Journalismus:Die sechste Frau

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In der US-Vogue nicht im Bild: Kandidatin Marianne Williamson bei der TV-Debatte Ende Juni. (Foto: Saul Loeb/AFP)

Die amerikanische "Vogue" porträtiert fünf Frauen, die für die Demokraten in den US-Wahlkampf ziehen wollen. Eine Kandidatin fehlt - und ist empört.

Von Theresa Hein

Frauen an die Macht? Die US-Zeitschrift Vogue hat in einem aufwendigen Text die Anwärterinnen für die Präsidentschaftskandidatur 2020 porträtiert und dafür in der neuen Ausgabe gleich fünf Frauen in Szene gesetzt. Fünf? Moment!

Amy Chozick, Journalistin der New York Times, traf die vier Senatorinnen Amy Klobuchar, Kirsten Gillibrand, Elizabeth Warren und Kamala Harris sowie die Abgebordnete des Repräsentantenhauses Tulsi Gabbard und sprach mit ihnen sie über die Herausforderungen des Wahlkampfes. Kultfotografin Annie Leibovitz hatte die fünf Frauen dafür in einem lichtdurchfluteten Raum mit sehr viel Holz dabei fotografiert, wie sie sich gegenseitig anlächeln und High Fives geben. Was lächerlicher klingt, als es dann aussieht, nämlich tatsächlich irgendwie würdevoll und symbolisch. Wie ein Statement: Diese fünf Frauen also sind es, die in den US-Wahlkampf 2020 ziehen und Präsident Trump ablösen wollen.

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Allerdings sind aktuell nicht nur fünf Frauen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten im Rennen. Sondern sechs. Die sechste ist die nicht unumstrittene Autorin Marianne Williamson, die im Januar angekündigt hat, auch sie werde sich um die Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten im Jahr 2020 bewerben. Williamson, bekannt als Autorin von Bestsellern im Genre der Selbsthilfeliteratur und erfolgreiche Beraterin von Talkmasterin Oprah Winfrey, wird im Vogue-Artikel zwar erwähnt. Allerdings ist sie weder auf dem Foto abgebildet, noch für den Text interviewt worden.

Leser des Artikels erfuhren also kaum etwas über Williamson, die in der Nacht der TV-Debatte der demokratischen Kandidaten Ende Juni in den USA die meistgesuchte Person auf Google war und sich selbst in einem Artikel des People-Magazins einmal "Bitch of God" nannte. Williamson versucht ihr Publikum eher mit emotionalen Statements zu überzeugen als mit politischer Erfahrung. So sagte sie während der TV-Debatte der beste Weg, Donald Trump zu besiegen, sei: "Liebe".

Auch ihre Reaktion darauf, dass sie von der Vogue unterschlagen wird, zeugt von Emotion. Nein, sie sei nicht gefragt worden, sagte sie in einem Interview mit dem Sender CNN , sondern Online auf den Artikel gestoßen. Zusätzlich schrieb sie auf Instagram: "Vogue ist nicht Türhüterin des US-amerikanischen politischen Prozesses, deren Aufgabe es ist zu bestimmen, wer ein geeigneter Politiker ist und wer nicht." Und klang auch sonst nicht allzu versöhnlich.

Die Leserinnen erfahren kaum etwas über die Kandidatin, die sich "Bitch of God" nennt

Die Gründungsväter hätten selbst in die Verfassung geschrieben, wer ein Recht habe, sich um eine Kandidatur zu bewerben: "Jemand, der hier geboren ist, jemand, der älter ist als 35 Jahre und jemand, der hier schon länger als 14 Jahre lebt. "Hätten sie mehr dazu zu sagen gehabt, hätten sie es getan", schreibt sie. Danach kritisiert sie eine Diktatur des Establishments, die sie sowohl in großen Firmen, in der Politik, aber auch den Medien bestätigt sieht.

Die Vogue veröffentlichte wenig später ein Statement, in dem es hieß, man habe sich entschieden, nur die Frauen zu porträtieren, die bereits Mandatsträgerinnen seien - also einen Sitz im Senat oder im Repräsentantenhaus innehaben - und die gemeinsam auf 40 Jahre Erfahrung im Kongress zurückblicken könnten.

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Die Journalistin Amy Chozick wiederum beteuerte in einem CNN-Interview: Man habe die Erfolge von Williamson nicht herunterspielen wollen und nehme ihre Kandidatur ernst. Sie erklärt die Entscheidung mit der Terminplanung: Das Foto sei bereits im April entstanden, als man noch nicht genau habe wissen können, auf wie viele Frauen sich die Kandidatur beschränkt. Nachträglich boten die Journalistin Chozick und das Magazin versöhnlich an, Williamson zu interviewen.

Ein historisches Frauenfoto sollte es werden - jetzt ist mal wieder die Rede vom "Zickenkrieg"

"Ich finde es schade, dass dieses historische Foto - in dem historischen Jahr, in dem wir uns befinden, in dem Jahr, in dem sich sechs Kandidatinnen mit reellen Chancen um das Amt der Präsidentin der Vereinigten Staaten bewerben - nun Gegenstand der Inszenierung eines 'Zickenkrieges' wird, eines Bildes, das Frauen immer verfolgt. Das ist sehr unglücklich", sagte Amy Chozick.

Marianne Williamson sagte dem Sender CNN später, die Vogue sei mit dem Interviewangebot bereits wieder zurückgerudert. Und versuchte es mit Galgenhumor. Auf Instagram postete sie eine bearbeitete Version des Leibovitz-Fotos, auf dem sich die fünf interviewten Frauen anstrahlen. Im Hintergrund aber unübersehbar, in ein Bild and der Wand hineingephotoshoppt, lächelt die sechste Frau: Marianne Williamson.

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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