Vor Gericht: "Focus" vs. Griechenland:Volkes Finger

"Verunglimpfung, Beleidigung, Verleumdung": Eigentlich sollte am Mittwoch in Athen über das Februar-Titelbild des "Focus" verhandelt werden, das die Aphrodite von Milos mit ausgestrecktem Mittelfinger zeigte. Doch der Prozess musste vertagt werden.

Für neun Uhr morgens war der Prozess am Strafgericht in Athen anberaumt, bei dem, wie es in der Vorladung hieß, diverse Autoren der Zeitschrift Focus (Burda), sowie Herausgeber Helmut Markwort und der freie Reisejournalist Klaus Bötig "abgeurteilt" werden sollten. Es dauerte dann bis 14 Uhr, so Bötig, bis das Gericht trotz Streiks einen Protokollführer auftreiben konnte. Bötig selbst war (wie die anderen Beklagten) nicht vor Ort - er ließ sich von seinen Anwälten auf dem Laufenden halten. Zu einem Urteil kam es nicht.

Markwort gibt Leitung des Mediengipfels der Medientage ab

Der Anklage-Brief hatte ihn bis April noch nicht erreicht: "Focus"-Herausgeber Helmut Markwort erschien nicht zum Gerichtstermin in Athen. Der Prozess wurde vertagt.

(Foto: dpa)

Vor etwa drei Monaten hatte der Leitende Oberstaatsanwalt Bremen im Zuge eines Rechtshilfeersuchens aus Griechenland an Bötig geschrieben. Das Schreiben informierte ihn über eine Strafanzeige, die sieben Personen (sechs sollen Anwälte sein) gegen Bötig, diverse Focus-Mitarbeiter und den Herausgeber Helmut Markwort gestellt hatten. Diese, so heißt es in dem Schreiben, werfen "Ihnen und den weiteren Verantwortlichen (...) vor, im Rahmen der Veröffentlichungen der Zeitschrift Focus vom 22.2.2010 beleidigende, diffamierende und unrichtige Behauptungen aufgestellt zu haben".

In besagter Ausgabe hatte das Münchner Nachrichtenmagazin über die drohende Pleite des EU-Mitglieds Griechenland berichtet, das Titelbild zeigte die Aphrodite von Milos mit ausgestrecktem Mittelfinger, ihren Intimbereich bedeckte eine griechische Flagge. Daneben war die Titelzeile "Betrüger in der Euro-Familie" zu lesen. Die Fotomontage sei geeignet, so zitiert das Schreiben die Kläger, die griechische Flagge zu "verunglimpfen". Der Text im Blatt verletze die "Anzeigeerstatter als Teil des griechischen Volks in ihren Rechten".

Zusätzlich - und hier kommt Klaus Bötig ins Spiel - geht es in der Klage um eine Reisegeschichte des Autors, die im selben Zeitraum bei Focus Online erschienen war. Auch dieser Text habe "unwahre Umstände" über Griechenland und die Bevölkerung verbreitet. Dem Schreiben der Bremer Staatsanwaltschaft zufolge können die unterschiedlichen Tatbestände (Verunglimpfung der Symbole des griechischen Staates, Verleumdung, üble Nachrede) mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet werden.

An diesem Mittwoch stellte das Gericht nun lediglich fest, dass gar nicht alle Beklagten eine Vorladung bekommen hätten. Der Burda-Verlag bestätigte dies auf Anfrage. Focus-Herausgeber Helmut Markwort hatte im April erklärt, bisher kein Schreiben erhalten zu haben, an diesem Mittwoch war Markwort nicht zu erreichen. Das Gericht hat sich derweil auf den 19. August vertagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: