Programmdirektorin Valerie Weber:"Ich kann auch sehr unbequem sein"

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Die Programmdirektorin Valerie Weber verlässt den WDR. (Foto: Herby Sachs/WDR)

Nach einer Karriere beim Privatradio war Valerie Weber acht Jahre lang Programmdirektorin beim WDR. Nun verlässt sie den Sender vorzeitig. Warum?

Interview von Stefan Fischer

Kaum selbst im Amt, hat Tom Buhrow, der Intendant des WDR, 2013 Valerie Weber als Hörfunkdirektorin nach Köln geholt. Weber hatte bis dahin als Geschäftsführerin des Privatradios Antenne Bayern gearbeitet. Den Ruf einer nur an Unterhaltung, aber nicht an Kultur interessierten Radiomacherin ist Weber nie losgeworden - dabei hat sie sich überwiegend um die Kultur im Sender gekümmert. Nun verlässt sie den WDR vorzeitig.

SZ: Frau Weber, Ihr Abschied vom WDR kommt überraschend.

Valerie Weber: Es ist im WDR vielleicht kein gelerntes Verhalten, dass man auch gehen kann. Aber fünf bis zehn Jahre sind ein guter Zyklus für eine Managerin auf einer Position. Zu Beginn dieses Jahres waren dann 500 Planstellen abgebaut. Zudem haben wir über die Jahre unseren jährlichen Gesamtetat um 100 Millionen Euro gekürzt. Jörg Schönenborn und ich haben die Fernseh- und die Hörfunkdirektion in zwei crossmediale Programmdirektionen für jeweils alle Ausspielwege umgebaut. Als das erledigt war, hat der WDR den ARD-Vorsitz übernommen. Das ist nun nach acht Jahren alles abgeschlossen, insofern ist jetzt ein guter Moment gekommen für jemand anderen, etwas Neues anzufangen.

Wäre es nicht konsequent, die neuen Strukturen selbst zu erproben?

Das habe ich getan. In der digitalen Transformation wird es jedoch keine sogenannten Endergebnisse mehr geben, sondern Etappenziele, immer neue Zwischenschritte. Der Umbau der Programmdirektionen liegt jetzt zwei Jahre zurück, und natürlich sieht man, was gut funktioniert und wo man nachziehen muss. Ich hätte es aber nicht gut gefunden, jetzt noch einmal neue Strukturen einzufädeln, die dann jemand anders in der Umsetzung verantworten soll. Der WDR wird nächstes Jahr die jetzige Struktur seiner Programmdirektionen evaluieren. Es ist wichtig, dass das jemand von Anfang an mit verantwortet. Bei mir persönlich ist der Punkt: Wenn mir etwas zu vertraut wird, ist es Zeit zu gehen.

Haben Sie einen Plan für die Zeit nach dem WDR?

Natürlich, aber ich mache gerne eine Sache zu Ende, bevor ich woanders schon Wellen schlage, obwohl ich noch gar nicht da bin.

Wird es eine Aufgabe bei den Öffentlich-Rechtlichen sein?

Ich sage dazu nichts.

Sie haben für Unruhe im WDR gesorgt, sind geholt worden, um neue Wege einzuschlagen. Sicherlich sind Sie auf Menschen getroffen, die nicht mitgehen wollen. Sind diese Widerstände auch ein Grund für Ihren Abschied?

Was mich tatsächlich belastet hat, war, wie mir, die ich vom Privatfunk gekommen bin, das Thema "Stolz und Vorurteile" entgegengeschlagen ist. Es hat viel Zeit und Mühe gekostet, auch innerhalb des Systems klarzumachen: Ich stehe für den Mehrwert der hochwertigen Angebote und dafür, sie zu organisieren und die Wege freizumachen.

Speziell Kulturfeindlichkeit wurde Ihnen immer wieder vorgeworfen.

Mein Hauptaugenmerk war von Anfang an, mich um die kulturellen Dinge im Haus zu kümmern. Ums Hörspiel. Um die Orchester. Es ist mein größter Stolz, wie sich die Ensembles entwickelt haben. Wir haben inzwischen mehr als 26 Millionen Video-Abrufe unserer Konzertaufnahmen und Produktionen in einem Jahr, davon mehr als 17 Millionen nur über Facebook. Ich bin geholt worden, weil es eine meiner Fähigkeiten ist, mich in Strukturen einsickern zu lassen und sie dann zusammen mit den Teams und Fachredaktionen von innen zu wandeln. Und ich kann auch sehr unbequem sein, das ist wohl die Wahrheit.

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Von Stefan Fischer

Parallel zu den internen Reibungen hat sich ein großer äußerer Druck aufgebaut - in Politik und Öffentlichkeit stehen die Öffentlich-Rechtlichen teils stark unter Beschuss.

Durch den Wechsel von der Gebühr zum Haushaltsbeitrag mussten sich die Öffentlich-Rechtlichen zum ersten Mal rechtfertigen, das war man gar nicht gewohnt. Es brauchte nach innen sehr viel Überzeugungsarbeit, dass die ARD sich als Ganzes versteht und wir uns gegenseitig flankieren müssen. Die ARD ist eben nicht nur Das Erste, sondern viel mehr. Und wir müssen unseren Wert für die Gesellschaft heute viel deutlicher herausarbeiten. Auch die Frage nach der Partizipation des Publikums stellt sich viel drängender. Ich finde es sehr weitgehend, dass wir uns im WDR in der Pandemie dazu entschlossen haben, in allen Radio-Nachrichten ein Publikumsformat zu eröffnen - in denen beantwortet ein Wissenschaftler zum Schluss eine aktuelle Frage der Hörerinnen und Hörer. Interaktionen mit dem Publikum sind nicht immer Spiele und Unterhaltung, sie können auf allen Ebenen erfolgen.

Andrea Schafarczyk, bislang Chefredakteurin beim Hessischen Rundfunk, soll, wenn der Rundfunkrat zustimmt, Ihre Aufgabe übernehmen. Was muss sie dringend anpacken?

Die nächste Generation an Führungskräften sollte auf Basis dieser in Kosten und Personal reduzierten, dafür etwas agileren Landesrundfunkanstalt neue Produkte entwickeln. Drei große Fragen stellen sich meines Erachtens: Wie organisiert man die duale Führung eines Medienunternehmens, das die derzeit publizistisch sehr erfolgreichen linearen Angebote in hoher Qualität weiter produzieren möchte und gleichzeitig in einem ganz anderen Organisationsmodell völlig neue Ansätze und Ideen für den digitalen Markt entwickeln muss? Der zweite Punkt ist die Entscheidung darüber: Darf, ja muss man eine Mission haben? Darf man sich positionieren? Diese Frage will das Publikum immer stärker beantwortet haben: Wo stehst du und was tust du, um die Welt zu ändern - und mit wem bist du vernetzt, um es zu schaffen? Die dritte Frage ist: Was sind die richtigen Marken für die Zukunft? Ich bin davon überzeugt, dass die klassischen linearen Radiomarken - wie WDR 2, WDR 3, 4 und 5 - die digitale Transformation als einzelne Marken nicht überstehen werden. Das Publikum sucht neue digitale Angebote nicht bei durchnummerierten Radio-Marken im Netz. Wir brauchen völlig neue inhaltliche Angebote als Submarken.

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