Wahlberichterstattung:Schlingerkurs

Ist er's? Wird er's? Er muss es doch werden! Wie einige Medien in Deutschland Jens Spahn am Dienstagabend fälschlicherweise zum Verteidigungsminister machten - und dann bisweilen nur recht halbherzig zurückruderten.

Von Clara Lipkowski

Manchmal, so heißt es, überschlagen sich die Ereignisse. Dann kann so eine Kette an Neuigkeiten, wie etwa am Dienstagabend in Straßburg, nicht nur den Politikbetrieb durcheinanderbringen, sondern auch die Medienlandschaft. Dann ist schnell mal etwas kurzerhand vermeldet, was sich wenig später als falsch herausstellt. Das ist ärgerlich, soweit sollte es nicht kommen, passiert aber hin und wieder den Besten. Interessant wird es, wenn jemand kreativ darin wird, die eigene Fehlspekulation geradezurücken.

Am Dienstagabend verkündete etwa die Rheinische Post unter Berufung auf Regierungskreise, Jens Spahn folge auf Ursula von der Leyen an die Spitze des Verteidigungsministeriums. Einige Medien übernahmen die Meldung, auch Focus Online. Kurze Zeit später wurde nur allerdings klar: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird's.

Doch warum eigentlich zur richtigen Realität zurückkehren, wenn es eine noch tollere gibt? Bei Focus Online ging das so: Man korrigierte die Spahn-Meldung zu: "Irre Wende." Und im dazugehörigen Tweet: "Berlin spielt verrückt - AKK wird Verteidigungsministerin - nicht Spahn". Tja, verrückt, da schlagen Politiker Haken, wo man es nicht erwartet. Ganz abwegig wär's ja nicht: So schnell wie mancher Politposten besetzt wird - zum Verrücktwerden könnte man meinen. Doch, um bei der richtigen Realität zu bleiben, in diesem Fall waren es einige Redaktionen, die den Schlenker hingelegt hatten.

Beim Tagesspiegel lieferte man eine etwas halbherzige Korrektur. "Nicht Jens Spahn, sondern Kramp-Karrenbauer wird Verteidigungsministerium leiten", verkündete man, beließ es aber bei einem Bild von Spahn bis Mittwochnachmittag die Foto-Unterzeile: "Bundesgesundheitsminister Jens Spahn könnte neuer Verteidigungsminister werden." Nun, klappt's ja doch?

Kein Wunder, dass sich die Kommentatoren in sozialen Medien warmliefen. Das Schlingern des Focus erinnerte einen Nutzer an ein "Drama in 3 Akten", getreu Exposition, Zuspitzung und Katastrophe: Spahn wird's, Spahn wirds' doch nicht, und dann das dicke Ende: Annegret Kramp-Karrenbauer! Ein anderer Nutzer konnte nicht einschlafen: "Hab Angst, dass ich mit den Breaking News aufwache, in denen #Maaßen als Verteidigungsminister bekannt gegeben wird." Keine Sorge, soweit... Oder? Also, das wäre tatsächlich eine irre Wende.

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