Vierte Staffel "Homeland":Nah am Abgrund

Claire Danes in Homeland

Carrie Mathison (Claire Danes) bei der Arbeit: Sie macht endlich das, was sie gelernt hat.

(Foto: 20th Century Fox Home Entertainm)

Achtung, Spoiler: In den Vereinigten Staaten ist gerade die vierte Staffel der Serie "Homeland" angelaufen. Sie startet vielversprechend, doch bald tauchen alte Probleme auf - und Gerüchte um ein Comeback.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Achtung, Spoiler: Dieser Text thematisiert die ersten drei Staffeln der Serie Homeland und beinhaltet auch einige Details der gerade in den Vereinigten Staaten gestarteten vierten Spielzeit.

Es ist ein beliebtes und mitunter auch recht nerviges Stilmittel bei Fernsehserien, während der letzten Folge einer Spielzeit anzudeuten, dass eine der prägenden Figuren gestorben sein könnte. Es soll eine Mischung aus schockierender Überraschung und plumper Verführung sein, damit der Zuschauer zur nächsten Saison wieder einschaltet, um Antworten auf zwei Fragen zu bekommen: Ist diese Figur nun wirklich tot? Und wie geht die Handlung ohne sie weiter?

Alex Gansa, der Erfinder von Homeland, hat sich am Ende der dritten Spielzeit dieses Stilmittels bedient: Er hat Nicholas Brody (gespielt von Damian Lewis), Gegenspieler und gleichzeitig Liebhaber der Protagonistin Carrie Mathison (Claire Danes), hinrichten lassen - was von den Anhängern der Serie durchaus kontrovers diskutiert wurde: Die einen vermuteten, dass Homeland durch das Fehlen dieser charismatischen und ambivalenten Figur an seinem Ende angelangt sei. Die anderen argumentierten, dass die dramatische Handlung, die in der vergangenen Spielzeit bisweilen in den Bereich der politischen Seifenoper abgerutscht war, nun wieder an Dynamik gewinnen könne.

Die vierte Staffel, von der die ersten beiden Folgen in den Vereinigten Staaten am Sonntag auf dem Bezahlsender Showtime zu sehen waren, beginnt etwa ein Jahr nach Brodys Tod. Mathison hat das gemeinsame Kind mit Brody an ihre Schwester in Virginia übergeben und arbeitet mittlerweile im CIA-Büro in Kabul.

Sie befragt Gefangene, ordnet Drohnenangriffe an und ist dabei derart effektiv, dass sie von ihren Mitarbeitern zum Geburtstag einen Kuchen mit der Aufschrift "The Drone Queen" bekommt. Natürlich feiert sie ihren Ehrentag mit Wein und Pillen, statt heulend und verzweifelt sieht der Zuschauer sie nun wieder mit diesem falschen Lächeln.

Von der Brody-Affäre emanzipiert

Die Serie emanzipiert sich sogleich von der komplizierten Beziehung zwischen Mathison und Brody, führt neue Charaktere ein (den Studenten Ayaan oder die Botschafterin Martha Boyd) und gibt bekannten Nebenfiguren (Peter Quinn) mehr Platz zur Entwicklung. Thematisch wird die politisch interessante Frage über die Konsequenzen von Drohnenangriffen aufgeworfen - cineastisch herausragend verarbeitet durch den Moment, in dem der Zuschauer über einen Monitor ohne Ton beobachten muss, wie unbemannte Flugzeuge ein Haus in die Luft jagen.

Die CIA scheint der einzige Ort zu sein, an dem die paranoide Mathison funktionieren kann, das zeigt sich auch und vor allem bei ihrer Rückkehr nach Virginia: Sie hält ihr eigenes Kind so, wie andere Menschen eine Handgranate halten würden, sie träumt nicht nur davon, das Baby zu ertränken - sie versucht es tatsächlich.

Das Subtile ist nicht die Sache von Homeland, wenn da ein Auto auf eine Klippe zurast, dann sorgt Erfinder Gansa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür, dass es nicht nur hinunterstürzt, sondern am Boden auch noch gewaltig explodiert und für eine politische Krise sorgt.

Übertrieben, unglaubwürdig, überflüssig

Es hat derzeit den Anschein, dass sich die Serie - wie oftmals auch in den vergangenen drei Spielzeiten - nahe an jenem Abgrund bewegt, an dem sie ihre innere Logik verliert und damit nicht mehr sehenswert wird. Die vierte Staffel beginnt herausragend und vielversprechend, driftet dann jedoch wieder ab ins Übertriebene, Unglaubwürdige, Überflüssige.

Das Fehlen von Brody hilft der dramatischen Entwicklung der Serie; Gansa sagt dazu: "Als wir die Serie dem Sender vorgeschlagen haben, dachten wir, dass die Geschichte von Brody eine Spielzeit lang dauern würde - er hat deshalb so lange durchgehalten, weil er eine faszinierende Figur war und Lewis ein herausragender Darsteller. Eigentlich wollten wir Carrie Mathison in der zweiten Staffel nach Übersee schicken und ihr dabei zusehen, wie sie das tut, wozu sie ausgebildet wurde."

Im Grunde kehrt Homeland damit zurück ans Ende der ersten Staffel, was zunächst einmal ein gutes Zeichen ist. Verwirrend erscheint dabei nur, dass sich Gansa dann doch nicht komplett von Brody lossagen kann. Damian Lewis wurde kürzlich am Set in Südafrika gesichtet, was sogleich für Gerüchte sorgte: Wird es Rückblenden geben und damit die Auflösung, was für ein Mensch dieser Brody wirklich war? Oder ist er womöglich gar nicht tot? Wie auch immer, die Figur ist immer noch präsent, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein muss.

In einer der kommenden Folgen wird Mathison nach dem erfolgreichen Anwerben eines Informanten sagen: "Ich habe es immer noch drauf!" Ob das auch für die komplette Serie gilt, ist derzeit noch nicht abzusehen.

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