Süddeutsche Zeitung

"Milk & Honey" auf Vox:Wohlfühlambiente in Werbeclip-Ästhetik

  • Milk & Honey erzählt von vier jungen Männern aus Brandenburg, die aus Geldnot einen Escort-Service gründen.
  • Nach der Erfolgserie Club der roten Bänder, die 2015 startete, ist Milk & Honey die zweite Eigenproduktion von Vox.

Von Hans Hoff

Wer eine Fernsehserie schaut, geht immer einen Vertrag mit deren Machern ein. Für ein paar Stunden willigt der Zuschauer ein, die Gesetze von Logik und Wahrscheinlichkeit biegsame Halme werden zu lassen. Im Gegenzug verspricht der Anbieter exzellente Produktionsqualität und hohe Illusionskunst. Zweifel sind erst nach dem Abspann wieder erlaubt. Tauchen Sie vorher auf, haben die Macher etwas falsch gemacht.

Die neue Vox-Serie Milk & Honey funktioniert genau nach diesem Rezept, erstaunlich gut sogar, wenn man die hanebüchene Grundannahme akzeptiert hat, dass da in Brandenburg ein paar junge Männer die wirtschaftlich miserable Lage einer Imkerei zum Anlass nehmen, einen Escort-Service zu gründen und sich fortan zahlungskräftiger Weiblichkeit andienen. Natürlich geht da so einiges schief, woraus sich rasch eine charmante Grundkomik ergibt, die verzeihen lässt, dass nicht jedes Detail in den gegebenen Handlungsrahmen passt.

Für Vox ist Milk & Honey die zweite Serienunternehmung und ein neues Wagnis. Vielleicht nicht so ein großes Wagnis wie Club der roten Bänder, also jene Serie, mit der Vox im Jahre 2015 erstmals bewies, dass man weiß, wie fiktionale Serienproduktion geht. Damals hagelte es Fernsehpreise, und die Quoten bewiesen, dass man auch mit ernsthaften Geschichten um krebskranke Jugendliche und ihren Willen zum Zusammenhalt punkten kann.

Im Vordergrund steht das Leichte, das Gefühlige, das Komische

Milk & Honey ist so etwas wie ein Gegenentwurf zum Club. Statt eines besorgten Blicks auf amputierte Gliedmaßen und Chemotherapieglatzen setzt man nun auf unbedingtes Wohlfühlambiente in Werbeclip-Ästhetik. Die harten Probleme der Existenz existieren nur als Motivationslieferanten. Im Vordergrund steht das Leichte, das Gefühlige, das Komische. Die Protagonisten sind alle sehr schön anzusehen, und es ist immer Sommer.

Für das Wetter konnten sie nichts bei Vox. Es habe bei den Dreharbeiten einfach nicht regnen wollen, sagt Hauke Bartel. Als Head Of Fiction verantwortet er den Inhalt der Serie, und natürlich weiß er, dass niemand in einer Welt lebt, in der alle so schön sind wie bei Milk & Honey. "Wir haben es beim Casting nicht darauf angelegt, im Gegenteil", sagt er und gibt doch zu, vom Lauf der Dinge verführt worden zu sein. "Dass es jetzt so gekommen ist, nehmen wir gerne in Kauf - und jetzt sind wir wirklich begeistert von dem Look."

Bartel weiß die Serie von der Stimmung her zu verorten. "Es wird nicht alles gut, aber es wird auch nicht alles schlimmer", sagt er und skizziert damit den Grundtenor, zu dem natürlich auch der eingangs beschriebene ungeschriebene Vertrag gehört. "Wenn sich beim Schauen der Serie jemand fragt: 'Ein Escort-Service in Brandenburg?' und dann aus Glaubwürdigkeitsgründen nicht mehr weiterschaut, dann haben wir etwas falsch gemacht."

So etwas kann natürlich in die Hose gehen, weshalb man mit Spannung erwartet, wie am Donnerstag die Quoten der beiden Auftaktfolgen ausfallen. Immerhin muss auch ein Erfolgssender wie Vox, der sich zuletzt stets mit Wachstumsmeldungen in einem schrumpfenden Markt hervortun konnte, einkalkulieren, dass sich der Zuschauer auch mal verweigert.

Was passiert also, wenn Milk & Honey floppt? Bernd Reichart hat die Antwort gleich parat. "Dann hoffen wir, dass die Leute zumindest anerkennen, dass es handwerklich in der Umsetzung gelungen ist", sagt der Senderchef, der den Kommerzkanal seit Februar 2013 leitet. "Wir würden uns nicht entmutigen lassen", fügt er hinzu. Zudem wäre im Moment des Scheiterns die nächste Serie schon fast abgedreht.

In der Tat ist Mitte Oktober die erste Klappe für Wann sind wir da gefallen, eine als turbulent angekündigte Familienserie mit Jürgen Vogel und Bettina Lamprecht. Und das vierte Serienprojekt hat man bei Vox auch bereits im Visier.

"Wir trauen uns an alles ran."

"Die Marke Vox kann jedes Genre integrieren und erobern. Wir trauen uns an alles ran", behauptet Reichart. Er kann das sagen, weil sein Sender einen exzellenten Ruf genießt und in der Nische der so genannten kleinen Privatsender immer wieder die qualitative Marktführerschaft übernimmt und vor allem weibliche Zuschauer für sich einzunehmen weiß.

Und manchmal sogar auch die Marktführerschaft nach Zahlen. So punktet aktuell die neue Staffel von Die Höhle der Löwen mit herausragenden Quoten, macht der Kochwettstreit Kitchen Impossible am als schwierig geltenden Sonntagabend selbst mit Wiederholungen eine gute Figur gegen den übermächtigen Tatort, und gerade hat der Sender die nächste Staffel von Sing meinen Song! angekündigt. Zudem kehrt TV-Koch Steffen Henssler nach kurzer Desertation von Pro Sieben zurück und wird im kommenden Jahr wieder Grill den Henssler übernehmen - in veränderter Form. "Wir werden das Format noch mal auf links drehen und neu aufsetzen", sagt Reichart.

In seinen bisherigen Jahren bei Vox hat er weit über 100 neue Eigenproduktionen angeschoben. Darunter waren vielleicht drei oder vier, die er im Nachhinein für misslungen hält. Welche das sind, will er nicht sagen. "Ich finde aber, dass das ein gutes Verhältnis ist", sagt er und sieht das Scheitern auch als eine Art Gradmesser: "Wenn wir ein komplettes Jahr ohne Zuschauerwatschen hinter uns brächten, müssten wir uns fragen, ob wir forsch genug ausprobiert haben."

Milk & Honey, Vox, in Doppelfolgen, ab 21.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018/jmau
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