Süddeutsche Zeitung

WDR-Radio:Bastian Pastewka inszeniert Sherlock Holmes

Das düstere Krimi-Hörspiel erzählt, was Menschen sich herausnehmen. Auch der britische Meisterdetektiv macht sich schuldig.

Hörspielkritik von Stefan Fischer

Sherlock Holmes hat nicht nur seinen eigenen Tod überlebt, sondern auch den seines Schöpfers. Längst hat sich die Figur des unfehlbaren Detektivs emanzipiert von Arthur Conan Doyle, sie wurde vielfach literarisch adoptiert.

Besonders erfolgreich sind damit seit 2010 die Drehbuchautoren Steven Moffat und Mark Gatiss der britischen TV-Serie Sherlock. Etwa zur selben Zeit hat der Brite Anthony Horowitz den Roman Sherlock Holmes und das Geheimnis des weißen Bandes vorgelegt. Die Arthur-Doyle-Gesellschaft hat ihn als einen offiziellen Fall von Holmes anerkannt; inzwischen hat Horowitz zwei weitere Ermittlungen folgen lassen.

In den britischen Filmen wird Sherlock Holmes zu einem James Bond des 19. Jahrhunderts stilisiert (was die Sehgewohnheiten im 21. Jahrhundert befriedigt). Bei Horowitz bleiben die Möglichkeiten des Detektivs die alten - nur ist der Fall einer, der an aktuelle Ängste rührt. Welche das sind, soll nicht verraten werden. Das Geheimnis des weißen Bandes bleibt bis zur letzten Folge von Bastian Pastewkas dreiteiliger Hörspiel-Inszenierung eines.

Schlimmstes muss man für Großbritannien fürchten, und dann ist alles noch viel abscheulicher. Holmes selbst ist da längst schuldig geworden; und das ist besonders reizvoll: Schließlich ist seine Unfehlbarkeit nicht nur für seinen Biografen Watson oft kaum zu ertragen. Diesmal aber stirbt ein Kind, und dafür trägt Holmes die Verantwortung. Ein düsterer Fall.

Bastian Pastewka liebt alte Krimi-Hörspiele. Er hat bereits Der Hund der Baskervilles sowie einen Paul-Temple-Fall fürs Radio inszeniert. In Sherlock Holmes und das Geheimnis des weißen Bandes - mit Frank Röth und Gerhard Garbers sowie Christoph Maria Herbst, Walter Sittler und Irm Hermann gut besetzt - verzichtet er jedoch auf Retro-Atmosphäre. Nostalgisch ist das Hörspiel ja schon durch die Kulisse der spätviktorianischen Jahre.

Pastewka erzählt nüchtern und spannend, was Menschen sich herausnehmen, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Das gilt übrigens auch für Holmes.

Sherlock Holmes und das Geheimnis des weißen Bandes, WDR 3, Mittwoch bis Freitag, jeweils 19.04 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2016
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