Was Stefan Raab der Welt gebracht hat:Menschen, die auf Pfannen fahren

GERMANY'S STEFAN RAAB PRESENTS HIS SONG WADDE HADDE DUDDE DA IN BREMEN

Stefan Raab zog für den Eurovision Songcontest einen Glitzeranzug an - ab da wurde der ESC auch wieder für durchschnittliche Menschen unter 80 interessant.

(Foto: REUTERS)

Lena, die Wok-WM und ein Fernsehen, das sich selbst zusieht: Stefan Raab hinterlässt viele Dinge, die uns bleiben werden.

Von Anja Perkuhn

Man muss Stefan Raab unbedingt Respekt zollen - wobei, Respekt ist nicht das richtige Wort: Es müsste wohl "Raabspekt" sein. Stefan Raab hat das deutsche Fernsehen, die deutsche Musiklandschaft, das deutsche Mediengeschehen jahrelang immer wieder mit innovativen Ideen vollgestopft - viele davon waren witzig, viele unangenehm, manche dumm, manche überzogen.

Funktioniert haben fast alle - und manches davon wird der (Show-)Welt noch lange erhalten bleiben.

TV total: Fernsehen beobachtet Fernsehen

TV total, das war groß, das war neu und man sprach darüber im Büro und auf dem Schulhof: eine Late Night-Show, die Fernsehausschnitte zeigt und dabei die TV-Landschaft entlarvt für ihre Biederkeit, ihre Oberflächlichkeit, ihre merkwürdigen Statisten - und manchmal auch einfach für Versprecher oder Dialekte.

Es erwuchsen daraus teilweise menschlich fragwürdige aber auch kluge Kulturstücke wie die Single "Hol mir ma ne Flasche Bier" (mit Originalton des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder), das Lied "Gebt das Hanf frei" (mit Ausspruch des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele) oder der "Erstwählercheck", bei dem eigentlich nur vorgeführt wurde, was junge Menschen über Politik nicht wissen und wie schlecht sie dieses Unwissen auch noch rhetorisch verpacken. Mitunter aber hatte Raabs Spott erhebliche Folgen für die Opfer seiner Häme. Regine Zindler, die sich bei der Gerichtsshow Barbaba Salesch um ihren Maschendrahtzaun gesorgt hatte und titelgebend für einen seiner Songs wurde, hielt dem psychischen Druck durch die mediale Öffentlichkeit nicht stand, verkaufte ihr Grundstück und zog um. Und Lisa Loch, die Raab aufgrund ihres Nachnamens über Wochen unfreiwillig Stoff für Wortspiele geliefert hatte, bekam sogar 70 000 Euro Schadenersatz wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte zugesprochen.

Das Fernsehen steht seitdem als Konzept unter Dauerbeobachtung - von sich selbst. Und Menschen merkten plötzlich, das dumme Dinge, die sie in eine Kamera sagen, sich nicht zwangsläufig versenden.

Contest-Wahnsinn: Uns bleibt immer noch Lena

Im Jahr 1998 nahm Raab sich des Themas Eurovision Song Contest an: Er schickte Guildo Horn mit dem von ihm produzierten Trulala-Lied "Guildo hat euch lieb" ins Rennen - mit 60 Prozent der Stimmen entschieden sich die Deutschen für ihn als deutschen Kandidaten, er wurde beim ESC dann Siebter. Danach gab es Nussecken-Backrezepte mit seinem Namen - warum genau, hatte man schon eine Woche später vergessen.

Wichtiger war aber sowieso: Raab hatte Blut geleckt. Das Lied hatte er selbst komponiert (unter dem Pseudonym "Alf Igel" - als Anspielung auf Produzent Ralph Siegel, der bisher 19 Kompositionen ins ESC-Finale gedrückt hat), wie auch den Song "Wadde hadde dudde da?" zwei Jahre später. Da trat Raab selbst an, im Glitzerleuchteanzug, und erst da wurde der ESC auch wieder für Menschen unter 80 interessant.

In Anlehnung an den Contest-Wahnsinn der frühen 2000er-Jahre um Popstars und Deutschland sucht den Superstar veranstaltete Raab Ende 2003 bis Anfang 2004 SSDSGPS − Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star und fahndete dort nach einem Kandidaten für den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2004. NDR-Unterhaltungschef Dr. Jürgen Meier-Beer versprach Raab eine Wildcard, falls sein Künstler Erfolg in den Charts haben sollte.

Max Mutzke siegte, stürmte die Charts und fuhr zum ESC nach Istanbul, sang eine Strophe des Raab-Songs "Can't Wait Until Tonight" auf Türkisch - und versank bald in der medialen Versenkung.

Und dann kam Lena.

In der Show Unser Star für Oslo ging Raabs Suche nach einem neuen ESC-Star aus Deutschland weiter. Er fand ihn in der Schülerin Lena Meyer-Landrut. Mit "Satellite" siegte sie beim Songcontest 2010 in Oslo, an den Straßen flatterten beinahe fast so viele schwarz-rot-goldene Fähnchen wie bei der Fußball-WM kurz danach.

Raab krempelte im kommenden Jahr das Auswahlverfahren komplett um: Lena sollte ihren Titel verteidigen, die deutschen Fernsehzuschauer wählten das Lied, das sie singen sollte - eine Zusammenarbeit von ProSieben und der ARD. Beim Songcontest selbst wurde sie mit "Taken By A Stranger" nur Zehnte - Raab hatte die Wahrnehmung des ESC aber komplett gedreht.

Sportshows: Menschen, die auf Pfannen fahren

B-Prominente, die sich in ein Kochgerät setzen und einen Eiskanal hinunterfahren - und das dann auch noch mit grandiosen Einschaltquoten: Die Wok-WM schüttelte Raab aus dem Ärmel, nachdem er 2003 einen Wetten, dass..?-Einsatz eingelöst hatte und auf einem chinesischen Wok durch den Bob-Kanal in Winterberg geschrammt war. Noch im selben Jahr gab es auf Pro Sieben die "1. offizielle Wok-Weltmeisterschaft".

Qualifying der Wok-WM - Raab

Aus der nicht vorhandenen Not eine Tugend gemacht: Raab gewann eine Wette bei Thomas Gottschalk - und löste den Einsatz trotzdem ein. Daraus wurde am Ende: die Wok-WM.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seitdem regelmäßig dabei: Sänger/Ausdauerläufer Joey Kelly und Renndodel-Olympiasieger Georg Hackl - und die Zuschauer. Zuletzt schwächelten die Quoten etwas, doch im März schauten bei der 13. Wok-WM immer noch durchschnittlich 1,97 Millonen Menschen zu.

Es folgten weitere mehrere Stunden andauernde Halbsportspektakel: das Promi-Turmspringen, die Stock Car Crash Challenge, die Autoball-WM, der Eisfußball-Pokal - und regelmäßige Poker-Abende.

Das große tv total Turmspringen

Halbwegs bekannte aber vor allem unsportliche Menschen springen von einem Turm ins Wasser - und andere Menschen schauen dabei zu? Raab hat's geschafft.

(Foto: Volker Dornberger/dpa)

Moderator als Mittelpunkt: Der (beinahe) unschlagbare Raab

Stullenschmieren, Getränkekistenturmklettern und Dinge merken: In der Livesendung Schlag den Raab durften vielseitig talentierte Teilnehmer versuchen, den überehrgeizigen Raab zu besiegen. Regelmäßig scheiterten sie daran: Nur 16-mal gewann ein Kandidat - 36-mal triumphierte der Entertainer selbst.

Schlag den Raab war der Beweis, dass eine Samstagabendshow in Zeiten des erfolgssatten Wetten-Thomas-Gottschalk noch funktioniert - wieder funktioniert. Und zwar nicht nur ein bisschen, sondern auf eine ganz neue Art: Die Spiele, in denen sich die Kontrahenten messen mussten, waren meistens witzig und smart erdacht, Geschicklichkeitsspiele wie Bügelwerfen oder Münzenschnipsen wechselten sich ab mit Wasserballspielen, Blindfußball oder Klettern und zwischendurch gab es für die schwitzenden und rotgesichtigen Kontrahenten Wissensfragen.

Und wer den Überflieger Raab schlug, trug teilweise siebenstellige Eurosummen nach Hause - und das große, herzerwärmende Gefühl, einen wirklich schlechten Verlierer gedemütigt zu haben.

Das Spin-off Schlag den Star lief seit 2009 - kürzer, nicht live, und mit Raab als Sidekick oder Moderator.

Das Konzept verkaufte Raab in 18 Länder. Irgendwie wird er immer bei uns bleiben, dafür hat er gesorgt.

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