USA:Zwischen Boxkampf und Affäre

Donald Trump und Anderson Cooper

Während des Wahlkampfs sprach Donald Trump (hier mit CNN-Moderator Anderson Cooper) noch mit den Medien. Heute spricht er vor allem über sie.

(Foto: dpa)
  • Amerikanische Qualitätsmedien profitieren von Donald Trump - und nehmen gleichzeitig massiv Schaden.
  • Vertrauen in die Medien ist abhängiger vom jeweiligen politischen Lager geworden.
  • Konservative halten kritische Berichte für Fake News, Teile der Demokraten zeigen sich empfänglich für Verschwörungstheorien.

Von Johannes Kuhn, Austin

Weil der Ist-Zustand inzwischen so verstörend normal erscheint, lohnt es sich daran zu erinnern: Der US-Präsident vergibt nicht nur "Fake News Awards", sondern sieht sich im "Krieg mit den Medien" - gegängelt von Journalisten, jenen "vielleicht unehrlichsten Menschen auf dieser Erde", die "unser Land nicht mögen". Auf der anderen Seite lautet das neue Motto der New York Times: "Die Wahrheit hat eine Stimme". Und die Washington Post warnt bereits schon länger: "Demokratie stirbt in der Dunkelheit".

Der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit ist also gut ausgeleuchtet - wem welcher Helligkeitsgrad zugeschrieben wird, hängt davon ab, auf welcher politischen Seite der Betrachter steht. 89 Prozent der US-Demokraten stimmten 2017 in einer Umfrage der Aussage zu, dass Nachrichtenmedien grundsätzlich eine wichtige Kontrollfunktion über die Politik ausüben. Bei den Republikanern fanden das nur noch 42 Prozent - die Zustimmung hatte sich innerhalb eines Jahres fast halbiert.

Während die "Mainstream-Medien" also gesamtgesellschaftlich an Bedeutung verlieren, festigen sie im tendenziell progressiven Lager ihre Reputation als Wahrheitsforscher. CNN landete erstmals seit 1995 wieder unter den zehn meistgesehenen Kabelsendern, New York Times und Washington Post verzeichneten zuletzt Auflagenrekorde. Das sind gute Nachrichten für eine Branche, der im Zuge der Digitalisierung weiterhin der ökonomische Kollaps droht. Der Preis dafür ist für einzelne Reporter allerdings oft eine ständige Konfrontation mit Morddrohungen aus der Anhängerschaft des Präsidenten.

Trump liefert alleine mit seinen Tweets und verbalen Grenzüberschreitungen genügend Futter für kritische Berichterstattung. Doch unter dem 45. US-Präsidenten ist Lärm und Relevanz nur schwer zu trennen: Eine Analyse des Meinungsforschungsinstituts PEW ergab, dass Journalisten in den ersten hundert Trump-Tagen bei drei Viertel ihrer Berichterstattung Führungsstil und Charakter des US-Präsidenten in den Mittelpunkt stellten. Nur jede vierte Geschichte drehte sich um politische Inhalte.

Eine Form von Co-Abhängigkeit

Trump mag es egal sein, was er sagt und wie dies im Verhältnis zu Amt, Wahrheit und früheren Aussagen steht. Er zieht damit Aufmerksamkeit auf sich und verstellt oft den Blick darauf, was seine Regierung tut. "Einerseits sind die Qualitätsmedien wiederbelebt worden", klagte jüngst Dorothy Wickenden vom Magazin New Yorker. "Andererseits werden wir an der Nase herumgeführt. Jeden Tag."

Nancy Gibbs, die ehemalige Chefin des Magazins Time, beschreibt das Verhältnis zwischen Trump und der Presse als eine Form von "Co-Abhängigkeit": Beide arbeiten sich aneinander ab und sind doch aneinandergekettet. So findet Trump in den kritischen Medien nicht nur ein Feindbild, sondern eben auch ein Megafon. Und als jemand, der Jahrzehnte lang die Aufmerksamkeit der New Yorker Presse suchte und erhielt, gehört massenmediale Anerkennung zu den wenigen Dingen, die für ihn wirklich eine Rolle zu spielen scheinen.

Nichts spiegelt die absurde Wechselwirkung um diesen mediengewandten wie womöglich mediensüchtigen US-Präsidenten besser wider als sein Verhältnis zum TV-Sender Fox News. Trump verfolgt vor allem die Morgensendung Fox and Friends. Jeden Tag. Seine Früh-Tweets beziehen sich oft auf die Beiträge dort - und sie gehören zu einem Kreislauf, der Trumps Weltbild immerfort bestätigt.

Wer programmiert hier wen?

In der Welt von Fox and Friends dominieren inhaltlich die vermeintlichen Verwicklungen Hillary Clintons in illegale Geschäfte (immer noch), die diagnostizierte Verdorbenheit der Demokraten und eine angebliche Verschwörung des Deep State gegen den amtierenden Präsidenten. Unterstellt wird eine großangelegte Intrige der Geheimdienste und Trump-Gegner innerhalb des Regierungsapparats.

Dem US-Präsidenten wiederum werden dort indirekt beste Charakter- und Führungsqualitäten bescheinigt. Fox News serviert dem US-Präsidenten und seinen Anhängern also eine spezielle "Wahrheit": Sie speist sich aus Trumps Perspektive und seinen Lieblingsthemen, bestätigt seinen Kurs und seine Haltung. Gleichzeitig lenkt der Sender die Aufmerksamkeit des Präsidenten. Etwas überspitzt formuliert heißt das: Trump ist Fox-News-Programmchef. Und Fox News gestaltet das Programm von Trump.

Der Glaubwürdigkeit im eigenen Lager schadet das nicht: In einer repräsentativen Umfrage der Knight Foundation gaben nur 42 Prozent der Republikaner an, eine objektive Nachrichtenquelle nennen zu können. Diejenigen, die es konnten, meinten in sechs von zehn Fällen: Fox News.

Die Ideologisierung nimmt zu - auch unter Demokraten

Das progressive Lager hält Fox News und Portale wie Breitbart längst für eine gigantische Propaganda-Unternehmung und findet jeden Tag gute Argumente dafür. Doch auch das eigene Selbstbild - das rationale Amerika mit scharfem Urteilsvermögen gegen die irrationalen Ideologen von rechts - hat blinde Flecken.

Figuren wie die ehemalige britische Politikerin Louise Mensch oder der amerikanische Politikberater Eric Garland, die jeweils eine große Anhängerschaft hinter sich versammelt haben, sind von einer Großverschwörung zwischen Trump, Wladimir Putin und anderen konservativen Einrichtungen und Persönlichkeiten überzeugt. Jede neue Information gilt ihnen nicht nur als Beweis für ihre Theorie, sondern signalisiert, dass alles noch viel schlimmer ist.

Diese Sehnsucht nach dem Ende der Ära Trump hat ungewöhnliche Veränderungen in der Wahrnehmung zufolge: Einst hatten Dreibuchstaben-Organisationen wie FBI und CIA unter Demokraten einen schlechten Leumund; nun gilt jedes Fitzelchen, das Sicherheitskreise anonym zur Russland-Affäre an New York Times, CNN und Co. durchstechen, als Heldentat für die Demokratie. Besonders dann, wenn die Information eine Verstrickung des Trump-Teams nahelegt.

Dass Qualitätsmedien ihre Quellen schützen, gehört zum Standard. Die legendären Zeitungsberichte über das Chaos im Trump'schen Weißen Haus beruhen auf den Darstellungen Dutzender nicht genannter Zeugen. Doch weil der Leser die Intentionen der Informanten nicht kennen kann, diskutieren Reporter gerade die Grenzen dieser Form der Berichterstattung - auch, weil die fehlende Urheberschaft es Trump-Sprechern ermöglicht, solche Geschichten inzwischen routiniert als Fake News abzuqualifizieren.

Konservative fassen "Fake News" sehr weit

Auch Fehler einzelner Reporter werden Teil dieses Narrativs: Im Dezember berichtete der NBC-Reporter Brian Ross unter Hinweis auf anonyme Quellen, dass Trump seinen Sicherheitsberater Michael Flynn vor der Wahl 2016 angewiesen habe, Kontakt zu Russland herzustellen. Dies wäre ein starkes Indiz dafür gewesen, dass Trump bereits als Kandidat - und damit unerlaubterweise - eine Zusammenarbeit mit dem Kreml anstrebte. Der Aktienindex Dow Jones brach daraufhin ein, zahlreiche andere Medien griffen die Meldung auf.

Alleine: Die Information entpuppte sich wenig später als falsch, Trumps Anweisung erfolgte nach der Wahl. Ross wurde vier Wochen suspendiert. Seitdem ruft die politische Rechte bei allen neuen anonymen Enthüllungen: "Fake News! Wie bei Brian Ross!" Die Fehlerliste der Medien, die Trump am Mittwoch veröffentlichte, dient genau jenem Zweck.

Der inflationäre Gebrauch des jungen Kampfbegriffs "Fake News", der ursprünglich auf erfundene Pro-Trump-Meldungen bei Facebook gemünzt war, zeigt bereits nach zwölf Monaten Wirkung. Fake News ist zum dehnbaren Label geworden: Was nicht beliebt, wird flugs zu Fake News erklärt. Vier von zehn Republikanern sind der Meinung, dass für sie auch faktisch korrekte Nachrichten Fake News sind, sofern sie einen Politiker oder eine politische Gruppe im schlechten Licht erscheinen lassen.

Kein Vertrauen, nirgends

Dahinter steckt eine Kritik an medialer Berichterstattung, die inzwischen auch immer mehr Amerikaner explizit äußern. 66 Prozent der befragten US-Bürger geben in der oben zitierten Knight-Umfrage an, dass die meisten Nachrichtenmedien Fakten nicht ausreichend von Meinungen trennen, also letztlich die Wahrnehmung des Publikums beeinflussen wollen, statt Tatsachen zu präsentieren. 1984 waren noch 58 Prozent der Meinung, dass die Medien hier korrekt arbeiteten. Journalisten, so offenbar der Eindruck, schieben ihren Lesern und Zuschauern immer stärker ihre eigene Weltanschauung unter.

Wer auf die jüngere Generation blickt, erkennt sogar eine noch radikalere Haltung: In einer neuen repräsentativen Umfrage von PBS und NPR erklären 71 Prozent der amerikanischen Erwachsenen unter 29 Jahren, ihrer bevorzugten Medienmarke mehr zu vertrauen als Donald Trump. Doch genau 71 Prozent in dieser Altersgruppe geben ebenfalls an, nur wenig oder gar kein Grundvertrauen in die Medien zu besitzen. Dies ist kein Widerspruch, sondern signalisiert das Bedürfnis, statt Institutionen der eigenen Intuition zu vertrauen.

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