"Wetten, dass..?" aus Karlsruhe:Getrieben vom Dschungelcamp

Wetten, dass..? in Karlsruhe

Beim elften "Wetten, dass..?" von Markus Lanz (r.) war Atze Schröder (l.) zu Gast.

(Foto: dpa)

Seine Kritiker würden ihn gerne mit einer Online-Petition aus dem öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb fegen, in "Wetten, dass..?" kann sich Markus Lanz einen Kommentar dazu nicht verkneifen. Am Ende eines ereignisarmen Show-Abends bleibt ein Novum.

Eine TV-Kritik von Matthias Kohlmaier

Irgendetwas würde er dazu sagen, so viel war sicher. Also, falls sie ihm das nicht von der ZDF-Kommandobrücke in Mainz aus verboten haben sollten. Hatten sie aber nicht, deshalb begann Markus Lanz sein elftes Mal als "Wetten, dass..?"-Moderator folgendermaßen: "Ich habe mir vorgenommen, es 2014 etwas ruhiger angehen zu lassen. Ich muss sagen, mit Blick auf die vergangenen Tage ist mir das sehr gut gelungen." Zahnpastalächeln, weiter geht's.

Sehr souverän für jemanden, dem etliche Journalisten und seit kurzem auch Kritiker im Internet an den perfekt sitzenden Hemdkragen wollen. Keine zwei Wochen ist es her, da hatte Lanz erst ein paar und mittlerweile noch ein paar mehr Rundfunkbeitragszahler gegen sich aufgebracht, nachdem er in seiner Talkshow ein unglückliches bis tendenziöses Interview mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht geführt hatte. Seitdem läuft eine Online-Petition, deren Unterzeichner Lanz gerne seltener bis gar nicht mehr im Fernsehen sehen würden. Bis zum frühen Sonntagmorgen hatten mehr als 206.000 Menschen unterschrieben.

Nichts ist beendet

Markus Lanz hat inzwischen eingeräumt, dass ihm besagtes Gespräch etwas entglitten ist, Sahra Wagenknecht hat seine Entschuldigung angenommen. Frei nach einem ehemaligen Kanzleramtsminister ließe sich vermeintlich sagen: Wagenknecht-Affäre hiermit beendet. Aber so schnell vergisst das Netz nicht. Und so werden die Anti-Lanz-Petition noch Tausende unterzeichnen, wird weiterhin jede Äußerung von Markus Lanz genau verfolgt und auf diversen Internetseiten sofort thematisiert und diskutiert werden.

Der Moderator selbst konnte sich in der Sendung eine Bemerkung zur Causa nicht verkneifen: Ohne weiter darauf einzugehen, riet Lanz den Karlsruhern am Samstagabend, doch eine Online-Petition gegen die vielen Baustellen in der Stadt zu starten. Kein Knaller - aber jemand, auf den immer wieder medial eingeprügelt wird, der darf sich einen kleinen Seitenhieb erlauben.

Markus Lanz wird freilich finanziell sehr gut für all die Häme entschädigt und ist sich seiner exponierten Stellung in Deutschlands TV-Landschaft sicher bewusst. Aber Kritik sollte fundiert sein und nicht zur Hetzjagd werden.

So, nun aber zum eigentlichen Thema dieses Textes: Samstagabend, Karlsruhe, Markus Lanz, elftes Mal "Wetten, dass..?".

In gewisser Weise war die Show schon immer eine Werbefläche, die das ZDF je nach Situation gekonnt einzusetzen wusste. Wer kam, darf und durfte Werbung für seinen neuen Film/sein neues Buch/seine neue Serie/sein neues Album machen, ein bisschen plaudern, ein bisschen Wettpate sein und dann wieder gehen. Aber in den vergangenen Sendungen hat man ein Level der Eigenwerbung erreicht, da wird einem als Zuschauer fast ein kleines bisschen übel.

Lanz bewirbt Lanz

Der "Bergdoktor" Hans Sigl kommt in die Show und darf mit Lanz über den, unbestritten vorhandenen, Quotenerfolg der ZDF-Serie sprechen. Es wird gelacht, gescherzt, Lanz fragt: "Hans, ist es so, dass, wenn du über die Straße gehst, die jungen Frauen Atembeschwerden bekommen, Mund-zu-Mund-beatmet werden wollen?" Was für ein Spaß! Später nimmt Yvonne Catterfeld auf der Couch Platz und macht, immer unterstützt vom tapferen Moderator, Werbung für ihren Film "Zwischen Himmel und Hier" im ZDF-Herzkino. Was für ein Infotainment! Lanz schafft es sogar, noch eine Programmankündigung in eigener Sache unterzubringen. "Peter, du kommst ja zu mir in die Sendung. Da sprechen wir dann mal eine ganze Stunde über dein Leben", freut sich Lanz auf den baldigen Besuch von Peter Maffay in seiner Talkshow. Markus Lanz macht im ZDF Werbung für eine Sendung mit Markus Lanz im ZDF. Schon irre.

Neben den ganzen menschgewordenen Produktplatzierungen guckt für die Hollywood-Fraktion Liam Neeson kurz vorbei, ist aber vorher vermutlich von Tom Hanks gewarnt worden und hat sich vertraglich zusichern lassen, nicht allzu lange bleiben zu müssen. Fußballer Max Kruse hat sein Charisma entweder zu Hause vergessen oder hatte nie eins und Komiker Atze Schröder liefert eine derart unlustige Einlage zu Frauen-Männer-Stereotypen, dass sogar dem sonst klatsch- und lachfreudigen Publikum kaum ein Laut entwischt.

Flucht vor dem RTL-Dschungel

Bei dem abgestandenen Gäste-Potpourri werden die Macher beim unausweichlichen Blick auf die Quote froh sein, dass wenigstens die Wetten des Abends ein paar Highlights lieferten und den TV-Zuschauern die Entscheidung zum Umschalten erschwerten. Am spektakulärsten dabei gewiss die Außenwette aus Kärnten, wo ein Herr hoffte, mit seinem Rallye-Auto schneller einen verschneiten Berg hinauffahren zu können, als Ex-Skirennfahrer Hermann Maier selbigen auf Skiern würde hinunterbrettern können. Moderiert wurde das Ganze von Mirjam Weichselbraun (sehr charmant) und Matthias Schweighöfer (sehr aufgedreht). Außergewöhnliche Action plus Spannung plus Prominente - so überraschend und unvorhersehbar wie in diesen wenigen Momenten dürfte "Wetten, dass..?" gerne immer sein.

Wobei: Ein Novum ist den Machern und ihrem Moderator am Samstagabend tatsächlich geglückt. Laut Programmankündigung sollte "Wetten, dass..?" um 22.45 Uhr enden, wie immer eben. Und wie immer wird anstandshalber - Gottschalk-Tradition verpflichtet - um 15 bis 30 Minuten überzogen, nicht wahr? Weit gefehlt, um 22.44 Uhr und damit sogar vor der Zeit hatte Lanz seine Abmoderation beendet. Ein Zufall? Eine Zeitenwende? Wohl nicht, eher Pragmatismus. Denn um 22.15 Uhr startete bei der Konkurrenz von RTL das "Dschungelcamp". Den ZDF-Verantwortlichen dürfte bewusst gewesen sein, dass jede Minute, die man gegen den unverschämt quotenstarken Dschungel sendet, eine verlorene Minute ist.

"Wetten, dass..?" nimmt Reißaus vor dem "Dschungelcamp". Willkommen in der Fernsehrealität 2014.

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