Süddeutsche Zeitung

Nationalmannschaft bei "Wer wird Millionär":Die Angst des Spielers vor der Einstiegsfrage

Lauter Millionäre bei "Wer wird Millionär" - die Nationalspieler raten bei Günther Jauch. Gelten die alten Klischees vom dämlichen Kicker noch?

Von Martin Schneider

Den Preis für das Pokerface des Abends gewann Joshua Kimmich. Er ließ sich nicht anmerken, wie er das denn nun fand, dass Barbara Schöneberger als Telefonjoker dauerhaft zur Verfügung stehen würde. Er ließ sich nicht mal anmerken, ob er Barbara Schöneberger überhaupt kennt. Was er sich anmerken ließ: Dass auch ein Fußballprofi Angst vor den Einstiegsfragen bei "Wer wird Millionär" haben kann.

Seit 1999 läuft die Sendung (um sich das mal vorzustellen: Das ist länger, als Joachim Löw Bundestrainer ist) und immer noch kann man sich im deutschen Fernsehen kaum härter blamieren als bei diesen Paar-Hundert-Euro-Fragen, für die sich die Redaktion seit Ur-Zeiten Wortspiele und Witzchen an der Schmerzgrenze ausdenkt ("Welcher dieser Vögel ist nicht nach seiner Leibspeise benannt? - Hühnerhabicht, Zebrafink, Mäusebussard, Fischreiher"). Aber unter dieser gedankenerdrückenden Musik ist ein Blackout immer möglich, alles schon passiert, das bringt auch den ausgebufftesten Nationalspieler ins Schwitzen. "Ich hab schon Bundesligaspiele gespielt, da war ich weniger nervös", sagte Leon Goretzka.

Die deutsche Nationalmannschaft hat gerade ein Imageproblem, die Einschaltquoten der Spiele sind so niedrig wie seit Jahren nicht mehr, da hielt es DFB-Direktor Oliver Bierhoff für eine gute Idee, seine vorzeigbarsten Spieler zu Günther Jauch zu schicken und für den guten Zweck Fragen beantworten zu lassen. Das hatte im Vorfeld so mittelgut geklappt, weil in den sozialen Medien mehrere Menschen anmerkten, dass es nicht ohne Ironie sei, wenn an einer Sendung namens "Wer wird Millionär?" zum vermutlich ersten Mal in der Geschichte ausschließlich Millionäre teilnehmen.

Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Lukas Klostermann, Niklas Süle, Kevin Trapp und Bierhoff selbst spielten dann mit - allesamt Fußballer der Kategorie modern, aufgeklärt, vorzeigbar. Das Klischee des dämlichen Kickers hält sich ja hartnäckig, hat mit der Realität aber schon lange wenig zu tun. Bei der Weltmeisterschaft 2010 war der Abitur-Schnitt innerhalb der Nationalmannschaft höher als in der Bevölkerung, Kimmich hat gar einen 1,7er-Schnitt hingelegt.

Man erfährt, dass der Koch der Nationalmannschaft allen Ernstes Anton Schmaus heißt

Aber das hilft einem ja auch nicht, wenn Jauch wissen will, wo bei der KfZ-Prüfplakette der Monat für die nächste Hauptuntersuchung steht oder wie viel Pfand man für einen Bierkasten bekommt - beides sehr wahrscheinlich absichtlich Fragen aus der Kategorie Das-wissen-diese-abgehobenen-Fußballer-eh-nicht. Wussten sie auch jeweils nur mit Joker.

Bei den Telefonjokern - Publikumsjoker gibt es durch Corona nicht mehr, weil es kein Publikum gibt - lernt man unter anderem, dass der Koch der Nationalmannschaft allen Ernstes Anton Schmaus heißt - der passendste Name im Fußballkosmos seit dem isländischen Stürmer Sigthorsson.

Bei jeder Folge Wer-wird-Millionär gibt es immer eine Frage, die besonders schön ist. Diesmal war es die: "Bei sogenannten Beistellern, die häufig günstig zu haben sind, handelt es sich um ... A) Wellensittiche, B) Katzen, C) Pferde D) Schweine". Goretzka vermutete Wellensittiche, weil die nicht allein sein können. Kimmich warf ein, dass der Hinweis mit dem "günstig" ihn irritieren würde und Wellensittiche nicht wahnsinnig teuer seien. Man versuchte es dann über die Definition, woraus der wunderbare Dialog entstand.

Goretzka: "Was ist für dich ein Beisteller?"

Kimmich: "Naja, etwas, was man danebenstellt."

Beide erzählten dann, sie seien vor Kurzem auf dem Pferdehof ihres Bayern-Mitspielers gewesen. " ... und da hat der Thomas Müller nix von Beistellern gesagt", sagte Kimmich.

"Pferd" war dann doch die richtige Antwort und Müller hat davon nix gesagt, weil er ganz viele Pferde besitzt und man "Beisteller" nur kaufen muss, wenn ein Pferd allein ist. Im Internet kann man übrigens nachschauen, welches die Millionenfrage gewesen wäre. ("Wie heißt Büchners Woyzeck mit Vornamen?"). Da wäre es natürlich spannend gewesen, ob Kimmich auch eine Eins im Deutsch-Abi geschrieben hat.

Ach, einen Klischee-Fußballer-Moment gab es dann übrigens doch noch. Als Jauch die Frage vorlas "Welche Monarchin wird auch 'Vulkankönigin' genannt, weil sie 30 bis 40 Zigaretten am Tag rauchen soll?", da fragte Niklas Süle eiskalt zurück. "Was ist eine Monarchin?"

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