Süddeutsche Zeitung

Web-Serie kommt ins Fernsehen:Beichte ohne Reue

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Er mimt jetzt einen Bösen, doch als Auftragskiller, der die Beichte ablegt, ist Kiefer Sutherland von seiner Paraderolle aus "24" dennoch nicht weit entfernt. Interessant an "The Confession" ist aber weniger der Plot des Films, als seine zukunftsweisende Entstehungsgeschichte.

Benjamin Zeeb

Manchmal, in besonderen Ausnahmesituationen, und das ist ein Kernthema, auf das Kiefer Sutherland in seinen Filmen immer wieder zurückkommt, ist es offenbar ganz in Ordnung, einen Menschen zu töten. Für den Serienhelden Jack Bauer, der über acht Staffeln die Welt unter Einsatz seiner beachtlichen Folterroutine, seines Gewissens und natürlich des geübten Waffengebrauchs vor dem Untergang bewahrte, wurde die Ausnahme zum Regelfall.

Ein wenig erinnert auch der Profikiller, den Sutherland in seinem neuen Film The Confession darstellt, an den widersprüchlichen Agenten aus der Serie 24. Nicht Reue, sondern eine Art perverser theologischer Neugier, hat ihn in den Beichtstuhl des Priesters (John Hurt) geführt, wo sich die beiden sehr wesensverschiedenen Figuren eine moralische Grundsatzdebatte liefern.

Besonders einfallsreich ist das nicht, aber es funktioniert. In Rückblenden, die den Killer bei der Arbeit zeigen, verwandelt sich das Kammerspiel in ein veritables Actiondrama. Vor sakral-romantischer Kulisse lässt Regisseur Brad Mirman seine Darsteller die stilvoll inszenierten Tötungsphantasien reflektieren. Am Ende steht der branchenübliche Twist.

Außergewöhnlicher als der Plot ist die Entstehungsgeschichte des Films, der nun vom digitalen Pay-TV-Kanal TNT Serie ausgestrahlt wird. The Confession ist eine Web-Serie, die für die amerikanische Videoplattform hulu.com fabriziert wurde: ein Drama in zehn Folgen, jede Folge fünf bis sieben Minuten lang. Daraus haben die Produzenten einen 70-minütigen Thriller zusammengeschnitten, den Hulu dann international verkauft hat.

Die Umkehr der Verwertung hat begonnen

Für Kiefer Sutherland, der auch Produzent ist, war der Ausflug ins Online-Entertainment - von dem er nach eigenem Bekunden nicht viel versteht - mit Risiken verbunden. In einem überschaubaren Markt, der das Bedürfnis nach dem kleinen Unterhaltungssnack im drögen Büroalltag bedienen will, hatten sich bislang vornehmlich Comedy-Formate durchgesetzt. Wird mit The Confes sion jetzt eine neue Herstellung komplexer Stoffe etabliert, die auf unterschiedlichen Plattformen spielen können?

Zuletzt gab es immer wieder Beispiele dafür, dass sich die Verwertungskette umkehrt, dass also Filme und Serien nicht mehr von TV-Sendern an Geschäftsmodelle im Netz verkauft werden, sondern dass Internetmedien ihre Inhalte an lineare Programmanbieter weiterreichen. Sowohl Hulu als auch Konkurrent Netflix haben damit begonnen, selbst zu produzieren und die Filme wie Serien dem Fernsehen in Zweitverwertung anzubieten.

Fest steht, dass The Confession die Herausforderungen, die ein duales Verwertungskonzept mit sich bringt, meistert. In der feierlichen Atmosphäre der Kirche wurde ein emotionaler Ausdruck geschaffen, der zur verkürzten Erzählstruktur einer Web-Serie passt und dem Zuschauer zu Beginn jeder Episode den Wiedereinstieg erleichtert. Gleichzeitig konnte man den Stoff mit ein wenig Aufwand und viel Geschick im Schneideraum auf Spielfilmlänge ausbreiten. Der Zuschauer wird den digitalen, kleinteiligen Ursprung der Story nicht bemerken.

Ein Bauplan, der sich kopieren ließe, existiert nicht. Wenige Produzenten können auf vergleichbare Ressourcen und Darsteller zurückgreifen. Und Sutherlands Killer taugt ja, auch mit Blick auf seine Vermarktung, nur eingeschränkt zum Vorbild.

The Confession, TNT Serie, Mittwoch, 20.15 Uhr

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Quelle:
SZ vom 23.05.2012
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