Süddeutsche Zeitung

W&V: Jugendmagazine:Neues aus Entenhausen

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Trotz des vielbeklagten Wandels in der Mediennutzung bescheinigen neue Studien den Grundschülern ungehemmte Leselust. Die Verlage glauben offensichtlich daran und werfen immer neue Titel auf den Markt.

Christof Wadlinger

Ob sie beim ersten Ausflug ins Internet bereits alle Buchstaben kennen, sei dahingestellt. Jedenfalls behauptet schon jedes zwölfte der sechs- und siebenjährigen Kinder, mindestens einmal pro Woche im Netz zu surfen. In der Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen - die in der Regel die Grundschule besuchen - ist es knapp die Hälfte. Der Übergang zur "Generation @", die der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski ausgemacht haben will, dürfte demnach fließend sein.

Die Lust am Lesen sei dennoch ungebrochen, heißt es in der soeben erschienenen "Kids Verbraucher Analyse" (KVA) - auch wenn für echten Lesespaß möglicherweise mehr Buchstabierkompetenz vonnöten sein dürfte als für die Spielchen auf den beim Nachwuchs beliebten Websites Kika (Jungen) und Toggo (Mädchen). Das Ergebnis der jährlichen Studie dürfte nicht zuletzt den Herausgeber der KVA erfreuen, den Berliner Egmont-Ehapa-Verlag. Schließlich hat er das marktführende Micky Maus Magazin und zahlreiche weitere Zeitschriften im Portfolio. Andere Medienhauser scheinen an dem Befund aber ebenfalls keine Zweifel zu hegen.

Jedenfalls sind sie vielerorts bereit, in die Zielgruppe zu investieren, wenngleich die zahlenmäßig von Jahr zu Jahr kleiner wird. Bei Kinder- und Jugendbüchern wuchs die Zahl der neuen Titel im Vorjahr um über 100 auf fast 7500 - obwohl insgesamt weniger Neuerscheinungen auf den Markt kamen. Auch der Umsatz von Kinder- und Jugendliteratur stieg überdurchschnittlich im Vergleich zum Gesamterlös des Buchhhandels, der 2009 gerade mal ein Prozent zulegte. Es sei ein gutes Jahr für Kinder- und Jugendbücher gewesen, bekundete der Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

Nachschub für Vorschüler

Die Magazinverleger sorgen ebenfalls für kindgerechten Lesestoff. Der Spiegel gibt seit 2009 den Ableger Dein Spiegel heraus. Gruner + Jahr hat seine Nachwuchstitel Geolino und National Geographic World um das Heft Geomini für Vier- bis Siebenjährige ergänzt. Der Berliner Comic-Verlag New Ground Publishing wagte einen weiteren Versuch, den Klassiker Fix & Foxi zu reanimieren. Ehapa hofft auf Interesse an den kürzlich gestarteten 100-seitigen Donald-Duck-Heften sowie dem Disney Pixar Toy Story Magazin. Für September hat der Verlag den Titel iCarly zur gleichnamigen TV-Serie angekündigt.

Dabei ist der Markt schon dicht besetzt: Fast 50 Magazine mit einer Gesamtauflage von drei Millionen Exemplaren sind bei der IVW gelistet. Der Erhebung "Trend Tracking Kids" (IconKids, München 2010) zufolge stoßen die Zeitschriften und Comics je nach Altersgruppe bei 44 (Sechs-/Siebenjährige) bis 72 Prozent (zehn/elf Jahre) der Kinder auf Interesse. Bis zu 40 Prozent blättern mehrmals pro Woche darin. Laut KidsVA lesen 70 Prozent der Befragten mindestens einen der 44 abgefragten Titel.

Favorisiertes Medium der Kleinen ist aber trotz konstanter Leselust das Fernsehen, da sind diverse Erhebungen sich einig. Die TV-Nutzungsdauer der Altersgruppe zwischen drei und 13 Jahren ist seit 1995 zwar um einige Minuten zurückgegangen, liegt aber mit 88 Minuten pro Tag nach wie vor konstant auf dem Niveau von etwa eineinhalb Stunden.

Das Radio kann ebenfalls auf viele Fans zwischen sechs und 13 Jahren verweisen. 19 Prozent hören fast täglich rein, knapp ein Drittel mehrmals pro Woche - je älter, je desto öfter. Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA) hat bei der Ermittlung des Radiokonsums im Vorjahr sogar ihre Grundgesamtheit um Zehn- bis 13-Jährige aufgestockt. Die tägliche Radioverweildauer der Jüngeren erreicht demnach Werte von über einer Stunde pro Tag. Allerdings wird meist nebenher gehört. Ob dies aber so bleibt, bezweifeln viele Eltern.

Zwei von drei Vätern und Müttern glauben, dass das Netz andere Medien verdrängen werde - möglicherweise, weil sie auch bei sich selbst Änderungen im Medienverhalten feststellen. Zumindest bei Kinderzeitschriften greifen Eltern aber nach wie vor gerne zu: Laut Allensbach-Institut und KVA haben beispielsweise Geolino und Micky Maus viele erwachsene Fans.

Im Wandel der Mediennutzung sieht der Ehapa-Verlag in seinem Jahresbericht weniger eine Gefahr. Mehr Kopfzerbrechen bereitet den Berlinern der zahlenmäßige Rückgang der jungen Bevölkerung sowie die Titelschwemme am Kiosk. Der Markt bleibe für neue Wettbewerber attraktiv und die Fragmentierung setze sich fort, heißt es im Geschäftsausblick. Mit einer lesefaulen "Generation @" werden sich demnach erst einmal die Magazine für ältere Jahrgange herumschlagen müssen.

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Quelle:
(W&V 32/2010)
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