Süddeutsche Zeitung

Sexuelle Belästigung beim WDR:Eine 22-seitige Klatsche für Tom Buhrow

  • In Köln stellte die ehemalige ÖTV-Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies ihren Bericht "#MeToo - Die Verantwortung des WDR als Arbeitgeber" vor.
  • Er beleuchtet, wie der Sender in der Vergangenheit mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung umgegangen ist.
  • Bei ihren Untersuchungen und Gesprächen im WDR habe sie ein starkes Machtgefälle festgestellt, sagte Wulf-Mathies.
  • WDR-Intendant Tom Buhrow kündigte Konsequenzen an.

Von Hans Hoff

Der WDR braucht dringend einen Kulturwandel, eine Verbesserung des Betriebsklimas und mehr gegenseitige Wertschätzung. Das diagnostiziert die ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies in ihrem Bericht "#MeToo - Die Verantwortung des WDR als Arbeitgeber". Der beleuchtet, wie der Sender in der Vergangenheit mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung umgegangen ist. Sie habe bei ihren Untersuchungen und Gesprächen im WDR ein starkes Machtgefälle festgestellt, nicht nur zwischen Führungsebenen und Beschäftigten, sondern auch zwischen Beschäftigten und freien Mitarbeitern. Bei Führungskräften werde in Köln zwar auf ihre journalistischen Fähigkeiten geachtet, nicht aber auf soziale Kompetenz und Management-Qualitäten, sagte sie am Mittwoch in Bonn.

Bis 2015 habe es kein geregeltes Verfahren zum Umgang mit Beschwerden wegen sexueller Belästigung gegeben, auch danach sei die Aufklärung eher lückenhaft geblieben. Inzwischen habe sich angesichts der erhobenen Vorwürfe zwar einiges geändert, "gleichwohl hätte die Aufklärung der Beschwerden im WDR in der Vergangenheit mit höherem Ermittlungseifer betrieben werden können", heißt es im Bericht. "Es ist nicht erkennbar, dass Vorgesetzte über den Schutz von Frauen nachgedacht hätten", sagte sie zudem und forderte, der Intendant Tom Buhrow müsse die Verbesserung des Betriebsklimas zur Chefsache machen. "Es braucht ein deutliches Signal, dass die Führungsspitze verstanden hat."

"Das wird zu Konsequenzen führen", sagt Intendant Buhrow

Buhrow nahm die 22-seitige Klatsche, die er selbst Ende April in Auftrag gegeben hatte, sichtlich berührt entgegen. "Ich wusste, dass Sie kritisch sein würden. Sie sind dieser Erwartung gerecht geworden", sagte er und gab sich erst einmal als Büßer. "Ich möchte im Namen des WDR um Entschuldigung bitten, bei all jenen, denen so etwas widerfahren ist", sagte er. Er werde die Empfehlungen sehr ernst nehmen, versprach er, müsse aber die Folgen erst mit dem Personalrat beraten. "Dieser Maßnahmenkatalog wird nicht in der Schublade verschwinden", kündigte er an. "Das wird zu Konsequenzen führen."

Auf die Frage, an wen sich der Vorwurf mangelnden Ermittlungseifers richte, blieb Wulf-Mathies, die sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zu einzelnen Fällen im WDR äußern wollte, vage. "Der Vorwurf geht an alle, die in der Zeit Verantwortung getragen haben", sagte sie, wollte aber auf Nachfrage den Zeitpunkt nicht exakt eingrenzen. Damit vermied sie, insbesondere Tina Hassel und Jörg Schönenborn in den Fokus zu stellen. Die waren 2010 als Chefin der Auslandsredaktion beziehungsweise als Chefredakteur des Bereichs Fernsehen mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung befasst, beendeten ihre Ermittlungen aber ohne Ergebnis. "Man war 2010 noch nicht so weit wie wir heute sind", sagte die Ermittlerin.

Ein Redakteur, der 2010 ganz offensichtlich doch schon so weit war und auf eigene Faust ermittelte, handelte sich damals eine Abmahnung ein und das Verbot, weiter zu behaupten, es gebe sexuelle Belästigung im WDR. Zwar ist die Abmahnung inzwischen aus der Personalakte verschwunden und Buhrow hat sie öffentlich auch als Fehler dargestellt, die Rolle von Hassel und Schönenborn bleibt aber für etliche im Sender weiter ungeklärt.

Nicht so für Buhrow. "Beide haben sich nach dem damaligen Kenntnisstand mit den Fällen gewissenhaft auseinandergesetzt", sagte er und sprang damit insbesondere Schönenborn zur Seite, dessen Vertrag als Fernsehdirektor er im Frühjahr mit Blick auf den Wulf-Mathies-Bericht noch nicht verlängert hatte. "Mein Vertrauen ist völlig intakt", sagte er nun, weshalb davon auszugehen ist, dass Schönenborn weiter im Amt bleiben wird.

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SZ vom 13.09.2018/doer
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