Vegane Zeitschriften:Sei kein Kälbchen

Cover Noveaux

Dass das Magazin Noveaux Mode und Make-up ohne Öko-Look zeigt, sieht man schon am Titelbild.

(Foto: Noveaux)

Selbstironie statt Moralkeule - das ist das Konzept von veganen Magazinen wie "Noveaux" und "Vegan Good Life". Nachhaltigkeit wird hier ganz nebenbei zur normalsten Sache. Kritiker finden wohl trotzdem etwas zu meckern.

Von Kathrin Hollmer

Müssen Veganer eigentlich Yoga machen? Mit dieser naiven Frage, versteckt auf einer Doppelseite mit einem Selbstversuch im Yogakurs, lässt sich das Magazin Noveaux (6,90 Euro, Grüner-Sinn-Verlag), das am 6. März zum ersten Mal erschienen ist, vielleicht am besten beschreiben. Die Frage zeigt, dass die Redaktion ihre Hauptzielgruppe und am Ende sich selbst nicht so ernst nimmt. Das ist sympathisch bei einem Thema, das seine Anhänger zuweilen gerne zu Moralpredigten verführt.

"Statt Verzicht und Betroffenheit stehen bei uns die schönen Dinge des Lebens im Mittelpunkt", schreibt die Gründerin und Chefredakteurin Julia Akra-Laurien, 34, im Editorial. Die "schönen Dinge", das sind in diesem Fall vegane High Heels und veganer Nagellack für, diese Alliteration muss sein, "faire Fashionistas". Im Editorial wird außerdem erklärt, dass der Titel Noveaux nicht etwa ein Schreibfehler ist und eigentlich nouveaux (die Neuen) heißt, sondern sich aus dem englischen no und dem französischen veaux (Kälber) zusammensetzt, weil Kalbsleder das beliebteste Leder für hochwertige Schuhe sei.

Noveaux enthält erfrischend viele Ideen zwischen Service und Lifestyle, Hintergründe fehlen am Ende aber nicht. Im Interview mit Mona Schmadl, einer Sprecherin der Marke Esprit, die eine lederfreie Kollektion von Damen-Sneakers auf den Markt gebracht hat, wird auch kritisch gefragt ("Ist die vegane Schuhkollektion ein Mittel, um das Image der Marke aufzupolieren?"). Im Ressort "Reflexion" denkt die Autorin über die Gefahr nach, die droht, wenn Veganer sich über spezielle Partner- und Jobbörsen, eigene WGs, eigene Partys und sogar ein eigenes Comedy-Festival in einer Parallelgesellschaft abschotten.

Das Mini-Porträt über die Designerin Elora Hardy, die auf Bali aufwuchs, in New York Karriere machte und schließlich in ihre Heimat zurückging, um Häuser aus Bambus zu bauen, hätte man sich als große Reportage gewünscht. Von den Fleischessern und Veganern, die über ihre gemischtkonfessionelle Partnerschaft sprechen, gerne noch mehr.

Zwischen opulenten Modestrecken und Seiten mit Accessoires und Kosmetik gibt es Spielereien wie einen Entscheidungsbaum ("Sind Sie ein Gutmensch?") und einen knappen Produkttest mit pflanzlichem Aufschnitt - leider aber auch Frauenzeitschriften-Schrecklichkeiten wie Do-it-yourself-Seiten, auf denen man lernt, wie man ein Peeling mit Meersalz anrührt und seine Fingernägel kunstvoll anmalt. Im Heft werden Persönlichkeiten der veganen Szene vorgestellt, zu denen die Autoren teils selbst gehören: wie die Köchin und Kochbuchautorin Sophia Hoffmann (Sophias vegane Welt) und die Bloggerin und Buchautorin Franziska Schmid (veggie-love.de). Chefredakteurin Julia Akra-Laurien arbeitete zuvor als Kampagnen-Leiterin bei einer Anti-Pelz-Aktion für Animals Liberty.

Ein bisschen weniger "garantiert Öko-Latschen-frei" und "Wer wirklich noch denkt, dass Veganer Jutesäcke und Hanfpullis tragen" hätte Noveaux gut getan. Zu oft wird betont, dass hier Make-up und Mode ohne Öko-Look gezeigt werden. So durchgestylt, wie das Heft schon auf dem Cover aussieht, lässt es sowieso keinen Zweifel. Die Facebook-Rubrik "Das Gleiche in Grün", die die Redaktion vorab eingeführt hat, transportiert dieselbe Botschaft viel charmanter: Leser schicken ihre Lieblingsjeans oder -handtasche ein, die Redaktion empfiehlt vegane Alternativen. Trotzdem ist Noveaux ein leichtes wie auch hintersinniges Heft geworden.

Nach einer Welle zunächst vegetarischer und bald veganer Food-Magazine erscheinen gerade die ersten Magazine, in denen es um ein komplett veganes Leben geht: mit tierfreier Kleidung, Kosmetik und sogar veganen Klebebindungen. Obwohl einer Umfrage von 2014 zufolge nur etwa ein Prozent der Deutschen als Veganer oder weniger streng als "Flexi-Veganer" lebt, scheint der Boom veganer Magazine und Bücher kein Ende zu nehmen. Noveaux erscheint mit einer Druckauflage von 15 000 Exemplaren, ebenso Vegan Good Life (6,90 Euro, Vegan Good Life GmbH), das im Februar zum ersten Mal im Zeitschriftenregal lag. Gründer und Chefredakteure sind Julia Koch, die nach ihrer Modelkarriere ein Agrarwissenschaftsstudium begonnen hat, und der Redakteur und Fotodesigner Eric Mirbach.

Vegan Good Life Cover

Die Erstausgabe von Vegan Good Life mutet edler und opulenter an - vielleicht irritierend opulent.

(Foto: Vegan Good Life)

Das Cover von Vegan Good Life ähnelt dem von Noveaux. Beides sind hochwertige Magazine, Noveaux wirkt bunter und illustrierter, Vegan Good Life edler, opulenter und teurer: so opulent, dass das nachhaltige Thema fast in den Hintergrund rückt. Wenn man sich Mühe gibt, kann man das sicher verteufeln. Oder man kann sich einfach freuen, dass Nachhaltigkeit hier ganz nebenbei zur normalsten Sache wird.

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