Streit um WDR und BR:Der Hass und die Hürden

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(Foto: Imago/Sebastian Gabriel)
  • Strafverfolger bemühen sich, Hetze im Netz - auch gegen Journalisten - härter zu ahnden.
  • Aber wann ist eine Drohung konkret genug für die Justiz? Und wann liegt die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse?
  • Juristisch ist es immer noch kompliziert, gegen Hass im Netz vorzugehen.

Von Wolfgang Janisch

Selten ist die irrwitzige Dynamik, die soziale Medien auch ohne nachvollziehbaren Anlass entfalten können, so zutage getreten wie in den vergangenen Tagen. Der Journalist Richard Gutjahr hat in einem offenen Brief an den Intendanten des Bayerischen Rundfunks noch einmal auf das kaum fassbare Maß an Hetze hingewiesen, dem er ausgesetzt ist, seit der Zufall ihn im Juli 2016 zu den beiden aufeinanderfolgenden Anschlägen in Nizza und in München geführt hat - für manche im Netz war das offenbar Anlass genug, um Verschwörungstheorien zu konstruieren. Ähnlich bizarr sind die Reaktionen auf den sicherlich missglückten, aber letztlich harmlosen "Umweltsau-Song" eines Kinderchors im WDR. Auch er zog Morddrohungen gegen Mitarbeiter des Senders nach sich. Intern wird um den Umgang mit dem Vorfall gestritten. WDR-Intendant Tom Buhrow steht in der Kritik, sich nicht entschieden genug gegen die Hetze positioniert zu haben, an diesem Dienstag ist daher eine außerordentliche Redaktionsversammlung angesetzt.

"Ich weiß, wo du wohnst": Für Empfänger klingt das bedrohlich, für Staatsanwälte zu unkonkret

Beide Ereignisse zeigen, dass sich der Hass im Netz längst zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem ausgewachsen hat. Anfangs setzte der Staat nur auf Löschpflichten der Internetplattformen, doch inzwischen wollen mehrere Bundesländer die Staatsanwaltschaften wieder in die Vorhand bringen und die Hetzer spüren lassen, dass ihr verbales Gift auch strafrechtlich relevant ist. Vorreiter war Nordrhein-Westfalen, wo spezialisierte Staatsanwälte mit Medienunternehmen kooperieren, die Hassposts zur Anzeige bringen. Auch in Bayern werden seit Kurzem Anzeigen von mehr als 40 Medienpartnern in die sogenannte Bayerncloud gestellt. In Hessen kooperieren die Strafverfolger mit Bürgerrechtsorganisationen wie Hate Aid oder Jan Böhmermanns Reconquista Internet - ein deutlich weiter gefasster Ansatz, der den Fachleuten von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität bereits in den ersten drei Monaten mehr als 5000 Anzeigen beschert hat.

Die Staatsanwaltschaften haben sich also neu aufgestellt. Geblieben sind freilich die rechtlichen Schwierigkeiten, namentlich im Umgang mit Bedrohungen. Wer im Strafgesetzbuch nachschlägt, findet zwar den Paragrafen 241. Danach wird mit bis zu einem Jahr Haft bestraft, wer jemanden mit einem Verbrechen bedroht. Das ist allerdings eine ziemlich hohe Hürde, denn als "Verbrechen" gelten nur schwerwiegende Delikte. Also Mord und Totschlag, Brandstiftung oder Menschenraub.

Körperverletzung dagegen gilt - von extremer Gewalt mit gravierenden Folgen abgesehen - nur als Vergehen, gleiches gilt für Sachbeschädigung oder Nötigung. Jemand kann also mit Prügeln drohen, ohne dafür vom Strafrichter belangt zu werden; allenfalls könnte die Polizei mal bei dem vorbeischauen, von dem die vermeintliche Drohung ausgeht, "Gefährderansprache" heißt das dann im Fachjargon.

Kurz vor Weihnachten hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) aber einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auch die Androhung von Straftaten gegen die "körperliche Unversehrtheit" oder gegen eine "Sache von bedeutendem Wert" unter Strafe stellt. Doch auch die Reform des Paragrafen wird ein Problem nicht beheben: Wann ist eine Drohung konkret genug für die Justiz? Ein Post nach dem Motto "Ich bring dich um, ich schlag dich tot" ist für die Ahndung eindeutig. Anders die durchaus bedrohlich klingende, aber diffuse und juristisch kaum fassbare Andeutung "Ich weiß, wo du wohnst": Dass damit ein Mord oder auch nur Prügel angedroht werden, kann man nicht einfach unterstellen. Und was gilt, wenn der Absender ein Foto vom Klingelschild des Betroffenen mitschickt? Das ist eine hochgradige Verunsicherung, aber ist es auch eine strafbare Drohung? Das kommt auf den Kontext an, sagen Juristen. Sollte der Absender seinem Schreiben aber eine Patronenhülse beilegen, wäre das schon eher ein Fall für den Strafrichter.

Wie kompliziert es ist, die Worte der Pöbler zu deuten, illustriert ein Beschluss des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2007. Im Streit mit der Kreisverwaltung, die seinen Unterstand für Geflügel und Schafe abreißen lassen wollte, informierte ein Freizeitbauer die Behörde, dass er nun einen "Herdenschutz" angeschafft habe. Sollte jemand sein Grundstück betreten, "wird das Tier Sie stellen. Ob der Abtransport dann noch im Krankenwagen oder in einer schwarzen Limousine erfolgt, bleibt abzuwarten." Schwer, das nicht als Drohung zu verstehen, aber das OLG hielt dennoch eine andere Interpretation für möglich: Eine "drastische Formulierung", aber vielleicht habe der Mann nur auf die Gefährlichkeit des Hundes aufmerksam machen und so ein unbefugtes Betreten des Grundstücks von vornherein verhindern wollen.

Ulrich Wilhelm bei Richtfest für Aktualitätenzentrum und Wellenhaus vom Bayerischen Rundfunk (BR) in München, 2019

Auch BR-Intendant Ulrich Wilhelm steht in der Kritik, sich nicht entschieden genug gegen Hetze zu positionieren.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Auch der Umgang mit Beleidigungen ist rechtlich nicht einfach. Erstens verfolgt das Bundesverfassungsgericht eine sehr liberale Linie, die der Meinungsfreiheit einen weiten Raum gewährt. Und zweitens gehören Schimpftiraden, wie man sie vom Streit um die Parklücke kennt, zu den Bagatellverfahren, die gern eingestellt werden. Oder man verweist die Betroffenen auf die - unattraktive - Privatklage.

Doch auch hier werden, wenn es ums Internet geht, neue Töne angeschlagen. In Bayern komme bei Bedrohung, schwerer Beleidigung und Volksverhetzung in aller Regel weder ein Verweis auf die Privatklage noch eine Einstellung in Betracht, teilt das Justizministerium mit. Ein bayerischer Staatsanwalt ergänzt: Bei offenkundig organisierten Hetzkampagnen liege die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse. Gleiches gelte, wenn es um Personen des öffentlichen Lebens gehe, sagt Christoph Hebbecker, Sprecher der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime in Köln. Zu den aktuellen Fällen bei WDR und BR wollte er sich nicht äußern. Aber generell gelte: "Wird ein Journalist im Zuge seiner Tätigkeit beleidigt, ist es schwer vorstellbar, dass kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung vorliegt."

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Katja Meier, Buendnis 90/Die Gruenen Brandenburg. Berlin, 02.09.2019. Berlin Deutschland *** Katja Meier, Alliance 90 T

MeinungHassrede
:Mensch Meier

Erst das Omalied, dann Sachsens Justizministerin: Sobald sich ein Lied skandalisieren lässt, sind die Rechten zur Stelle. Und es geht ihnen nicht um Rücksichtnahme.

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