Warren Buffett im Zeitungsgeschäft:Herrscher der Provinz

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Mit einem geschätzten Vermögen von 54 Millionen Dollar ist Warren Buffett der zweitreichste Amerikaner. (Foto: AFP)

Lebensmittel mag er besonders, kürzlich erst hat er den Ketchup-Hersteller Heinz erworben. Neuerdings stehen auf Warren Buffetts Einkaufsliste aber auch Zeitungen. 342 Millionen Dollar hat er bereits in das amerikanische Printgeschäft investiert - und hält damit ein Stück Medienkultur am Leben.

Von Viola Schenz

"Eichhörnchen verursacht Stromausfall", "Räuber bedroht Flohmarktverkäuferin mit Pistole", "Schießerei vor 7/11". Die Macher der The Roanoke Times wissen, auf welche Meldungen eine kleine Lokalzeitung setzen muss. 1889 gegründet, 76.000 Stück Auflage, 300 Mitarbeiter - The Roanoke Times im Südwesten Virginias ist ein gewöhnliches amerikanisches Lokalblatt mit gewöhnlichen Lokalnachrichten. Vergangene Woche allerdings konnte sie Ungewöhnliches verkünden, in eigener Sache: Sie wurde aufgekauft von der Berkshire Hathaway Media Group in Omaha, Nebraska. Von Warren Buffett.

Berkshire Hathaway (BH) ist die riesige Beteiligungsgesellschaft des Firmenaufkäufers Buffett, des mit einem Privatvermögen von geschätzt 54 Milliarden Dollar zweitreichsten Amerikaners (nach Bill Gates) und viertreichsten Erdenbewohners. Buffett ist größter Aktionär des von ihm gegründeten Investmentunternehmens, dem Firmen wie Dairy Queen oder Fruit of the Loom gehören sowie Anteile an Konzernen wie IBM, American Express, Wal-Mart, Munich Re oder Coca-Cola und Kraft. Lebensmittel und Konsumgüter mag er besonders, kürzlich erst hat er sich den Ketchup-Hersteller Heinz einverleibt.

Was er ebenfalls mag, sind Traditionsunternehmen mit Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert. Auf seiner Einkaufsliste stehen daher neuerdings auch Zeitungen: kleine Blätter aus kleinen Städten, aber mit großer Geschichte. Vor seiner Haustür in Nebraska begann die Shoppingtour, Buffett erwarb dort im Dezember 2011 den Omaha World-Herald. Im Mai 2012 kamen die Zeitungen des Medienhauses Media General dazu - für 142 Millionen Dollar sicherte er sich auf einen Schlag 63 Tages- und Wochentitel im Süden der USA. Es folgten weitere Tagesblättchen, The Roanoke Times ist das 29. in Buffetts Sammlung, daneben besitzt BH Media 40 Wochenzeitungen.

All das passiert in einer Zeit, in der Amerikas Zeitungen leiden, die kleinen wie die großen. In der sie mit schrumpfenden Umsätzen, Anzeigenerlösen und Auflagen zu kämpfen haben - und trotz Entlassungen und kleinerer Umfänge zu überleben versuchen. Die Anzeigenerlöse der US-Zeitungen bewegen sich, inflationsbereinigt, auf das Niveau von 1950 zu. Nicht besser sieht es bei den Zeitschriften aus, sie haben allein von 2006 bis 2011 ein Drittel ihrer Anzeigenseiten verloren, so das Publishers Information Bureau. Gleichzeitig ging ihre Zahl von 252 auf 221 zurück. Egal, wohin man in der amerikanischen Printmedienlandschaft blickt - Redaktionen, die zum Investieren locken, sind nicht in Sicht. Warren Buffett kauft dennoch, schlappe Blätter wie The Roanoke Times, das seine profitablen Jahre auch lange hinter sich hat.

"Ich werde Zeitungen immer lieben"

Warum also tut er sich das an? Der 82-Jährige, der als kleiner Junge mit Zeitungsaustragen sein Taschengeld aufbesserte, antwortet darauf so: "Ich habe mein ganzes Leben Zeitungen geliebt, und ich werde sie immer lieben." Weder nennt er genauere Motive noch einen Kaufpreis, nur so viel ist bekannt: Bis Dezember 2012 hatte er 342 Millionen Dollar in Zeitungen investiert - für ihn Kinkerlitzchen, für manche Redaktion aber die Rettung.

Jetzt, im Lebensabend, gönnt er sich das Hobby, Zeitungen zu sammeln, so wie andere Pfeifen, Kronkorken oder Glastierchen um sich scharen. Man muss das vielleicht als Schrulle des alten Herrn abtun, der sich seit jeher Milliardär-Klischees verweigert. Der Konzernchef mit dem gütigen Opa-Lächeln, der ewig selben Hornbrille und der Vorliebe für einfache Speisen bewohnt nach wie vor jenes unscheinbare Haus im abgeschiedenen Omaha, das er 1958 erworben hat. Schlagzeilen macht er nicht mit Yachtpartys oder Skandalen, sondern mit dem Lunch, den er auf Ebay versteigert; 3,5 Millionen Dollar kann es kosten, über Mittag mit dem Finanzjongleur plaudern zu dürfen, das Geld spendet der dann Obdachlosen. Oder mit der Ankündigung, nach seinem Tod 99 Prozent seines Vermögens für wohltätige Zwecke zu hinterlassen. Oder mit scharfsinnigen Bemerkungen in Rundbriefen an die Aktionäre und auf der BH-Hauptversammlung, dem "Woodstock für Kapitalisten", zu dem die Leute alljährlich strömen.

Buffetts Worte haben Gewicht, seine Jünger versuchen, aus den Andeutungen des "Orakels von Omaha" die richtigen Anlagetipps zu filtern. Buffett ist Buffett, weil er seit bald sechs Jahrzehnten erfolgreich Geld bewegt und immer wieder gute Riecher für lukrative Investitionen und überdurchschnittliche Renditen bewiesen hat. So auch bei den Provinzzeitungen. Terry Kroeger, Vorstandsvorsitzender der BH Media Group, konnte hier für 2012 schwarze Zahlen und für 2013 profitable Aussichten verkünden. Buffett hat Erfahrung im Verlagsgeschäft. Mit einem 23-Prozent-Anteil ist er seit 1973 Großaktionär der Washington Post, und er ist an Gannett beteiligt, dem Herausgeber der USA Today.

Großen Profit wird er mit The Roanoke Times oder Greensbor o News & Record freilich nicht machen. Aber seine Sammelleidenschaft dient einem guten Zweck: Sie hält ein Stück Medienkultur am Leben. Denn in einem riesigen Land wie den USA, wo sich selbst überregionale Blätter wie die New York Times oder Los Angeles Times nicht über die Ost- oder Westküste ins Landesinnere hineinverbreiten, sind Leser vielerorts auf Lokal- und Regionalblätter angewiesen. So sorgt er, dessen Investitionen genau beobachtet und gerne kopiert werden, für Optimismus in Amerikas Verlagshäusern. Seht her, wenn Buffett Geld lockermacht, muss die Branche doch eine Zukunft haben! Vielleicht zeigen seine Taten schon Wirkung: Gerade hat die Times Picayune aus New Orleans verkündet, nach dem Rückzug ins Digitale doch wieder als täglich gedruckte Zeitung zu erscheinen. Und der Philadelphia Inquirer will seine eingestellte Samstagsausgabe wiederbeleben.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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