"Vom Ende der Liebe" in der ARD:Glücklich wird hier niemand mehr

Gegen das heterosexuelle Mainstreamglück: Anja Kling und Bernhard Schir zeigen in der ARD, wie eine ganz normale Familienidylle zerreißt. Und zwar nur, weil der Moment passiert ist, in dem jede Aussage zum Gegenteil wird.

Barbara Gärtner

Fernsehen macht spießig. Wenn der Verstand auf dem Sofa ruht, dringt so ein 20.15-Uhr-Film offenbar in die wertkonservativsten Winkel der Seele: Am Ende sollen sich alle ewiglich lieb haben; Mama, Papa und die Kleinen durchs helle Haus toben, eben das fulminante heterosexuelle Mainstreamglück.

Vom Ende der Liebe

Schluss mit Pflichtsex und Bäumepflanzen: Sonja (Anja Kling, rechts) hat ihren Mann gehen lassen.

(Foto: SWR/Stephanie Schweigert)

Wahrscheinlich Konditionierung. Jahrzehntelang wurde man als braver Betrachter ja gefüttert mit fadem Filmbrei, zusammengerührt aus einem synthetischen Liebesideal und Figuren, deren moralische Orientierung an der Haarfarbe abzulesen war.

Deshalb ist es ungewohnt ungemütlich, Sonja und Lukas beim Trennen zuzuschauen. Vom Ende der Liebe heißt der SWR-Fernsehfilm und er erzählt genau dies: Wie zwei sympathische Menschen nach 16 Jahren Beziehung auf die fiese Frage "Liebst du mich eigentlich noch?" keine zackige Antwort mehr finden.

Dabei könnte alles so vorabendserienschön sein. Gerade noch hieven die Umzugshelfer die letzten Kisten in die strahlend weiße, noch eingerüstete Mittelstandsvilla; die Räume sind sonnengeflutet, da ist ein Bach, ein Baumhaus, die Kinder toben durchs Grün. Alles riecht frisch gestrichen, nur die Enttäuschungen sind die alten.

Er, der Cordjacken-Journalist mit Redaktionsleiterambitionen sorgt sich eben mehr um Erdbeben anderswo als um den Familienfrieden, während die Ehefrau eben nur so lange tapfer und patent ist, bis der Mann endlich zur Tür hereinkommt und sie zur Vorwurfsfurie mutiert: "Früher wäre dir das nicht passiert. Früher wärst du pünktlich gekommen.

Dann hättest du mich in den Arm genommen und gesagt: Schön siehst du aus, so verschwitzt." In dieser Beziehung ist der Moment schon passiert, in dem sich jede Aussage in ihr Gegenteil verkehrt, der Moment, an dem man es dem anderen einfach nicht mehr recht machen kann.

Aber so einfach ist es nicht

Sonja und Lukas probieren es noch eine Weile, mit Pflichtsex und Bäumepflanzen, doch irgendwann ist Schluss. Er zieht aus, sie wollen Freunde bleiben - die Kinder, na klar. Das sagen sich wahrscheinlich viele Paare, dieses Lass-es-uns-anders-machen. Wie schwer das ist, spielen Anja Kling und Bernhard Schir angenehm zurückhaltend.

Überhaupt meidet das Buch von Harald Göckeritz jeden überspannten lippenstiftroten Trennungseffekt: keine junge Geliebte, kein neuer Mann - und demnach ist auch weder Lukas noch Sonja eindeutig schuld am Erfrieren dieser Liebe. Es passiert halt, die Kinder leiden, besonders Teenager Nele. Und weil Kinder wie Fernsehzuschauer sind, tief drinnen ziemlich konservativ, hadert man lange mit, bei diesen ermüdenden Spiralen aus Aggression und Beleidigtsein.

Regisseur Till Endemann verdichtet die Handlung in wenige exemplarische Konfliktszenen. Glücklich wird hier niemand mehr. "Denkt doch an die Kinder!" raunt die Schwiegermama. Und es wirkt, als würde der Film nachträglich im Debattenaufreger des vergangenen Monats um Die Patchwork-Lüge - losgetreten von der streitschriftschreibenden Melanie Mühl - all jenen recht geben, die fordern, dass sich Paare gefälligst zum Wohle des Nachwuchs zusammenraufen sollen. Aber so einfach ist es nicht. Ist es nie, wenn der Moment passiert ist, in dem jede Aussage zum Gegenteil wird.

Vom Ende der Liebe, ARD, 20.15 Uhr.

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