Süddeutsche Zeitung

WDR:Bumsi und der Pappkaiser

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Arnd Zeigler nähert sich in seiner "Wunderbaren Welt des Fußballs" seit zehn Jahren lieber den unperfekten Momenten der Sportart an. Und zwar von seinem Wohnzimmer aus.

Von Ralf Wiegand

Franz Beckenbauer hat Premiere, erst am Tag zuvor ist er in Bremen angekommen. Per Post, in drei Teilen. Jetzt steht er daheim bei Arnd Zeigler, sorgfältig zusammengesteckt, hat einen Werder-Bremen-Schal um den Hals, und Zeigler überlegt, wo er die Pudelmütze von Lok Stendal hat. "Die würde Beckenbauer gut stehen", sagt er und geht mal nach nebenan, die Mütze suchen. Sind ja noch gut 20 Minuten Zeit bis zur Liveübertragung.

So ein Pappkaiser in Lebensgröße schmückt das Arbeitszimmer von Arnd Zeigler ungemein, aus dem Sonntag für Sonntag Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs gesendet wird. Dabei handelt es sich um eine der ungewöhnlichsten Liveproduktionen im deutschen Fernsehen. Die Eckdaten: Drei Menschen in einem Bremer Privathaus, Hochparterre, Altbau, machen für den WDR eine einst als Call-in-Format geplante Sendung ohne Anrufer, und das seit zehn Jahren. Die 327. Ausgabe an diesem Sonntag (WDR, 22.15 Uhr) ist ein Jubiläums-Special.

Bei der 326. Folge ließ sich Zeigler über die Schulter schauen, das heißt, daheim besuchen, denn die Sendung kommt wirklich aus einer ganz normalen Bremer Wohnung. Das liegt daran, dass Zeigler vor zehn Jahren, als er das Angebot vom WDR bekam, seine damals bereits im Radio populäre Idee fürs Fernsehen umzusetzen, aus privaten Gründen nicht jeden Sonntag nach Köln fahren wollte. "Dann kommen wir halt zu dir", sagte WDR-Sportchef Steffen Simon. In den ersten fünf Jahren stand die Technik tatsächlich in Zeiglers Wohnzimmer, wochentags verschwand sie unter einem Tuch. "Da hat aber immer was gebrummt", sagt Zeigler. Seit einem Umzug hat der Arbeitsbereich eine eigene Etage, der Moderator wohnt die Treppe hoch.

Die Bilder sind schwarz-weiß, aber das Thema ist hochaktuell

Zeigler nähert sich dem Fußball in einer speziellen Haltung aus abgebrühter Distanz und leidenschaftlicher Nähe. Er ist sowohl Stadionsprecher bei Werder Bremen als auch kritischer Kolumnist, aber wenn alle über Kommerzialisierung klagen und die Millionensummen geißeln, fragt Zeigler nur: "War's früher anders?"

Die Antwort findet er oft im reichhaltigen Kölner Sportschau-Archiv, etwa in Form eines Berichts über die geplante Verpflichtung des Brasilianers Francisco Marinho durch Schalke 04. Die Bilder sind schwarz-weiß, das Thema aber ist hochaktuell. Der blonde Star sollte 1975 unfassbare 1,4 Millionen Mark kosten, weshalb die Fans über den Kauf abstimmen sollten. Leider verschwanden die Wahlurnen, Marinho kam nicht. Der Film ist eine feine Antwort auf die Hysterie über die 100-Millionen-Transfers unserer Zeit.

Solche Geschichten hat Arnd Zeigler im Kopf, wenn er die Woche über die Themen für seine Sendung sammelt. "Ich habe mehr in meinem Kopf, als ich möchte", sagt er. Was er nicht im Kopf hat, steht in einem der pickepackevollen Regale in seiner Studiowohnung, etwa Bumsi, das frühere Maskottchen von Borussia Mönchengladbach. Bumsi schafft es manchmal auf Zeiglers Schreibtisch.

Zeigler, 52, spürt dem Unvollkommenen nach, kürt lieber das Kacktor des Monats als das nächste Traumtor, liebt Namenswitze, sammelt Versprecher und verehrt den Stürmer, der über den Ball tritt. Er sucht die Emotion. Der Sendung folgen inzwischen mehr als 200 000 Menschen auf Facebook, eine Währung, die in der ARD so viel zählt, dass sich Zeigler in seiner Sonntagnacht-Nische sicher fühlen kann.

Gemütlich ist es dort eh. "Irgendwas ist dunkel, was sonst hell ist", sagt Zeigler, was der Ton-, Bild- und sonstige Techniker Frank Jacobsen sofort durch Austausch einer Lampe korrigiert. "Irgendwas ist immer", sagt Redakteur Alexander Reker, der am Nachmittag mit dem Dienstauto aus Köln gekommen ist. Das oft überregulierte Fernsehen kann es auch einfach.

Technisch sind die drei in ihrer Bremer Wohnung gut ausgestattet, die lauteren Geräte brummen inzwischen im Keller, wo ein eigenes Glasfaserkabel ankommt. Zwei ferngesteuerte Kameras nehmen Zeigler ins Visier, der sagt: "Das Format soll nicht aussehen wie offener Kanal." Aber eben auch nicht so glatt wie die Bilder aus dem Fifa-Channel. Mehr Bumsi, weniger Blatter - aber mit dem Kaiser als Werder-Fan.

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SZ vom 07.09.2017
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