Das progressive Lager hält Fox News und Portale wie Breitbart längst für eine gigantische Propaganda-Unternehmung und findet jeden Tag gute Argumente dafür. Doch auch das eigene Selbstbild - das rationale Amerika mit scharfem Urteilsvermögen gegen die irrationalen Ideologen von rechts - hat blinde Flecken.
Figuren wie die ehemalige britische Politikerin Louise Mensch oder der amerikanische Politikberater Eric Garland, die jeweils eine große Anhängerschaft hinter sich versammelt haben, sind von einer Großverschwörung zwischen Trump, Wladimir Putin und anderen konservativen Einrichtungen und Persönlichkeiten überzeugt. Jede neue Information gilt ihnen nicht nur als Beweis für ihre Theorie, sondern signalisiert, dass alles noch viel schlimmer ist.
Diese Sehnsucht nach dem Ende der Ära Trump hat ungewöhnliche Veränderungen in der Wahrnehmung zufolge: Einst hatten Dreibuchstaben-Organisationen wie FBI und CIA unter Demokraten einen schlechten Leumund; nun gilt jedes Fitzelchen, das Sicherheitskreise anonym zur Russland-Affäre an New York Times, CNN und Co. durchstechen, als Heldentat für die Demokratie. Besonders dann, wenn die Information eine Verstrickung des Trump-Teams nahelegt.
Dass Qualitätsmedien ihre Quellen schützen, gehört zum Standard. Die legendären Zeitungsberichte über das Chaos im Trump'schen Weißen Haus beruhen auf den Darstellungen Dutzender nicht genannter Zeugen. Doch weil der Leser die Intentionen der Informanten nicht kennen kann, diskutieren Reporter gerade die Grenzen dieser Form der Berichterstattung - auch, weil die fehlende Urheberschaft es Trump-Sprechern ermöglicht, solche Geschichten inzwischen routiniert als Fake News abzuqualifizieren.
Konservative fassen "Fake News" sehr weit
Auch Fehler einzelner Reporter werden Teil dieses Narrativs: Im Dezember berichtete der NBC-Reporter Brian Ross unter Hinweis auf anonyme Quellen, dass Trump seinen Sicherheitsberater Michael Flynn vor der Wahl 2016 angewiesen habe, Kontakt zu Russland herzustellen. Dies wäre ein starkes Indiz dafür gewesen, dass Trump bereits als Kandidat - und damit unerlaubterweise - eine Zusammenarbeit mit dem Kreml anstrebte. Der Aktienindex Dow Jones brach daraufhin ein, zahlreiche andere Medien griffen die Meldung auf.
Alleine: Die Information entpuppte sich wenig später als falsch, Trumps Anweisung erfolgte nach der Wahl. Ross wurde vier Wochen suspendiert. Seitdem ruft die politische Rechte bei allen neuen anonymen Enthüllungen: "Fake News! Wie bei Brian Ross!" Die Fehlerliste der Medien, die Trump am Mittwoch veröffentlichte, dient genau jenem Zweck.
Der inflationäre Gebrauch des jungen Kampfbegriffs "Fake News", der ursprünglich auf erfundene Pro-Trump-Meldungen bei Facebook gemünzt war, zeigt bereits nach zwölf Monaten Wirkung. Fake News ist zum dehnbaren Label geworden: Was nicht beliebt, wird flugs zu Fake News erklärt. Vier von zehn Republikanern sind der Meinung, dass für sie auch faktisch korrekte Nachrichten Fake News sind, sofern sie einen Politiker oder eine politische Gruppe im schlechten Licht erscheinen lassen.
Kein Vertrauen, nirgends
Dahinter steckt eine Kritik an medialer Berichterstattung, die inzwischen auch immer mehr Amerikaner explizit äußern. 66 Prozent der befragten US-Bürger geben in der oben zitierten Knight-Umfrage an, dass die meisten Nachrichtenmedien Fakten nicht ausreichend von Meinungen trennen, also letztlich die Wahrnehmung des Publikums beeinflussen wollen, statt Tatsachen zu präsentieren. 1984 waren noch 58 Prozent der Meinung, dass die Medien hier korrekt arbeiteten. Journalisten, so offenbar der Eindruck, schieben ihren Lesern und Zuschauern immer stärker ihre eigene Weltanschauung unter.
Wer auf die jüngere Generation blickt, erkennt sogar eine noch radikalere Haltung: In einer neuen repräsentativen Umfrage von PBS und NPR erklären 71 Prozent der amerikanischen Erwachsenen unter 29 Jahren, ihrer bevorzugten Medienmarke mehr zu vertrauen als Donald Trump. Doch genau 71 Prozent in dieser Altersgruppe geben ebenfalls an, nur wenig oder gar kein Grundvertrauen in die Medien zu besitzen. Dies ist kein Widerspruch, sondern signalisiert das Bedürfnis, statt Institutionen der eigenen Intuition zu vertrauen.