W&V: Versuchsküchen von Verlagshäusern:Wo Köche noch Helden sind

Kulinarische Schöngeisterei? Medienhäuser wie Burda und Bauer spülen mit Versuchsküchen zusätzliches Geld in die Verlagskassen. Die Kochstudios sind hochprofitabel und so etwas wie Mascarpone in Doppelrahmstufe - also richtig fett.

F. Zettel, L. Priller-Gebhard

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STARKOCH JOHANN LAFER

Quelle: DPA

Kulinarische Schöngeisterei? Medienhäuser wie Burda und Bauer spülen mit Versuchsküchen zusätzliches Geld in die Verlagskassen. Die Kochstudios sind hochprofitabel und so etwas wie Mascarpone in Doppelrahmstufe - also richtig fett.

Während sich die Verlage früher gerne mit Versuchsküchen schmückten, haben sich die Anforderungen in Zeiten von "Benefit" und "Cost-Share" doch wesentlich verändert. Heute leisten sich nur noch vier Großverlage Kochstudios: Gruner + Jahr, Hubert Burda Media, Jahreszeiten- Verlag und die Bauer Media Group. Und hinter jeder Küche steht auch ein Geschäftsmodell. Mittlerweile werden nicht nur Rezepte auf ihr Gelingen abgeklopft, inzwischen wird zusätzliches Geld auch durch Kochkurse und Events in die Verlagskassen gespült. "In letzter Zeit häufen sich die Anfragen von Unternehmen, ob wir Rezeptentwicklungen übernehmen können", sagt Birgitt Micha, Chefredakteurin der Burda-Zeitschrift Meine Familie & ich. Aber auch Beiträge für den Burda-Sender Bongusto TV entstehen in der Versuchsküche. Prominente Köche wie Johann Lafer, Nelson Müller und Stefan Marquard gaben an der Arabellastraße ein Gastspiel. Der Renner sind die neuen Kochkurse "Cooking Class" für die Leser, die dafür eigens aus dem Ruhrgebiet und der Schweiz anreisen.

W&V/Florian Zettel & Lisa Priller-Gebhard

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Themendienst Essen & Trinken: Endlich Erdbeerzeit

Quelle: ddp

Auch bei der Gruner + Jahr-Küche in Hamburg gibt es täglich Leseranfragen zu Besichtigungen und Events. Doch Chefredakteur Stephan Schäfer will davon nichts wissen -- zu groß wäre der Aufwand. Und schließlich sei Essen & Trinken ja ein Verlagsprodukt und keine Veranstaltung. Die Küche rechnet sich auch so. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt die Versuchsküche des Jahreszeiten-Verlags. Hier leistet man sie sich als Statement für Qualität und Leserbindung. Anders beim Hamburger Ortskonkurrenten Bauer Media. Deren Versuchsküche ist hochprofitabel und mit monatlich 500 produzierten Food-Seiten so etwas wie Mascarpone in Doppelrahmstufe - also richtig fett.

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W&V: Versuchsküchen von Verlagshäusern:Jedes Rezept muss durch den "Hausfrauen-Test"

w&v: versuchsküchen

Quelle: Bethel Fath

Das kreative Herz der Redaktion "Meine Familie & ich" schlägt im ersten Stock des Verlagsgebäudes an der Arabellastraße: in der Versuchsküche. Dort werden monatlich 60 bis 70 Rezepte entwickelt, ausprobiert und, wenn es sein muss, auch wieder verworfen. "Die Rezepte müssen hausfrauentauglich sein", sagt Chefredakteurin Birgitt Micha (Foto). Die Leserin muss sich darauf verlassen können: Hier geht nichts schief. Dafür bürgt das Gütesiegel der Redaktion, die "Gelinggarantie". Die Leserinnen danken es: Der Verkauf des Blattes, das traditionell an der Supermarktkasse platziert ist, hat sich in den letzten Jahren sehr stabil gehalten. Küchenchef Jörg Götte (Foto) und die Redaktion entwerfen aber auch Rezepte für den Schwestertitel "Lust auf Genuss". Micha und Götte sind auch vor der Kamera aktiv: Aufzeichnungen für Bongusto TV finden ebenfalls hier in der ehemaligen Kleiderkammer der Zeitschrift "Freundin" statt, die vor drei Jahren mit viel Aufwand zur 80 Quadratmeter großen Küche umgebaut wurde. "Außerdem ist unsere Küche als Location sehr begehrt", sagt Micha. Sie diente beispielsweise als Kulisse für ein "Focus"-Interview mit Theo Waigel, original Weißwurst-Frühstück inklusive. "Bei externen Anfragen allerdings achten wir stark darauf, dass auch ein Bezug zum Heft besteht", so Chefredakteurin Micha.

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W&V: Versuchsküchen von Verlagshäusern:Die Mutter aller Versuchsküchen

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Quelle: Heinrich Bauer Carat KG

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Die Versuchsküche in der Hamburger Burchardstraße 11 produziert Food-Strecken im Akkord und ist die größte in Deutschland. Denn das Food-Reich der Bauers ist hungrig und umspannt weite Teile Europas und die USA. So werden hier jeden Monat mehr als 500 Food-Seiten produziert. Pro Woche setzen 45 Mitarbeiter rund 90 Neuproduktionen um und beliefern damit 60 verlagsinterne Kunden. Aber auch externe Kunden wie Dr. Oetker, Erasco und Blanchet zehren von der Bauer-Küche. Die Versuchsküche ist seit Jahrzehnten eine Institution im Haus. 1962 unter dem Namen Citystudio gegründet verfügt die heutige Redaktion Food & Foto über mehr 40 000 Fotos und Illustrationen. "Die Zentralredaktion Food ist unser Aushängeschild. Kein anderer Verlag kann in diesem Bereich auf eine derartig langjährige Expertise und Kompetenz zurückgreifen", sagt Sven-Olof Reimer, Familienmitglied und zuständiger Geschäftsführer.

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W&V: Versuchsküchen von Verlagshäusern:Kochendes Herz

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Quelle: Matthias Haupt

Die Kombüse von Stephan Schäfer liegt mitten im Gruner + Jahr-Schiffsbau. Dort regiert der Smutje allein in der Küche über ein zehnköpfiges Team. "Die Versuchsküche ist unser Herz, die Köche sind unsere Helden", schwärmt Schäfer, der erst seit Dezember 2010 "Essen & Trinken" als Chefredakteur führt. "Während früher ganz selten Menschen in unserem Heft abgebildet wurden, stellen wir seit Anfang des Jahres unsere Köche in den Mittelpunkt. Sie sind unser Aushängeschild", sagt Schäfer. Und so schickt er seine Köche auf Reisen zur Inspiration nach Neapel oder in die Provence, um neue Rezeptideen mitzubringen. Bei "Essen & Trinken" geht es vor allem um Qualität und Leidenschaft. Jedes Rezept wird von den "E&T"-Köchen selbst entwickelt und dreimal gekocht, bevor es veröffentlicht wird. Schäfer nennt das die "Essen & Trinken-Garantie". Doch die Versuchsküche, die es seit 1972 gibt, ist nicht nur eine kulinarische Schöngeisterei: Die Küche muss sich auch rechnen, und das tut sie, indem sie die Food-Fotos über die Verlagsbildagentur Picturepress an nationale und internationale Interessenten verkauft.

W&V/Florian Zettel

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W&V: Versuchsküchen von Verlagshäusern:Eine Investition in die Leser-Blatt-Bindung

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Quelle: JAN C.BRETTSCHNEIDER

Im Gegensatz zu den Konkurrenzküchen ist die der Zeitschrift "Für Sie" sehr beschaulich. Hier wird weder jeden Tag gekocht noch werden hier Fotostrecken produziert. Wie auch in anderen Bereichen hat der Jahreszeiten- Verlag wesentliche Teile des redaktionellen Ablaufs ausgegliedert. Für die Food-Seiten der "Für Sie" werden externe Fotografen und Studios gebucht. Deshalb konzentriert sich das Kochstudio, das von Ressortleiterin Christine Golli (links) und ihrer Stellvertreterin Kerstin Görn geführt wird, auf die Entwicklung von Rezepten. Auch hier wird viel Aufwand betrieben, um die Leserschaft ans Blatt zu binden. Das scheint zu gelingen - seit mittlerweile 50 Jahren. Die verkaufte Auflage ist seit Jahren relativ stabil und liegt derzeit bei knapp 430 000 Exemplaren. Finanziell rechnet sich die Küche allerdings nicht: "Das Küchenstudio ist eine Investition in unsere Leserschaft", sagt Verlagsleiter Matthias Frei. Um das finanzielle Loch möglichst klein zu halten, werden die produzierten Fotos an die Syndication- Abteilung gegeben, die diese dann weitervermarktet. "Auf die Zweitvermarktung können wir nicht verzichten", so Frei.

W&V/Florian Zettel

© W&V: 17/2011/fort
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