Verleger will "Mein Kampf" publizieren:Hitler am Kiosk

Der britische Verleger Peter McGee will einen Auszug aus Adolf Hitlers "Mein Kampf" veröffentlichen. Nicht zum ersten Mal macht er sich damit das bayerische Finanzministerium zum Gegner. Es steht Pressefreiheit gegen Propagandaverbot. Aber auch die Wissenschaft mischt sich ein.

Willi Winkler

Dem Bayerischen Finanzministerium mangelt es nicht an Transparenz. "Der Freistaat Bayern", so heißt es auf der Website, "ist Eigentümer von 157.000 Flurstücken und 11.000 Gebäuden".

Hitlers ´Mein Kampf" am Zeitungskiosk?

In der Sammeledition Zeitungszeugen könnte bald auch ein Auszug aus "Mein Kampf" in kommentierter Fassung erscheinen. Es sei denn, das bayerische Finanzministerium weiß dies zu verhindern.

(Foto: dpa)

Der Freistaat, so geht der Text gemütlich weiter, "ist sein eigener Immobilienmakler und Hausverwalter, gelegentlich auch Städteplaner oder sogar Gärtner". Dafür sei das Finanzministerium federführend, das "auch alle sonstigen Vermögensinteressen des Staates" wahrnehme.

Zu diesen Interessen gehört die nicht ganz kleine Peinlichkeit eines weltberühmten Buches, das 1925 in zunächst bescheidener Auflage herauskam, sich aber bald vom Geheimtipp zum nationalen Bestseller entwickelte, der in mehr als zehn Millionen Exemplaren verbreitet war.

Der Verfasser zeigt sich von der alten Geschichte bis zur aktuellen Geldmarktpolitik auf vielen Gebieten beschlagen, doch sein Herz scheint an nichts mehr als an einer ordnungsgemäßen Fortpflanzung zu hängen. "Jedes Tier paart sich nur mit einem Genossen der gleichen Art", weiß der Autor zu berichten. "Meise geht zur Meise, Fink zu Fink, der Storch zur Störchin, Feldmaus zu Feldmaus, Hausmaus zu Hausmaus, der Wolf zur Wölfin usw."

Der Paarforscher hieß natürlich Adolf Hitler, der damit versuchte, die angebliche Überlegenheit der nordischen Rasse zu begründen. Sein Buch Mein Kampf erreichte die legendär hohe Auflage vor allem dadurch, dass im "Dritten Reich" die Brautleute auf den Standesämtern mit diesem biologisch-dynamischen Fingerzeig von ganz oben ins gemeinsame Leben entlassen wurden.

Angefochtener Titel

Der Autor, der sein Werk auch als Bekenntnis verstand, als Begründung für seinen Beschluss, "Politiker zu werden", wurde damit so reich, dass ihn das Münchner Finanzamt von der Steuerpflicht befreite und ihm damit die Möglichkeit gab, den Obersalzberg zu einer luxuriösen Ferienresidenz auszubauen.

Mein Kampf erschien im Münchner Verlag Franz Eher Nachf., der Verfasser war bis zu seinem letzten Tag in der "Hauptstadt der Bewegung" gemeldet, deshalb wurde nach dem alliierten Besatzungsrecht 1948 das Vermögen Hitlers und seiner NSDAP auf den Freistaat Bayern übertragen, der damit Inhaber des Urheberpersönlichkeitsrechts von Hitler sowie der Verwertungsrechte an Mein Kampf geworden ist.

Dieser Titel ist mehrfach angefochten, aber bis heute immer wieder verteidigt worden. Das heißt, dass den Erben aus Hitlers Familie keinerlei Tantiemen aus dem einst so ertragreichen Werk zustehen. Als alleiniger Rechteinhaber erlaubt der Freistaat Bayern allerdings auch keine deutschsprachige Ausgabe von Mein Kampf und geht zivil- wie auch strafrechtlich gegen Verletzungen dieses Urheberrechts vor.

Propagandist der Pressefreiheit

Auf diplomatischem Weg wird versucht, auch Ausgaben in anderen Sprachen und Ländern zu unterbinden. "Das Buch", so die Begründung des zuständigen Ministeriums schon vor Jahren, "ist nicht einfach ein Stück Literatur, sondern war vor allem ein zentrales Symbol der Nazis. Es beschwört böse Erinnerungen herauf . . .".

Der britische Verleger Peter McGee, der recht gut weiß, dass sich alles mit der Aufschrift "Nazi" nach wie vor bestens verkauft, handelt selbstverständlich mit bester aufklärerischer Absicht. Ende des Monats will er einen 15-seitigen Auszug aus Mein Kampf mit Begleitmaterial an die deutschen Kioske bringen.

McGee ist nicht ohne Erfahrung in diesem Geschäft: Vor drei Jahren brachte er Faksimile-Ausgaben der nationalsozialistischen Zeitungen Völkischer Beobachter (VB) und Der Angriff heraus, ummäntelt von vergleichsweise sparsamen Kommentaren und hochkarätig betreut von einem Beratergremium, dem so angesehene Zeithistoriker wie Hans Mommsen und Peter Longerich angehören.

Als das bayerische Justizministerium 150.000 Exemplare des VB beschlagnahmen ließ, konnte sich McGee als Propagandist der Pressefreiheit brüsten, denn er würde ganz schlimm zensiert. Nach einem Streit durch zwei Instanzen konnte das Finanzministerium zwar sein Recht behaupten, musste aber die beschlagnahmten Exemplare freigeben und den Verkauf erlauben.

Konkurrierende und wissenschaftliche Interessen

Soweit soll es diesmal nicht kommen, denn noch gilt das Verbot der Wiederverbreitung nationalsozialistischer Propaganda. Es tun sich dabei jedoch nicht nur juristische Fallen auf, es melden sich auch konkurrierende und sogar wissenschaftliche Interessen. Während das Finanzministerium hart bleibt und gegenwärtig "juristische Schritte" prüft, um gegen die geplante Veröffentlichung vorzugehen, wünschte sich Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) bereits vor zweieinhalb Jahren eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe, damit sich nicht "Scharlatane und Neonazis dieses Schandwerks bemächtigen, wenn das Urheberrecht des Freistaats Bayern abgelaufen ist".

Genau diese historisch-kritische Ausgabe entsteht derzeit am ebenfalls in München beheimateten Institut für Zeitgeschichte, das wiederum von der Bundesrepublik Deutschland und mehreren Bundesländern, darunter Bayern, getragen wird. Der Sprecher des Finanzministeriums kündigt ungerührt eine "restriktive Haltung" an, die sich auch auf eine "kommentierte Neuauflage" beziehe. Das kann also noch heiter werden. Peter McGee darf sich schon auf den Propaganda-Erfolg rund um seinen Kampf für den Autor Hitler und die Pressefreiheit freuen.

Bei allem Respekt vor Hans Mommsen und Peter Longerich: Die scharfsinnigste Analyse von Mein Kampf stammt von Helmut Qualtinger, die übrigens im gutsortierten Fachhandel ganz legal als Doppel-CD zu erwerben ist. Nach diesem Hörbild wird jedenfalls niemand dem Vorbild des Autors folgen und beschließen, Politiker zu werden. Peter McGee aber wird der Kompetenzwirrwarr so wenig kümmern wie Qualtingers umwerfende Hitler-Parodie.

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