Vor Gericht: Generalsekretärin versus ARD:Klage wegen Mobbings

Kein Platz auf Augenhöhe? Die ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann streitet mit ihrem Arbeitgeber vor Gericht: Der Grund soll Mobbing sein.

Claudia Tieschky

Es hatte schön begonnen, und immerhin ging es um das ehrgeizige Ziel, noch mehr Struktur in den Senderverbund ARD zu bringen, in dem oft viele durcheinanderreden und der Vorsitz alle zwei Jahre wechselt.

ARD-Generalsekretärin klagt gegen ARD wegen Mobbings

Streit um einen Vertrag: ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann klagt offenbar gegen ihren Arbeitgeber. Es geht um Schadensersatz, Schmerzensgeld und Mobbing.

(Foto: dpa)

Ein Generalsekretariat mit einem Stab an Mitarbeitern sollte die Kontinuität der Geschäfte sichern, planten die Intendanten. Es war die Zeit, als Jobst Plog noch den NDR regierte, Fritz Pleitgen den WDR und Peter Voss den SWR. Zeiten, in denen die ARD aber auch schon in Bedrängnis war: erschüttert vom Schleichwerbeskandal, und die Finanzierung komplett infrage gestellt von der EU-Kommission in Brüssel. Ein verlässlicher Ansprechpartner für Politik, Verbände, Institutionen, ein ARD-Außenminister, sollte das System stabilisieren.

Viel Lob gab es dann für die Frau, auf die im April 2006 die Wahl fiel. Betraut wurde die Juristin Verena Wiedemann, die bis dahin als Lobbyistin für die ARD in Brüssel tätig war. Als Sitz des Generalsekretariats wählte man das Haus der Bundespressekonferenz, eine repräsentative Adresse.

Wiedemann sei eine "hochintelligente und brillante" Verfechterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, berufen mit dem "einhelligen Votum" aller Intendanten und Gremien, erklärte der damalige ARD-Vorsitzende, Thomas Gruber vom BR. Die Neue kam mit einer gehörigen Reputation.

Beschnittene Kompetenzen

Fünf Jahre später ist der Plan gescheitert. Das Verhältnis zwischen Verena Wiedemann und den ARD-Hierarchen ist offenkundig zerrüttet. Statt das Chaos in der ARD zu ordnen, ist sie auf dem Posten untergegangen. Einen Platz auf Augenhöhe der Intendanten hat sie nicht gefunden.

Der Streit wird inzwischen vor dem Arbeitsgericht Berlin ausgetragen, am Montag dieser Woche scheiterte eine Güteverhandlung. Wiedemann klagt nach Auskunft des Gerichts gegen die ARD auf Schadensersatz und Schmerzensgeld - und erhebt in diesem Zusammenhang Mobbingvorwürfe: Man habe ihre Kompetenzen beschneiden wollen. Am 30. Juni endet ihr Vertrag, die Beziehung zum Senderverbund ist am Anschlag. Sie soll durch den Streit erkrankt sein.

Die ARD, in der die WDR-Intendantin Monika Piel derzeit den Vorsitz führt, wies am Dienstag alle Vorwürfe zurück. Die Behauptungen seien "nicht nachvollziehbar und aus der Luft gegriffen". Ihr Vorgänger als ARD-Chef, Peter Boudgoust vom SWR, habe Wiedemann vielmehr im Juni 2010 "fristgerecht erklärt", dass man den Dienstvertrag mit ihr "vertragsgemäß" fortsetzen wolle: "Hierzu hat sich Frau Dr. Wiedemann bislang nicht geäußert. Dieses Angebot gilt unverändert fort." ARD-Kreisen zufolge nahm an dem Treffen damals allerdings neben Boudgoust auch die WDR-Intendantin teil, Monika Piel.

Eine Rolle im Streit spielt wohl auch, dass das Generalsekretariat umziehen soll - vom repräsentativen Schiffbauerdamm zum RBB, dem es verwaltungstechnisch zugeordnet ist. Der Umzug in die vorhandenen Räumlichkeiten beim RBB habe "einzig und allein mit den notwendigen Sparbemühungen der ARD zu tun", erklärt SWR-Chef Boudgoust auf Anfrage. Es gehe hierbei um das Einsparen von Mietkosten, nicht um die Zukunft des Generalsekretariats.

Wiedemann selbst wollte sich am Dienstag nicht zur Sache äußern. Aus ihrem Umfeld ist zu hören, sie habe wohl den Eindruck gewonnen, bald nachdem Plog und Pleitgen aus dem Amt geschieden waren, hätten mächtige ARD-Manager den Posten am liebsten wieder abgeschafft, den sie als unliebsame Konkurrenz betrachtet würden.

Irritierte ARD-Gremien

Sicher ist, dass die ARD, die für sich mit dem schönen Slogan wirbt "Wir sind eins", keinen Mangel an profilierungswilligem Führungspersonal hat. Ob Wiedemann nach Mobbingart kaltgestellt wurde, müssen nun die Richter klären. Die ARD-Vorsitzende Piel teilte am Dienstag mit, die Frage nach einer Abschaffung des ARD-Generalsekretariats stelle sich nicht.

Tatsache ist, dass die Generalsekretärin in der ARD zuletzt keine Rolle mehr gespielt hat, nicht einmal mehr bei Pressekonferenzen nach Intendantensitzungen war sie dabei. Ihr Name tauchte höchstens noch auf, wenn sie in der Presse Gastbeiträge über die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verfasste.

Auch die Gremien der ARD sind irritiert. Sie haben von den Intendanten Auskunft verlangt in Bezug auf die künftige Rolle der Einrichtung Generalsekretariat. Das Thema steht auf der Tagesordnung der ARD-Hauptversammlung in Stuttgart Anfang April. Ruth Hieronymi, als WDR-Rundfunkratschefin derzeit die oberste Gremienvorsitzende der ARD, sagte der SZ: "Für die ARD ist es eine strukturelle Grundsatzfrage, welche Aufgaben das Generalsekretariat hat."

Vor fünf Jahren hielt man diese Frage eigentlich für geklärt.

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