Süddeutsche Zeitung

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Mächtig Feedback für Buhrow

Die WDR-Belegschaft kommt zur Betriebsversammlung zusammen - zum ersten Mal nach der Rede des Intendanten in Hamburg. Und die hat auch daheim am Rhein Emotionen ausgelöst.

Von Christian Wernicke

Mit Umarmungen hatte Tom Buhrow eh nicht gerechnet: Die Betriebsversammlung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) am Freitag war als rein digitale Begegnung geplant worden - moderiert vom Hausmanagement per Teams. Da kann sich niemand nah (oder zu nah) kommen. Es war die erste Verabredung des WDR-Chefs mit seiner Mannschaft seit seinem Vortrag vorm Hamburger Übersee-Club. Dort hatte Buhrow eine tabufreie "Grundsatzdebatte" über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland gefordert. Und sich als "Reformer" geoutet.

Begeisterung schlug dem selbsternannten Chef-"Reformer" dafür nicht entgegen. Buhrows Impulsreferat an der Alster hat ganz andere Emotionen am Rhein ausgelöst. Existenzängste zum Beispiel - wie bei manchen Musikern des WDR-Sinfonieorchesters, die sich seither fragen, ob der Intendant sie noch will. Oder bei jungen Mitarbeitern von "Radiowellen", deren Zahl (ARD-weit 64) Buhrow für übertrieben hält. Die WDR-Personalratsvorsitzende watschte Buhrow nach SZ-Informationen gleich zu Beginn ab für diesen "Schlag ins Gesicht" der Kolleginnen und Kollegen.

Immerhin, feige war Buhrow nicht am Freitag. Gleich zu Beginn wiederholte der WDR-Oberste seine Grundthese, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei, "so wie er jetzt ist, auf Dauer nicht überlebensfähig". Das hatte ihm den Vorwurf des "Verrats" eingebracht, der Mann spiele auf seine Art falsch - weil "immer nur defensiv".

Das alles hat Zorn gesät im Haus. Etliche Redakteure werfen ihrem Intendanten vor, schlicht vor einer langjährigen Anti-ARD-Kampagne der Springer-Presse und der AfD zu kapitulieren. Georg Restle, der Monitor-Chef, soll am Freitag ins Wortduell mit Buhrow gegangen sein, den er als eine Art Büchsenöffner wahrzunehmen scheint: Vorsicht, Hände weg vom Werkzeugkasten der Rechtspopulisten!

Die Sorge, Buhrow habe da ohne Not und Verstand Brandmauern eingerissen, teilten am Freitag jedoch bei Weitem nicht alle Mitarbeiter. In der Teams-Debatte - und vor allem im parallelen Chat - äußerten viele Redakteurinnen die Ansicht, man müsse sich Veränderungen stellen. Und mitreden, statt zu maulen. "Eine Grundsatzdebatte ist (über)fällig!", tippte ein Kollege in den internen WDR-Kanal. Was nur leider fehle, das sei "ein starkes ARD-Selbstbewusstsein", ohne das man wohl kaum die Gestaltung eines neuen Rundfunksystems schaffen werde.

"Anmaßend" bis "peinlich"

Zu dieser Erosion, so sagen selbst Wohlmeinende im Sender, habe Buhrow selbst beigetragen. Die Art und Weise seines Vorstoßes hat viele Rundfunkleute im Schatten des Kölner Doms empört: Sein Auftritt als "Privatmann," der "ohne Tabus und ohne die üblichen Rücksichtnahmen" frei von der Leber rede - das kommentierten viele auf den Korridoren des Funkhauses als "anmaßend" bis "peinlich". Offenbar traue er seinem Laden nicht viel Strahlkraft zu - warum sonst rede er im fernen Hamburg und publiziere den Wortlaut lieber in der FAZ statt bei bei WDR.de? Der Chef habe sich als jemand stilisiert, der vieles infragestellt. "Aber die Antwort, was denn den Kern eines vielleicht kleineren, aber unverzichtbaren Rundfunks ausmacht - die hat er gescheut", sagte ein Teilnehmer.

Manche hatten am Freitag auf eine persönliche Geste von Buhrow gehofft. Im WDR-Chat erntete die anonyme Forderung mehr als fünfzig "Likes", die Geschäftsleitung solle als "notwendiges Signal" nach innen wie nach außen gleich für mehrere Jahre auf Tariferhöhungen verzichten. Gemeint war damit auch Buhrows Grundgehalt von immerhin 413 000 Euro brutto im Jahr. Ein solches Salär passt ja schon jetzt nur schwerlich zu einem "Reformer", der in Hamburg davor warnte, Deutschland werde seinen gebührenfinanzierten Rundfunk nicht mehr lange wie bisher alimentieren wollen.

Nein, kein "Ich habe verstanden" sei Buhrow da am Freitag über die Lippen gekommen, berichten WDR-Mitarbeitende. Weder als Privatmann zurück von der Alster noch als Intendant am Rhein.

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