Süddeutsche Zeitung

Medienkolumne: Unser Beitrag:Heult doch

Wie die ARD mit den Plänen zum "Weltspiegel" ihre Auslandskorrespondenten vor den Kopf stößt.

Von Claudia Tieschky

Ist das ein Haufen von Zukunftsverweigerern, der sich weinerlich beklagt, dass der Weltspiegel in der ARD seinen Sendeplatz am Sonntag verlieren soll - nach 58 Jahren, einem selbst für öffentlich-rechtliche Verhältnisse surreal langen Zeitraum? Die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl hat das angekündigt als Teil einer geplanten "Schärfung der Profils" im Ersten. Statt sonntags vor der Tagesschau soll die 45-minütige Sendung am Montag um 22.50 Uhr nach den Tagesthemen kommen. Von Schärfungen dieser Art halten 45 Unterzeichner einer Stellungnahme an die Intendanten, Direktoren und den ARD-Chefredakteur gar nichts, sie protestieren gegen die Verlegung der Sendung, die nahezu die einzige Plattform für längere Korrespondenten-Berichte aus dem Ausland ist. Unterschrieben haben bekannte ARD-Journalisten wie Christiane Meier, New York, Annette Dittert, London, Sabine Rau, Paris, oder Ina Ruck, Moskau. Weltspiegel-Moderatorin Natalie Amiri, früher Leiterin des ARD-Studios in Teheran, twitterte: "Ja, manchmal könnte ich vor Wut heulen."

Nach einer neuen Logik der Öffentlich-Rechtlichen wird ja der Sendeplatz im Fernsehen sowieso irrelevant, weil es die Mediatheken gibt. Teils stimmt das. Gleichzeitig passt es ins aktuelle Täter-Profil der abgabenfinanzierten Sender, das Komplexe, Wertvolle und Teure, Nachhaltige, Denkaufwendige - kurzum: das Öffentlich-Rechtliche - zu verdrängen zugunsten von Programmen, die angeblich den Zuschauer besser erreichen als die bisherigen. Was da herauskommt, ist nichts anderes als neuer Mainstream. Die Kultur hat es vorgemacht, Literatursendungen verschwinden oder müssen unbedingt mit irgendeiner Attraktion verknüpft werden, notfalls mit der Geschichte vom Pferd.

Was den Weltspiegel angeht, ist das besonders gefährlich. Er soll zwar nicht abgeschafft, sondern nur in die "Todeszone" verlegt werden - so nennen die Unterzeichner der Stellungnahme den späteren Montagabend (noch nie übrigens ist über diesen Sendeplatz so viel Klartext gesprochen worden, den das Erste für Dokus schönredete). Das Auslandsformat liegt dann nicht mehr im großen öffentlich-rechtlichen Schaufenster. Damit gibt man die Ausstattung der Korrespondentenbüros für die anstehenden Diskussionen um Kosten und Einsparungen frei. Wenn das mit Profilschärfung begründet wird, muss man sich um dieses künftige Profil wirklich Sorgen machen.

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