Süddeutsche Zeitung

Schauspielerin Valerie Huber:Jetzt mal im Ernst

Pilcherproduktionen, Herzkino, Pferdefilme: Valerie Huber, 24, kennt man vor allem aus deutschen Fernsehromanzen, die am liebsten ihre Oma schaut. Wie sich die Schauspielerin da gerade herausarbeiten will.

Von Elisa Britzelmeier

Valerie Huber glaubt, dass man zuerst an ein Klischee denkt, wenn man sie sieht. Jung, blond, hat mal gemodelt. Ist bestimmt unfreundlich und arrogant. Für ein Treffen hat die Schauspielerin ein Kaffeehaus ausgewählt, eines der typischen, alten Wiener Kaffeehäuser mit hohen Decken, unfreundlichen Kellnern und Wikipedia-Eintrag. Weil sie Historisches mag, und weil das in Wien ein Ort ist, an dem sich auch junge Leute treffen, sagt Valerie Huber. Da sitzt sie nun, überpünktlich, mit Brille und Wollpulli in einer ruhigen, etwas düsteren Nische, der Deckenleuchter brennt nicht. Valerie Huber fragt also erst mal den Kellner, ob er das Licht anmachen könne, "das wär' super, vielen, vielen Dank!"

Valerie Huber, 24, hat bei Rosamunde Pilcher mitgespielt und in der RTL-Serie Nachtschwestern, im Pferdefilm Immenhof war sie im Kino zu sehen und am Sonntagabend wieder im ZDF, in Ein Sommer auf Mykonos. Herzkino. Mutter und Tochter machen Urlaub, überraschend taucht der lange nicht gesehene Vater auf. Dazu Sonne, Meer und eine Liebelei mit einem griechischen Polizisten, alle sprechen perfekt Deutsch, bis auf eine Polizistin mit griechischem Akzent, warum auch immer.

Deutsches Fernsehen, zumal am Sonntagabend, das bedeutet ja oft: Romanze oder Krimi. Herzkino oder Tatort. Jedes Element der Handlung wird erklärt, gern auch fünf Mal. Cool ist etwas anderes. Andererseits: Ist das überhaupt wichtig - etwas Cooles spielen?

"Es geht darum, zu unterhalten", sagt Valerie Huber. "Den Pilcher-Film zum Beispiel habe ich auch für meine Oma gemacht. Die hat es geliebt". Typisch deutsches Fernsehen, sagt Huber, sei nicht prinzipiell schlecht. "Es ist sehr hochwertig produziert. Ob ich's mir persönlich anschaue, ist eine andere Frage". Als junger Mensch, wie Valerie Huber einer ist, guckt man eher internationale Produktionen auf Netflix.

Wer jung und blond ist und Hauptrollen in romantischen Filmen spielt, wird leicht in eine Schublade sortiert, aus der womöglich nur schwer wieder herauszukommen ist. Das süße Kitsch-Mädchen. Das Herzkino-Girl. Valerie Huber weiß das. Sie will sich weiterentwickeln, in Filmen mitspielen, die dem Zuschauer mehr zutrauen. Mal kämpfen dürfen. Mal lustig sein. Manchmal denkt sie darüber nach, sich die Haare zu färben.

Wer jung und blond ist und lustig, wird schnell als dumm abgestempelt. "Als junge blonde Frau im deutschen Fernsehen spielt man junge blonde Frauen", sagt Valerie Huber, "und keine humoristische Figur." Ihre Rolle der Kiki in den Nachtschwestern war eine Ausnahme, deswegen mochte sie die so gern. Frau, jung, lustig, das könnte anderswo eher gehen, in den ambitionierten internationalen Film- und Serienproduktionen. Da gibt es Schauspielerinnen und Produzentinnen wie Amy Schumer, Mindy Kailing oder Phoebe Waller-Bridge. Auch deshalb versucht Valerie Huber gerade, in den USA und in Großbritannien Karriere zu machen, auch wenn Druck und Konkurrenz dort größer sind.

Für die Netflix-Serie Sex Education war sie beim Casting in der dritten Runde, wurde dann doch nichts. Bei zwei US-Produktionen spielte sie mit, machte in Los Angeles Castings. Bald will sie wieder hin, auch wenn das heißt: in einer Nacht mal schnell zehn Seiten Text auswendig lernen. Und dann mit 30 Schauspielerinnen in einem Raum stehen, die alle aussehen wie sie.

In Wien stünde noch ein Casting an, Hauptrolle in einem Kinofilm, sie überlegt darum, ihren Flug zu verschieben, extra zurückfliegen aus L.A. will sie nicht. Überhaupt würde sie am liebsten gar nicht fliegen, das Klima. Geht aber schwer in ihrem Beruf. Deswegen isst sie kein Fleisch mehr, kauft weniger Klamotten, hat ihren eigenen Kaffeebecher dabei. Sie war auf den großen Demos von Fridays for Future, postet auf Instagram immer wieder Aufrufe dazu, und dass es Menschen gibt, die Greta Thunberg hassen, findet sie unbegreiflich.

Die Brille steckt sie sich jetzt in die Haare, gestikuliert, wird lauter. Klar, jeder sollte seinen Teil beitragen, aber "die großen Lösungen, die muss die Politik finden". Nebenbei schreibt sie an einem Drehbuch. Es soll ein politisches Drama werden, über eine Gruppe von Studierenden, die radikal werden, weil sie an der Welt verzweifeln. Huber kann sich aufregen über Korruption, über Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, über die Koalition mit der FPÖ; darüber, dass beim Thema Elektromobilität wenig darüber geredet wird, "was für eine Katastrophe das für Afrika ist, wo das Lithium für die E-Autos herkommt".

In Afrika ist sie aufgewachsen, an der Elfenbeinküste und dann in Uganda, ihr Vater arbeitete in der Entwicklungszusammenarbeit. Es war ein privilegiertes Leben mit großem Garten, Nachtwächter, Köchin und Staatsempfängen. Es hat ihren Blick geschärft für soziale Ungleichheiten.

Mit acht Jahren kam sie nach Wien, ein Kulturschock. Kurz darauf fing sie mit der Schauspielerei an. In Uganda hatte sie im Schultheater gespielt, einen Engel, das einzige weiße Kind. In Wien sah sie einen Aushang für Tom Turbo, ihre Lieblingssendung, eine österreichische Produktion, die man auch kennt, wenn man in Süddeutschland mit ORF-Empfang aufgewachsen ist: Detektivgeschichten zum Mitraten, Protagonist ist ein sprechendes Fahrrad. Zwei Jahre lang war sie dabei, mit elf war sie zu alt. Kurz danach zog die Familie weiter, diesmal in die USA. Es waren die ersten Obama-Jahre in Washington, sie erinnert sich an Menschen auf der Straße, an Aufbruchsstimmung. Immer wieder streut sie englische Begriffe ins Gespräch, "outskirts", "pilot season", "confusing". In den ersten Lebensjahren sprach sie Deutsch sowieso nur zuhause, auf Englisch zu drehen ist heute kein Problem.

Es ist die emotionalere Sprache, sagt sie, Deutsch wird so leicht kitschig. Als Kind sagte sie immer, sie komme aus Afrika, inzwischen fühlt sich das nicht mehr richtig an. Am ehesten ist sie jetzt wohl Wienerin, sagt sie. Zum Abitur kam sie zurück in die Stadt. Und blieb für die Schauspielschule. Direkt nach der Prüfung hat Til Schweiger sie dann für seinen Film Klassentreffen 1.0 gecastet. Und ja, dann war da noch das Modeln. Neben der Schule verdiente sie sich mit Werbespots Geld dazu, sie bereut es nicht, aber es hängt ihr ein bisschen nach. Mit 18 machte sie bei einer Miss-Wahl mit, eher zufällig, wurde Miss Earth Austria. Ein Schönheitswettbewerb, bei dem die Kandidatinnen auch soziale Projekte präsentieren, im Nachhinein war ihr das alles zu halbherzig. Damals war es ein Mädchentraum. Heute denkt sie: eigentlich schrecklich.

Sie will noch etwas von ihrem Wien zeigen. Zwei Stationen mit der U-Bahn, Valerie Huber geht sicher, dass ihre Begleitung stempelt und die Tasche auch nicht zu schwer ist. Kurz vor Abfahrt versucht eine Frau, noch in den Zug zu kommen, Huber redet gerade, reagiert aber sofort, will ihr helfen, die Tür wieder öffnen, zu spät.

Am Stephansplatz an der Oberfläche angekommen, zeigt Huber ihre Schauspielschule, gleich um die Ecke. Am liebsten hat sie die Innenstadt, die alten Fassaden, wer geht hier denn bitte nicht gerne spazieren? Sie stimmt jetzt Rainhard Fendrich an, singt "haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?" In Berlin, wo sie zuletzt ein Jahr gelebt hat, war es ihr zu neu, zu kalt, zu schnell, "zu abgefuckt".

Ein paar Wochen nach dem Treffen in Wien meldet sie sich aus den USA wieder. Hat sich gelohnt, den Flug zu verschieben. Sie hat die Kino-Hauptrolle bekommen.

Ein Sommer auf Mykonos, ZDF, Sonntag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2020
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