Süddeutsche Zeitung

WAZ-Gruppe:Ein unglaubliches Angebot

In Deutschlands drittgrößtem Verlagshaus soll es einen Gesellschafterwechsel geben: Familie Grotkamp will Familie Brost für sehr viel Geld aus dem WAZ-Konzern herauskaufen.

Christopher Keil

Am späten Montagnachmittag schickte Petra Grotkamp ihren Rechtsanwalt ins Rennen. Was der Jurist Andreas Urban auf einer DIN-A4-Seite mitteilte, wird die Eigentumsverhältnisse im Essener WAZ-Konzern offenbar neu ordnen. Petra Grotkamp, schreibt Urban in schnörkellosem Deutsch, "hat den Mitgliedern der Familie Brost das Angebot gemacht, den 50-prozentigen Anteil der Familien Brost an den Gesellschaften der WAZ-Gruppe zu erwerben. Über die wesentlichen Bedingungen des Erwerbs wurde (. . .) Einigkeit erzielt."

Das Geschäft - das Manager Magazin berichtet von 500 Millionen Euro - steht noch unter Vorbehalt. Peter Heinemann, Sohn des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, ist bis 2015 Testamentsvollstrecker für die Brost-Enkel. Er werde die Offerte "gründlich prüfen und die testamentarische Verfügung des Erblassers und die Interessen der Enkel abwägen", ließ er mitteilen.

Grotkamp, Brost, Enkel, Töchter - um zu verstehen, was jetzt passiert, muss man die komplizierten Eigentumsverhältnisse und Konflikte des WAZ-Konzerns kennen. Gegründet wurde das Unternehmen vom sozialdemokratischen Erich Brost und dem konservativen Jakob Funke. Ihre Erben teilen sich bis heute den Besitz. Auf der einen Seite die Brost-Enkel (Brost-Holding), auf der anderen die Funke-Töchter: Petra Grotkamp, Renate Schubries und die Erben der im Sommer verstorbenen Gisela Holthoff, jeweils mit 16,67 Prozent.

In den zurückliegenden Jahren hat es immer wieder Streit unter den Clans gegeben. Wie in so vielen Familien ging es um Geld, Beteiligungen und Einfluss. Erst im Juni kam es zum Streit. Der Grund: eine vertrakte Innerei, geheime Verträge zwischen Gisela Holthoff und Anneliese Brost. Die Gründerwitwe gewährte Gisela Holthoffs Stiefsohn Stephan Holthoff-Pförtner einen Kredit. Die Holthoffs räumten dafür als Sicherheit eine theoretisch umsetzbare Kaufoption über die Hälfte ihrer Firmenanteile von 16,67 Prozent ein.

Der Handel wurde nach dem Tod Anneliese Brosts (2010) bekannt, die Familie Grotkamp prüfte in dieser Sache eine Klage. Funke-Erbin Petra Grotkamp ist mit dem früheren WAZ-Geschäftsführer Günter Grotkamp verheiratet. Dem missfiel wohl, dass die Funkes unter Umständen Macht an die Brosts abgeben könnten. Dass die Grotkamps jetzt ein Mehrheitsverhältnis schaffen wollen, hat vermutlich auch direkt mit dieser Auseinandersetzung zu tun: "Frau Grotkamp hat das Angebot (. . .) unterbreitet", informiert ihr Anwalt, "um klare Gesellschafterstrukturen zu schaffen und sicherzustellen, dass die WAZ-Mediengruppe auch künftig als Familienunternehmen Erfolg haben kann." Die Generationenfolge wurde umgehend mitgeregelt. Niklas Jakob Wilcke, "Sohn der Frau Grotkamp und Enkel des Firmengründers Jakob Funke, (soll) eine wichtige Rolle im Gesellschafterkreis spielen".

Der WAZ-Konzern ist das drittgrößte deutsche Verlagshaus mit einem Umsatz von 1,1 Milliarden Euro. Zur Gruppe gehören regionale Tageszeitungen wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung oder die Westfälische Rundschau. Sehr profitabel werden die Zeitschriften des Unternehmens geführt (Gong, Die Aktuelle, Echo der Frau, Frau Aktuell).

Es stellen sich Fragen. Wird der 84-jährige Günther Grotkamp noch einmal sichtbar in die Unternehmensleitung eingreifen? Grotkamp, in Essen geboren, war in den 70er Jahren Bevollmächtigter der Funke-Familien und betrieb in den 80er und 90er Jahren mit Erich Schumann, dem Adoptivsohn des zweiten Gründers Erich Brost, die Expansion des Konzerns. Seit 2002 ist Bodo Hombach als Geschäftsführer der Brost-Familie starker Manager im Konzern. Ein Verkauf der Brost-Anteile beträfe ja wahrscheinlich auch ihn. Hombach wie Co-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der den Funke-Stamm vertritt, waren an diesem Montag nicht erreichbar.

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SZ vom 30.08.2011/beu
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