fragen, deren Antworten er schon lange kennt.

Wenn Lanz lacht, wirkt das nie echt, immer wie eine Pflichtübung. Niemand sonst kann so falsch lachen. Er muss alles lustig und spaßig finden, das ist sein Job. Leider sieht man ihm an, dass er hart arbeitet und bei der Verteilung von Charisma nicht mehr drangekommen ist. Er steht schwer unter Druck, und er tut nur so, als halte er dem stand. Jeder kann sehen, wie er sein Scheitern in eine Schleife schickt.

Die Schleife reicht für drei schwere Stunden, in denen sehr wenig stimmt. Die Wetten sind bis auf eine, bei der zwei junge Männer ohne Hilfsmittel die Wände hochlaufen, eher Durchschnitt, die Gäste mehrheitlich zum Gähnen langweilig, und die Musikeinlagen bis auf die Ausnahme Pharrell Williams sehr konventioneller Kram. Vom Anspruch, "Wetten, dass...?" mal als Pflichtbühne für große Stars zu etablieren, hat man sich deutlich verabschiedet. Bis auf Williams und Hilary Swank gehören alle anderen zur Standardausstattung deutscher Fernsehstudios und machen Werbung für irgendetwas, das gerade neu ist oder so tut.

Da hilft es dann auch nicht, dass Christoph Maria Herbst wenigstens ein paar knackige Stromberg-Sprüche absondert. "Jeder hier in diesem Bums hat Spaß", sagt er bewusst wahrheitswidrig, und dann pflaumt er noch einen Kollegen an: "Du kannst alles tragen. Dir steht nichts." So etwas ist kurz erfrischend, rettet aber keine Show, die ganz offenbar niemand mehr im Griff hat, die nur noch vor sich hin mäandert. Da gibt es kaum einen Moment, von dem es zu berichten lohnt.

Ein letzter Hauch Realitätssinn

Eine Ausnahme ist vielleicht das Gespräch mit Pharrell Williams. Als der wissen will, wie viele Menschen die Show so sehen, sagt Lanz "vielleicht so sechs, sieben, acht", und er meint Millionen. Das ist Wunschdenken und bemerkenswert, weil Lanz nicht einmal mehr wagt, von mehr als acht Millionen Zuschauern zu träumen. Wenigstens ein letzter Hauch von Realitätssinn ist ihm geblieben.

Aber selbst das nützt ihm nichts. Er ist wie er ist, und nach allem, was man hört, wird er so bleiben. Das einzige, was sich rasend schnell ändert, ist seine Bewertung. Gestern noch war er die Hoffnung für "Wetten, dass...?". Heute ist er für die Show das, was der Wendler für den deutschen Schlager darstellt. Es bleibt dabei: Der Mann ist das Problem.

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