Süddeutsche Zeitung

WDR-Doku "Liebe inklusive":"Das ist die Geborgenheit"

Jan Bernhardt, 23, Gärtner, Trisomie 21, sucht in einer Doku die Liebe. Ein Gespräch über gefloppte Dates und Flirts vor Kameras.

Interview von Elisa Britzelmeier

Das mit der Liebe ist ja sowieso schon schwierig genug. Da gilt es, erste Dates ohne Peinlichkeiten zu überstehen und Kurznachrichten richtig zu deuten. Überhaupt: Jemanden zu finden, der wirklich zu einem passt. Für viele Menschen mit Behinderung ist das noch mal schwieriger. Wie baut man als Autist eine Beziehung auf? Wo lernt man Leute kennen, wenn man im Rollstuhl sitzt? Und wieso eigentlich glauben andere, man könnte keinen Partner finden, nur weil man 90 Zentimeter groß ist? Die dreiteilige WDR-Reihe Liebe inklusive von Nicole Rosenbach begleitet Menschen mit Behinderung bei ihren Dates. Einer von ihnen ist Jan Bernhardt, 23 Jahre alt. Er arbeitet in einer Gärtnerei und hat Trisomie 21. Beim Telefongespräch ist seine Mutter Pia Bernhardt per Lautsprecher mit dabei.

SZ: Herr Bernhardt, was bedeutet Liebe für Sie?

Jan Bernhardt: Oh, viel. Fakt eins: Das ist die Geborgenheit. Ja. Und man muss für seine Freundin auch mal da sein, also hinter der stehen.

In der Doku sieht man Sie bei einem ersten Date. Das wurde Ihnen mit Tamara Röske vermittelt, die auch 23 ist, unter anderem als Model arbeitet und ebenfalls das Down-Syndrom hat. Wie lief's?

Jan Bernhardt: Es war sehr spannend. Am Anfang hab' ich gedacht: Oh, das geht in die Hose. Aber es wurde immer besser.

Wieso hätte es schief gehen sollen?

Jan Bernhardt: Weil es bei mir schon bei ziemlich vielen Frauen schief gegangen ist. Die hatte ich zum Beispiel bei der Arbeit in der Gärtnerei kennengelernt.

War es nicht komisch, dann die ganze Zeit ein Kamerateam dabei zu haben - auch beim ersten Date?

Jan Bernhardt:  Nö.

Nach dem Treffen mit Tamara Röske haben Sie bestimmt anderen davon erzählt.

Jan Bernhardt: Meinen Eltern, meinen Schwestern und auch den Großeltern. Dass alles sehr gut gelaufen ist. Dass die Tamara sehr attraktiv ist.

Gab es inzwischen schon ein zweites Date ohne Filmteam?

Jan Bernhardt: Nein. Ich hab ihre Handynummer. Ich hab sie mal ab und zu angerufen und wir schreiben auch noch.

Pia Bernhardt: Wir sind im Moment dabei, das zu planen. Es ist nicht ganz so einfach, weil Tamara 300 Kilometer entfernt wohnt. Ich glaube, die beiden würden sich gerne wiedersehen. Man hat gespürt, dass es passt, die waren richtig auf einer Ebene.

In dem Film wird immer wieder deutlich, dass Eltern bei Kindern mit Behinderung stärker beteiligt sind, wenn es um das Thema Dating geht. Dass es beispielsweise auch spezielle Vermittlungsagenturen gibt, bei denen der Erstkontakt oft über die Eltern läuft. Wie ist das für Sie als Mutter?

Pia Bernhardt: Es läuft natürlich anders ab als bei unseren Töchtern, die irgendwann nach Hause kommen und den neuen Freund vorstellen. Bei Jan kriegt man viel mehr mit. Dadurch, dass man das mehr unterstützen muss, wird der Abstand geringer. Man ist einfach dichter dran.

Wird es Ihnen manchmal zu intim?

Jan Bernhardt: Naja. Sie ist ja nicht überall dabei.

Frau Bernhardt, wie unterscheidet sich ihr Sohn in der Partnersuche sonst von seinen nichtbehinderten Schwestern?

Pia Bernhardt: Die Mädchen haben ganz andere Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen. Wir wohnen im relativ ländlichen Raum. Hier gibt es einmal im Monat eine Handicap-Disco, aber für eine spezialisierte Partnervermittlung müssten wir weit fahren. Und der Jan ist nicht so mobil. Die anderen setzen sich ins Auto und fahren hin, wo sie wollen. Jan kann zwar auch in den Bus steigen, aber es muss mehr organisiert werden. Bei den Mädchen spreche ich so was logischerweise nicht ab. Die machen ihr Ding. Und die machen ihre Erfahrungen auch viel früher. Wenn man mit vierzehn anfängt, ist man mit 23 an einem ganz anderen Punkt als Jan, bei dem sich das Interesse jetzt entwickelt. Die haben ja quasi zehn Jahre Vorsprung.

Herr Bernhardt, Sie treten im Film cool auf und zeigen sofort Ihre Muskeln. Gibt es dafür Vorbilder?

Jan Bernhardt: Den Sascha, einen Betreuer.

Von ihm haben Sie vor dem Date viele Tipps bekommen: zuhören, Mühe geben, charmant auf ein Kompliment reagieren. An welche Tipps haben Sie sich im entscheidenden Moment erinnert?

Jan Bernhardt: Ein paar konnte ich anbringen. Aber auch nicht allzu viele.

Hat sich etwas verändert durch den Film? In der Mediathek ist er ja schon seit drei Wochen abrufbar.

Jan Bernhardt: Nur, dass mich viele Personen darauf ansprechen. Sonst geht es mir eigentlich sehr gut damit.

Und was sagen die Leute so?

Jan Bernhardt: Die sagen immer sowas wie "Oh Jan, die ist ja wunderschön". Oder: "Sehr schöner Zug mit den Rosen."

Weil Sie Blumen zum ersten Date mitgebracht haben. Wie könnte ein zweites Treffen mit Tamara Röske ablaufen?

Jan Bernhardt: Ich würd' sie vielleicht zum Essen einladen. Dann koche ich. Oder mal ab ins Kino.

Menschen hautnah: Liebe inklusive. WDR, 22.40 Uhr; Teil zwei 16.1., 22.40 Uhr; Teil drei 23.1., 22.40 Uhr; und in der ARD-Mediathek.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4748704
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.