Eines der jüngsten Bilder auf dem persönlichen Instagram-Account von Shealah Craighead zeigt die Fotografin selbst. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme stammt aus dem Oktober 2016, Craighead ist eingerahmt von zwei Männern. Zu ihrer Rechten steht Ex-Präsident George W. Bush, zu ihrer Linken Marco Rubio, damals noch einer der republikanischen Kandidaten für das höchste Amt der USA. Das Trio ist insgesamt hervorragender Laune, am offensten lacht aber Shealah Craighead. Unter dem Foto steht: "Ich konnte meine Aufregung nicht verbergen, auf einem Foto zu sein mit einem früheren Präsidenten und dem möglichen zukünftigen Präsidenten."
Seit vergangener Woche ist klar: Craighead wird dem neuen US-Präsidenten so nah sein wie kaum jemand sonst - nur heißt der Präsident eben nicht Marco Rubio, sondern Donald Trump. Sean Spicer, Pressesprecher des Weißen Hauses, hat die 40-Jährige jüngst als offizielle Fotografin des Weißen Hauses verkündet. Sie folgt damit auf Pete Souza, der mehr als acht Jahre lang Barack Obamas persönlicher Fotograf war und schon dessen Aufstieg vom Senator zum ersten afroamerikanischen Präsidenten Amerikas begleitet hatte.
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Donald Trumps Antrittsrede zeigt, dass er weiterhin ein Präsident der Spaltung sein wird. Und sie zeigt, wie er mit Sprache umgeht: meisterlich manipulativ.
Craighead ist die erste Frau in dieser Position, und wer nur flüchtig auf ihren Werdegang blickt, könnte annehmen, das verdanke sie ihrem phasenweise sehr stringenten politischen Engagement.
Sie gehörte schon einmal zum offiziellen White-House-Team: als eine der Fotografinnen für den ehemaligen republikanischen Vize-Präsidenten Dick Cheney und persönliche Fotografin der früheren First Lady Laura Bush. Kurz nach der ersten Vereidigung von George W. Bush fotografierte sie die neue Hausherrin in der 1600 Pennsylvania Avenue in einem roten Abendkleid im Garten, zu Laura Bushs Füßen liegen die Terrier "Spotty" und "Barney", im Hintergrund erhebt sich das Weiße Haus.
Craighead hat auch Fotos im Portfolio, die weniger inszeniert wirken und eher ihrem beruflichen Versprechen gerecht werden: Geschichte dokumentieren, während sie passiert. Eines ihrer Bild zeigt etwa Laura Bush in der Präsidentenmaschine "Air Force One". Die First Lady ist umgeben von Reportern, die ihr Mikrofone und Aufnahmegeräte entgegenstrecken. Ihr Lächeln wirkt angestrengt, professionell.
Craighead durfte persönliche Momente der Palin-Familie festhalten
Es liegt nahe, Craighead als Haus- und Hoffotografin der Republikanischen Partei zu bezeichnen. Als sich Sarah Palin 2008 um das Präsidentschaftsamt bewarb, war Craighead es, die die Kampagne begleitete. Wohl auch aufgrund einer menschlichen Nähe: Über die ehemalige Gouverneurin von Alaska heißt es, sie lasse sich nur ungern fotografieren. In Gegenwart von Craighead fühlte sie sich offenbar wohl. Craighead selbst erzählte einmal, dass Palins Ehemann Todd darauf bestanden habe, dass sie ihn beim Vornamen nenne.
Diese Nähe funktioniert. Auf einem Foto in Palins Buch "America by heart" ist Todd Palin zu sehen, wie er seinen Sohn Trig im Arm hält, der mit Down-Syndrom geboren wurde. Vater und Sohn lächeln einander an. Eine zutiefst menschliche, berührende Szene. Eingefangen von Shealah Craighead.
Ihre Fotos sind gefragt - und das nicht nur bei Republikanern. Sie hat schon für den Boston Globe fotografiert und für die Agenturen Associated Press und Getty Images. Es wäre also zu einfach, ihr vorzuwerfen, sie würde ihre Engagements vom Parteibuch des Auftraggebers abhängig machen. Auch der Demokrat und frühere Vizepräsident Joe Biden schätzte ihre Arbeit (Pete Souza war im Übrigen lange vor seiner Zeit mit Obama der persönliche Fotograf von Präsident Ronald Reagan). Dass Donald Trump sie nun engagiert hat, dürfte also nicht nur mit ihren bisherigen Auftraggebern zu tun haben.
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Craighead selbst schreibt sich eine "unaufdringliche Art" zu. Vermutlich ist das die wichtigste Qualifikation für einen Job, bei dem man mit dem Präsidenten in einem Raum bleiben soll, wenn die meisten anderen das Zimmer verlassen müssen.
So war Pete Souza etwa mit im "Situation Room", als Obama den Befehl zum Angriff auf das Versteck von Osama bin Laden gab. Seine Aufnahme, die die Anspannung des Präsidenten in den Momenten danach festhält, ist zum ikonographischen Dokument im Kampf gegen Terrorismus geworden. Souza löse sich in seiner Umgebung auf, um solche Momente einzufangen, schrieb die Washington Post einmal.
Trump ist es gewohnt, sein öffentliches Bild selbst zu gestalten
Auch Craighead hat bei ihrer Arbeit mit Politikern gelernt, sich zurückzunehmen. Und es dürfte spannend werden, zu beobachten, wie sie ihre neue Aufgabe gestaltet. Wie viel Dokumentation, wie viel Kommentar gar sie mit ihren Bildern transportieren will - und kann.
Trump ist schließlich ein Medienprofi, der vielleicht unmittelbarste Präsident, den es je gab. Er ist es gewohnt, sein öffentliches Bild selbst zu gestalten. In einem der ersten offiziellen Porträts, die Trump freigegeben hat, macht der Präsident ein grimmiges Gesicht. Das Foto hängt künftig in vielen Regierungsgebäuden, unter anderem im "Federal Immigration Court" in Washington.
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Der Schwiegersohn des zukünftigen amerikanischen Präsidenten wird einer der Chefberater im Weißen Haus - und damit zum Interessenkonflikt auf zwei Beinen.
Shealah Craigheads Job wird es in den kommenden Jahren sein, Bilder mit Symbolik zu schaffen. Bilder, die dann über die Plattformen verbreitet werden, die das Weiße Haus seit Obama nutzt (darunter Instagram und Flickr).
Geschichte dokumentieren, während sie passiert? Ein ambitioniertes Versprechen. Denn es bleibt schließlich die Frage: Wessen Geschichte? Die Version des Präsidenten? Oder auch die der Fotografin? Auf ihrer Webseite heißt es: "Shealah Craighead fängt die Direktheit und die Auswirkungen politischer Machenschaften in unserer Hauptstadt ein."
Linktipp: Eine Übersicht über die bisherigen Fotografen des Weißen Hauses finden Sie hier.