FPÖ contra Medien in Österreich:"Das ist wie eine große Einschüchterungs-Maschine"

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Bevor Corinna Milborn jeden der Präsidentschaftskandidaten separat interviewte, gab es am 20. November ein Rededuell mit beiden. Im Bild v.l.n.r.: Norbert Hofer, Corinna Milborn und Alexander Van der Bellen.

(Foto: imago/Eibner Europa)

Wie berichtet man über einen Wahlkampf, der ein ganzes Land spaltet? Die österreichische Journalistin Corinna Milborn erzählt, wie man populistische Politiker interviewt und wie sie auf Hass reagiert.

Interview von Luise Checchin

Die Journalistin Corinna Milborn, 43, ist Info-Chefin des österreichischen Privatfernsehsenders Puls 4. In ihrer Gesprächssendung "Pro & Contra" interviewte sie am 21. November den Bundespräsidentschaftskandidaten der FPÖ, Norbert Hofer, eine Woche später den gegnerischen Kandidaten Alexander Van der Bellen. Schon während des Gesprächs mit Hofer kritisierte der sie mehrmals, nicht objektiv zu sein. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schrieb anschließend auf Facebook von "Systemmedienmanipulation", in den Kommentaren darunter war viel von "Verhörmethoden" zu lesen.

SZ: Hat Sie die Kritik an Ihrem Interview mit Norbert Hofer überrascht?

Corinna Milborn: Nein, wenn man jemanden von der FPÖ interviewt und das nach journalistischen Kriterien tut - so wie man jeden anderen Politiker auch interviewen würde -, dann ist damit zu rechnen, dass man wenigstens ein paar tausend negative Kommentare und wahrscheinlich einen Artikel auf einer rechten Internetseiten abbekommt.

In dem Interview stellen Sie kritische Fragen und haken oft nach. Was gemeinhin als die Grundaufgabe der Medien gilt, halten offenbar viele Österreicher zurzeit für Parteilichkeit.

Hauptsächlich kommt das von der FPÖ selbst und von ihren vielen Anhängern. Wobei die Reaktionen durchaus auch ein bisschen gesteuert sind. Herr Strache hat ja sehr viele Facebook-Fans. Wenn er von "Systemmedienmanipulation" schreibt, dann trifft das dort auf fruchtbaren Boden.

Woher kommt dieses unterschiedliche Verständnis von journalistischer Objektivität?

Die FPÖ hat insgesamt ein angespanntes Verhältnis zur freien Presse. Ihre Grunderzählung ist, dass sie von den "Systemmedien" - ein Nazibegriff übrigens - schlecht behandelt wird, weil sie gegen das sogenannte System kämpft. Diese Behauptung versucht sie unterzubringen, sobald ihr ein Bericht oder Interview nicht passt. Die Objektivität in einem Interview kommt ja dadurch zustande, dass der Interviewte Raum für Antwort und Stellungnahme hat. In Österreich ist das sogar in einem Verfassungsgerichtshofsbescheid festgehalten. Deswegen ist es auch Aufgabe des Journalisten, auf einer Antwort zu bestehen. Und genau das habe ich im Interview mit Hofer gemacht.

Der Versuch, die Massenmedien zu diskreditieren, ist ja eine gängige Strategie populistischer Politiker, von der AfD bis Trump. Wie sollte man darauf reagieren?

Ich kann nur sagen, wie ich darauf reagiere. Ich versuche, mich davon frei zu machen. Norbert Hofer ist als Dritter Nationalratspräsident und Kandidat zur Bundespräsidentschaft Teil der Macht in Österreich. Das heißt, es ist eine ganz absurde Erzählung, dass er nicht dazu gehören würde und ich schon. Ich versuche, wenn so etwas im Interview kommt, es möglichst zu thematisieren und Transparenz herzustellen. Also, zu erklären, warum ich die Fragen stelle, wie ich sie stelle. Ich habe, glaube ich, drei Mal erklärt, warum ich es für wichtig halte, angebliche Verbindungen ins rechtsextreme Milieu zu thematisieren, warum das ein Problem wäre bei einem Bundespräsidentschaftskandidaten. Die Hoffnung ist, dass die Zuschauer diese Kampfstellung durchschauen, die die Populisten versuchen gegen Medien aufzubauen.

Trotzdem standen Sie ja vor einem Dilemma, als Sie eine Woche später den Gegenkandidaten interviewten. Alexander Van der Bellen vertritt gemäßigtere Positionen in einem gemäßigteren Ton. Darauf reagiert man doch dann auch anders, oder?

Auch bei diesem Interview habe ich versucht, mich frei zu machen von dem Druck, der von FPÖ-Seite aufgebaut worden ist - so nach dem Motto: Jetzt wollen wir mal sehen, ob sie den genauso hart rannimmt. Ich habe auch bei Van der Bellen die Sachen gefragt, die auf dem Tisch lagen, und nachgehakt, wenn er sie nicht beantwortet hat. Wenn er die Fragen aber beantwortet, wäre es auch falsch, künstlich ein Theater aufzuführen. Das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Kandidaten.

Sie hatten vor dem Interview in den sozialen Medien angekündigt, jede einzelne "Vergewaltigungs- und Mord-Drohung, Beleidigung und Rufschädigung" anzuzeigen. Was hat Sie zu dieser Warnung bewogen?

Diese ganze Hass-im-Netz-Thematik trifft in meinem Fall nur dann zu, wenn es um die FPÖ geht und Herr Strache etwas über mich postet. Das ist dann wie ein Startschuss zu einem Massenangriff. Da kommen Tausende Kommentare, viele von gefälschten Profilen, außerdem sehr viele von Leuten, die das Interview gar nicht gesehen haben, aber einfach mitmachen. Die allermeisten diffamierenden Kommentare sind allerdings nicht klagbar, sondern genau an der Grenze des Klagbaren.

"Ein sehr wirkungsvolles Mittel, Frauen zum Schweigen zu bringen"

Wo liegt diese Grenze?

In Österreich wird eine Anzeige nur aufgenommen, wenn eine konkrete Tatabsicht erkennbar ist, also, wenn jemand schreibt: "Ich werde Sie morgen dort und dort abfangen und vergewaltigen." Aber was die meisten Hass-Kommentatoren schreiben, ist: "Ich wünsche Ihnen, dass Sie vergewaltigt werden" oder "Man sollte Sie vergewaltigen". Und das fällt nicht unter das Strafgesetz.

Wie gehen Sie mit diesen Anfeindungen um, wenn Anzeigen keine Option ist?

Da habe ich ehrlich gesagt noch keinen richtigen Umgang gefunden. Eigentlich hatte ich vor diesem Interview mit Hofer beschlossen, mir die Kommentare nicht anzuschauen. Das funktioniert aber nicht, eben weil man darauf angesprochen wird. Ich glaube, man muss es stärker thematisieren, denn es trifft viele Journalisten und vor allem Journalistinnen. Das ist wie eine große Einschüchterungsmaschine. Man muss sich mittlerweile vor einem solchen Interview darauf einstellen, was kommt und überlegen, ob man selbst stark genug ist, ob man familiär stark genug ist. Man muss Vorkehrungen treffen. Es ist schon ziemlich mühsam.

Was meinen Sie mit "Vorkehrungen treffen"?

Ich habe zum Beispiel auf meinem persönlichen Facebook-Profil die Kommentarfunktion für drei Tage gesperrt. Nach drei Tagen ist es dann vorbei. Oder etwa auch Vorkehrungen zu treffen, damit die eigenen Kinder nicht mitlesen.

Sie sagten eben, dass Journalistinnen in besonderer Weise von solchen Hasskommentaren betroffen sind. Unterscheidet sich die Qualität des Hasses je nachdem, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt?

Ja. Bei Männern haben die Kommentare meistens einen duellhaften Charakter. Das sind dann Kommentare, die man veröffentlichen kann, um sich darüber aufzuregen. Bei Frauen gibt es zusätzlich sexualisierte Abwertungen - Vergewaltigungswünsche, Kommentare über den Körper, über sexuelle Frustriertheit oder "Benützbarkeit". Das veröffentlichen die Frauen dann nicht, sondern versuchen stattdessen, selbst damit umzugehen.

Warum machen Frauen solche Kommentare nicht öffentlich? Aus Scham?

Genau. Das war ja früher auch ein Mittel im Krieg: Die Vergewaltigung der gegnerischen Frauen, um sie wertlos zu machen. Und es ist nach wie vor so, dass eine Frau, wenn sie mit sexueller Gewalt in Verbindung gebracht wird, dadurch in den Augen der Öffentlichkeit abgewertet wird. Deswegen ist das ein sehr wirkungsvolles Mittel, Frauen - besonders kritische Frauen - zum Schweigen zu bringen. Und es drängt Frauen tatsächlich aus dem öffentlichen Raum heraus, vor allem aus dem virtuellen. Mehrere TV-Journalistinnen, die FPÖ-Interviews machen, haben sich deshalb von Facebook zurückgezogen. Ich kenne auch Kolleginnen, die einfach aufgehört haben, politischen Journalismus zu machen, weil sie es nicht mehr aushalten.

Was müsste passieren, um dem entgegenzuwirken?

Es wäre ganz wichtig, Facebook besser zu regulieren. Das würde dieser Einschüchterungsmaschine den Wind aus den Segeln nehmen. Denn solange solche Hasskommentare nur auf den rechten Seiten, also in einer Teilöffentlichkeit, auftauchten, waren sie einfacher zu ertragen. Durch Facebook nimmt das aber erstens lawinenartige Ausmaße an und zweitens kann es jeder lesen. Das heißt, eine der wichtigsten Forderungen wäre, dass Facebook nach Medienrecht vorgehen muss. Verleumdungen dürfen dort einfach nicht erscheinen, zumindest nicht im Newsfeed, sie sollten also nicht durch Facebook verstärkt werden dürfen.

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