Süddeutsche Zeitung

Vorwürfe sexueller Belästigung:WDR und Gebhard Henke einigen sich mit Vergleich

  • Im Spiegel hatten im Mai sechs Frauen angegeben, der damalige WDR-Fernsehspielchef Gebhard Henke habe sie "betatscht und begrapscht".
  • Henke bestreitet die Vorwürfe und ging vor Gericht gegen seine fristlose Kündigung vor.
  • In einem außergerichtlichen Vergleich haben sich die Parteien nun geeinigt.

Von Hans Hoff

Der WDR und sein Mitte Juni wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung fristlos gekündigter Fernsehspiel-Chef Gebhard Henke haben einen Vergleich geschlossen. Von einer gütlichen Beilegung des Arbeitsrechtsstreits ist in einer Mitteilung die Rede: "Nachdem das Vertrauensverhältnis zwischen dem WDR und Prof. Henke nicht mehr herzustellen ist, haben die Parteien entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden." Zum Inhalt des Vergleichs will keine Seite nähere Auskünfte geben.

Eigentlich wollte man sich am Montag vor dem Kölner Arbeitsgericht treffen, wo es um die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung gehen sollte. Der 1984 zum WDR gekommene Henke hatte alle Vorwürfe bestritten und sieht sich als Opfer einer Kampagne. Anfang Mai hatten im Spiegel sechs Frauen, darunter Schriftstellerin Charlotte Roche und Schauspielerin Nina Petri, angegeben, Henke sei immer wieder aus seiner professionellen Rolle gefallen. Er habe "betatscht und begrapscht". Der Bericht enthält auch einen Satz, der nun erneut von Wichtigkeit sein dürfte: "Bewiesen ist nichts, das Bild aber stimmig." Der Satz gilt offenbar auch für die internen Ermittlungen, auf die sich der WDR stützt. Der Sender sah sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass zwar viele Frauen von Erlebnissen mit Henke berichteten, dass aber nur wenige bereit sind, ihre Schilderungen vor Gericht zu wiederholen. Intendant Tom Buhrow bat beinahe flehentlich darum, es mögen sich Frauen melden, die bereit seien, mit ihrem Namen für die Vorwürfe einzustehen. Offenbar ohne Erfolg. Der WDR hielt die Vorwürfe dennoch für so schwerwiegend und glaubhaft, dass sie die Kündigung Henkes rechtfertigten.

Aus dem nun geschlossenen Vergleich könnte man aber folgern, dass der stets als entschlossener Aufklärer aufgetretene WDR seinen Belegen für die Kündigung offenbar so wenig vertraut, dass er sie einer gerichtlichen Überprüfung nicht aussetzen möchte. Das wundert nicht wenige, die das rigorose Vorgehen in Sachen Henke durchaus kritisch betrachten.

Ob der Vergleich nun das letzte Kapitel der WDR/Henke-Story ist, muss sich zeigen

Schon im Mai hatte der langjährige Intendant Fritz Pleitgen auf einer zu seinem 80. Geburtstag vom WDR ausgerichteten Feier indirekt den Fall angesprochen. Dort betonte er, dass respektloses Verhalten keinesfalls geduldet werden dürfe. "Schon gar nicht in einem Unternehmen von der Verantwortung und Klasse des WDR." Er machte deutlich, dass er die schwierige Lage der WDR-Führung anerkannte. Dann aber gab er seine Bedenken zu Protokoll. "Bei allem Aufklärungsgebot muss darauf geachtet werden, ohne eindeutige Beweise keine Biografien und kein Familienleben zu zerstören", sagte er und lobte dann ausführlich die Leistungen Henkes für den WDR.

"Das hat keiner missverstanden", antwortete Pleitgen auf Anfrage der SZ vor dem Vergleich. Er äußerte sein Entsetzen über die fristlose Kündigung Henkes. Als Vorgesetzter und Kollege habe er über Jahrzehnte nie den leisesten Hinweis auf ungebührliches Benehmen von Henke erhalten. Pleitgen war bekannt dafür, dass er von jedem Mitarbeiter mit Kümmernissen angesprochen werden konnte, arbeitete demonstrativ bei offener Tür. Nun baute er auf die Klärung vor Gericht, wenn die gegensätzlichen Aussagen unter Eid auf den Prüfstand gekommen wären. Auch er hätte sich vom Gericht befragen lassen. Ob der Vergleich nun das letzte Kapitel der Geschichte ist, muss sich zeigen. Henke, Jahrgang 1955, macht nicht den Eindruck, als wolle er sich in den vom WDR forcierten Ruhestand fügen. Es ist davon auszugehen, dass man noch von ihm hören wird.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2018/khil
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