"Wetten, dass..?" aus Augsburg:Gnadenlose Groteske

Wetten, dass..? aus Augsburg

"Wetten, dass..?"-Duo Markus Lanz und Michelle Hunziker in Augsburger Sendung.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Eine neue #blackface-Debatte, unfreiwillig komische Beckers und Mitleidsbekundungen der Gäste. Das alles gab es bei "Wetten, dass ..?" in Augsburg. Stellt sich die Frage: Ist Lanz nun ein Genie - oder ein Wahnsinniger?

Eine TV-Kritik von Johanna Bruckner

Vielleicht ist Markus Lanz ja selbst ein genialischer Kritiker der modernen Fernsehunterhaltung. Der die Schwächen des Genres zu einer gnadenlosen Groteske verdichtet, live am Samstagabend: "Wetten, dass ..?". Narzisstische Protagonisten, die sich wahlweise in banalsten Plaudereien ergehen oder klischeelastige Witzchen reißen, dazwischen Nonsens-Spielchen und immer wieder: unendliche Ödnis. Quod erat demonstrandum.

Lanz übernimmt dabei den Part des anbiedernd-überforderten Moderators. Selbstlos zwar, aber durchaus unter Schmerzen, wie er in dieser Woche im Stern bekannte. "Kein Tag der Freude" sei das gewesen, als er den Zuschlag für "Wetten, dass ..?" erhalten habe, sagte er dem Magazin. "Ich wusste, dass ich auf eine Lichtung rausgehe, und die Typen sitzen schon da mit gespannter Flinte." Wobei Lanz - unter der Annahme, dass er zugleich Regisseur des doppelbödigen Stücks ist - diesen Typen, namentlich den "Onlinemedien", die Rolle des Henkers natürlich selbst zugedacht hat. Der Kritiker macht seine Kritiker zum Sprachrohr seiner Kritik. Welche Chuzpe!

Nun denn - was würde ihnen, und den 6,88 Millionen Zuschauern, diesmal in Erinnerung bleiben?

Die Skandalwette

Hatte mit der "Augsburger Puppenkiste" zu tun. Lustig schaukelnde Kinderbuchfiguren, denkbar harmlos - dachte man zumindest, bis die zwei berühmtesten Marionetten des Holzfiguren-Ensembles die Stadtwette verkündeten. "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" riefen dazu auf, sich als ihre Ebenbilder verkleidet im Augsburger Studio einzufinden. "Jim sollte natürlich schwarz geschminkt sein - Schuhcreme, Kohle, was auch immer."

Damit war nach #nipplegate (verantwortlich: das tief dekolletierte Kleid von Ko-Moderatorin Michelle Hunziker) der zweite Hashtag des Abends geboren: #blackface. Unter diesem Schlagwort war bereits im Januar ein Shitstorm über den ARD-Literaturkritiker Denis Scheck niedergegangen, der sich in einem Videoclip mit schwarz angemaltem Gesicht über das Vorhaben einiger Verlage echauffiert hatte, Ausdrücke wie "Neger" aus Kinderbüchern zu streichen. Und nun im ZDF zur besten Sendezeit der Aufruf zum Blackfacing? Dem im Übrigen unter anderem Augsburgs Bürgermeister nebst Gattin folgte.

Den Sendungsverantwortlichen hätte klar sein können, welche Debatte sie mit ihrer Aktion lostreten würden. Und ihnen hätte klar sein müssen, dass ein für viele Menschen so sensibles Thema in einer Unterhaltungsshow zumindest deplatziert ist. Aber vielleicht hat der Lanz'sche Umgang mit (Internet-) Kritik ja längst Schule gemacht, der da heißt: Nicht vorher darüber nachdenken, sondern "wenn der Shitstorm kommt, (...) gedanklich einfach mal die Spülung (...) drücken." (Lanz im Stern)

Die übrigen Wetten

Waren dafür komplett spannungsfrei. Zumindest inhaltlich. Ein junger Mann blies Kerzen aus, indem er mithilfe einer Slackline die Luft in Bewegung versetzte. Eine Lateinklasse erriet einfache Vokabeln allein am Kreidegräusch beim An-die-Tafel-Schreiben. Am Erstaunlichsten daran, so die einhellige Meinung der anwesenden Erwachsenen, sei, dass sich Jugendliche tatsächlich freiwillig mit Latein beschäftigen ("Sind das etwa Streber?", O-Ton Michael "Bully" Herbig) Für so viel Lerneifer ließ das ZDF dann auch eine Klassenfahrt springen. Zwar nur nach Trier, aber immerhin bemühte sich Hunziker das Ganze als Auslandsreise zu verkaufen ("Trié").

"Alle Weihnachtsmärkte schließen!"

Dann gab es noch einen Ehemann, der seiner Ehefrau auf Knäckebrot Abba-Songs vorknabberte. Ein Kandidat vollführte auf einem Jetski Salti, ein anderer zerteilte mit einem Samurai-Schwert Tennisbälle. Und eine junge Frau zählte und sortierte die Buchstaben von Begriffen alphabetisch. Die Programmplaner nahmen zusätzlich Spannung raus, indem sie die Wetteinsätze der prominenten Paten abschafften. Und damit niemand auf die Idee kommen konnte, es gäbe einen VIP-Bonus, zeigten sie sich auch bei den Zeitvorgaben großzügig: Zweimal hüpften die Buchstaben, obwohl die Kandidaten (der Slackliner und der Tennisball-Samurai) eigentlich erst nach der Zeit fertig geworden waren. Wie Markus Lanz in Anlehnung an Howard Carpendale sagen würde: "Früher war es nischt so wischtisch, ob was falsch war oder rischtisch."

Die Witze

Lassen sich mit einem Beispiel zusammenfassen. Schauspieler Wolfgang Stumph zu Markus Lanz: "Kennst du den Witz mit schade?" Lanz: "Nein." Stumph: "Schade."

Die Beckers

Lösten zwar nicht ein, was sie via Social Media angedeutet hatten: nämlich eine Überraschung. Waren aber tatsächlich komisch, wenn auch meistens unfreiwillig. So zum Beispiel Boris Becker, als er das Missverständnis mit der Ankündigung erklärte: "Manchmal geht meine Twitter-Hand mit mir durch." Oder Ehefrau Lilly, die sich zu Boris' Zeugungsfähigkeit äußerte und dabei auch Markus Lanz zu einem unverhofften Lacher verhalf.

Lilly: "He doesn't hit the bulls eye. He's shooting blanks." Lanz: "Da wollen wir jetzt gar nicht weiter eindringen."

Oder abermals der ehemalige Tennis-Star, wenn er einfach er selbst war: "Ich spiele nur noch, um Menschen eine Freude zu machen."

Die Mitleidsbekundungen

Auch die "Wetten, dass ..?"-Gäste hatten offenkundig mitbekommen, dass Sendung und Moderator in der Kritik stehen. Und so versuchten sie zu helfen, mit konstruktiven Vorschlägen und tröstenden Worten. Comedian Herbig schlug vor, sich an anderen Erfolgsformaten zu orientieren.

Bully: "Haben wir zufällig einen Bauern da, einen Single? Wenn wir für den heute Abend 'ne Frau finden, haben wir 'ne super Quote."

Wolfgang Stumph: "Oder alle Weihnachtsmärkte schließen!"

Ko-Moderatorin Hunziker schien am Ende der Sendung schon zu ahnen, dass es trotz all dieser Bemühungen auch diesmal wieder Kritik hageln würde: "Und du machst das wirklich toll."

Vermutlich ist Markus Lanz nämlich doch kein genialischer Kritiker. Vermutlich, dieser Eindruck bleibt einmal mehr nach dieser "Wetten, dass ..?"-Sendung, ist er einfach kritikresistent. Unbeirrbar auf seinem Irrweg wie dieser Mann aus dem Geisterfahrer-Witz. Der im Autoradio eine Warnmeldung über einen Falschfahrer hört und sich denkt: "Einer? Dutzende!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: