"Goop":Gwyneth Paltrows Magazin zeigt, was im Umgang mit der Wahrheit gerade falsch läuft

Gwyneth Paltrow

Gwyneth Paltrow wirbt mit ihrem Unternehmen für Jade-Eier, vampirabweisende Elixiere und - das ist der Goop-Klassiker - Vaginaldampfbäder.

(Foto: AP)
  • Gwyneth Paltrows Unternehmen Goop wirbt auf einer Website und im gleichnamigen Magazin für Wellness-Produkte mit zweifelhafter Wirksamkeit.
  • Die Organisation Truth in Advertising und wohl auch der Condé-Nast-Verlag beanstanden das Fehlen von journalistischen Standards im Goop-Magazin.
  • Gwyneth Paltrow aber scheint einen sehr eigenen Wahrheitsbegriff zu haben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Seit ein paar Tagen geistert ein Hinweis an Journalisten durch die sozialen Netzwerke, sehr frei übersetzt steht da: "Wenn jemand sagt, dass es regnet, und jemand anderes sagt, dass es trocken ist - dann ist es nicht Deine Aufgabe, die beiden zu zitieren. Deine Aufgabe ist es, aus dem Fenster zu schauen und herauszufinden, was wahr ist." Das stimmt, gerade heutzutage, und doch möchte man bisweilen, nicht nur als Journalist übrigens, auf dieses Bild entgegnen, was Pontius Pilatus im Johannes-Evangelium zu Jesus gesagt hat: "Was ist Wahrheit?"

Es wird nun um Gwyneth Paltrow gehen und um ihr Luxus-Lifestyle-Unternehmen Goop, und es ist wichtig, dass es um Gwyneth Paltrow gehen wird und nicht um Donald Trump und sein Verständnis von Journalismus und Wahrheit. Es geht um die Firma und die Publikationen einer berühmten Schauspielerin, und daran lässt sich unaufgeregter und anschaulicher sehen, was gerade falsch läuft mit der Wahrheit.

Paltrow, 45, kommt herum in der Welt, sie erlebt dabei Sachen, von denen andere nicht einmal zu träumen wagen. Vor zehn Jahren - zwei Jahre vor Instagram - verschickte Paltrow die ersten Newsletter an ihre Fans, kleine Einblicke in ihr Leben: Gwyneth Paltrow im sündteuren Trenchcoat, ein Rezept für Banane-Nuss-Muffins oder das dann doch eher fragwürdige Lebensmotto: "Nourish the Inner Aspect". Das lässt sich kaum übersetzen, weil es schon auf Englisch nicht wirklich Sinn ergibt, vielleicht am ehesten so: "Pflege das innere Aussehen". Wer mehr als zehn dieser Newsletter gelesen hat, der wird entweder zum unerschütterlichen Fan, oder er denkt: Oh, Gwyneth.

Anfangs schrieb sie online über alles und nichts, über Themen wie Vaginaldampfbäder

Viele Menschen wurden Fans des Newsletters, und drei Jahre später gab es das Unternehmen Goop. "Es ist ein Spitzname, der aus meinen Initialen entstanden ist", sagte Paltrow damals: "Ich wollte ein Wort haben, das alles und nichts bedeuten kann." So waren auch die meisten der Berichte von Paltrow, ein bisschen über alles und nichts, sie schrieb zum Beispiel über ein Vaginaldampfbad: "Du sitzt auf einer Art Mini-Thron, und eine Mischung aus Infrarotstrahlen und Beifuß reinigt den Uterus und andere Sachen."

Das kann man unterhaltsam oder Banane finden, auf jeden Fall wurde Paltrow Influencerin, bevor es den Begriff überhaupt gab: Im Jahr 2014 abonnierten etwa 700 000 Leute den Newsletter, Paltrow begeisterte die Leute für Produkte und Dienstleistungen. Weil sie selbst immer so jugendlich und gesund daherkam - irgendwas musste sie ja richtig machen, und weil Selbstoptimierung und Sich-selbst-was-Gönnen im Trend lagen, da vertrauten viele Menschen lieber mal dieser Paltrow, die ja erst einmal nichts von den Leuten wollte als ein bisschen Aufmerksamkeit.

Der Reiz der Goop-Letter liegt im Extremen. Paltrow verspricht teils wahnwitzige Lösungen für allseits bekannte Probleme und lässt sich schon mal absichtlich von Bienen stechen, um eine alte Verletzung zu behandeln. Der Bienen-Eintrag beginnt dann zum Beispiel so: "Bislang haben diese Empfehlungen bei mir geholfen. Ich habe ein bisschen recherchiert und ein paar sehr interessante Fakten, Produkte und Rezepte gefunden, die ich Euch gerne zeigen will. Alles Liebe, gp."

Der Verlag, in dem das Magazin erschien, soll die journalistischen Standards beanstandet haben

Mittlerweile verzeichnet die Website mehr als 1,8 Millionen aktive Nutzer, laut der Zeitschrift Adweek ist die durchschnittliche Leserin 34 Jahre alt und verfügt über ein sechsstelliges Haushaltseinkommen. Es gibt Podcasts und Pop-up-Stores, Klamotten und Bücher, Wellness-Konferenzen, Make-up und Nahrungsergänzungsmittel. Im März sammelte das Unternehmen bei einer Finanzierungsrunde 50 Millionen Dollar ein, um nach Europa zu expandieren, derzeit wird es Experten zufolge mit etwa 250 Millionen Dollar bewertet.

Paltrow ist nicht nur das Gesicht des Unternehmens, sondern für viele auch Wegbegleiterin zu einem erfüllteren Leben. Die Fans lesen mit religiösem Eifer, dass eine Frau ihr allgemeines Wohlbefinden und ihre sexuelle Energie dadurch verbessern könne, wenn sie mit einem sogenannten "Jade Egg" ihren Unterleib trainieren würde. Oder dass man sich Kaffee auch anal einführen könne. Oder dass ein Elixier mit dem Namen Psychic Vampire Repellent dafür sorgen könne, schlechte Schwingungen zu entfernen. Vielleicht muss man Goop tatsächlich eher mit einer Religion vergleichen als mit einem Unternehmen - es geht auch dort vor allem darum, woran die Leute glauben.

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