USA:Bewegung im Geschäft

USA: Das ist nur ein Teil des Sendertableaus, mit dem der US-amerikanische Medienkonzern Sinclair bislang sein Geld verdiente: lokale Nachrichtenkanäle.

Das ist nur ein Teil des Sendertableaus, mit dem der US-amerikanische Medienkonzern Sinclair bislang sein Geld verdiente: lokale Nachrichtenkanäle.

(Foto: Sinclair)

Wie lukrativ die Live-Berichterstattung mittlerweile weltweit geworden ist, zeigt der amerikanische Medienkonzern Sinclair: Durch den Erwerb von 21 Sportsendern verdoppelte sich der Aktienkurs.

Von Jürgen Schmieder

Das Schöne am Sport ist doch, das hat der Fußball-Trainer und Fußball-Philosoph Sepp Herberger schon vor Jahrzehnten gesagt, das Schöne am Sport ist, dass die Menschen nicht wissen, wie es ausgehen wird - und dass sie Veranstaltungen deshalb live sehen wollen. Sepp Herberger sprach freilich über die Faszination des Wettkampfs, doch prognostizierte er mit seinem legendären Satz auch die Unterhaltungsbranche im Jahr 2019: Die Leute gucken, was immer sie möchten und wann immer sie es möchten, nur eines hat sich kaum verändert: Sie möchten Sport live sehen, weil sie nicht wissen, wie es ausgehen wird.

200 regionale Nachrichtensender: Sinclair gehört zu den größten Medienunternehmen der Welt

Auch der amerikanische Medienkonzern Sinclair, der mit knapp 200 regionalen Nachrichtensendern zu den weltgrößten TV-Unternehmen gehört, hat die Herberger-Weisheit für sich entdeckt. "Die Sehgewohnheiten mögen sich verändert haben, Live-Sport und Nachrichten sind jedoch tief in unserer Kultur verwurzelt", hat Geschäftsführer Chris Ripley gerade mitgeteilt. Dabei hat der Konzern bislang eher durch seine eigenwillige Form der Politikberichterstattung für Diskussionen gesorgt. Im April 2018 ist das Unternehmen in die Schlagzeilen geraten, als ein Video im Netz kursierte, das zeigt, wie Sinclair politische Botschaften im ganzen Land verbreitet: Der zusammengeschnittene Clip zeigte Dutzende Sinclair-Journalisten, die in ihren jeweiligen Lokalsendern wie im Chor eine wortgleiche Botschaft verbreiteten: "Wir sind stolz auf den Journalismus, den wir produzieren", sagen sie, "aber wir machen uns Sorgen über die unverantwortlichen, einseitigen Nachrichtenberichte, die unser Land plagen." Manche Medienschaffende "nutzen ihre Plattformen, um ihre persönlichen Ansichten zu verbreiten und zu kontrollieren, was die Leute denken. Das ist für eine Demokratie extrem gefährlich". Berichten zufolge waren die Lokalsender angewiesen worden, das Skript wortgetreu zu produzieren und während der Nachrichten auszustrahlen.

Nun, allein in diesem Jahr hat sich der Aktienkurs des Unternehmens mehr als verdoppelt, obwohl die Einnahmen im vergangenen Geschäftsjahr um 41 Prozent auf 341 Millionen Dollar zurückgegangen sind und die Schulden bei 3,9 Milliarden Dollar liegen. Wie das geht?

Nun, das amerikanische Justizministerium hatte im März entschieden, dass der Disney-Konzern die Filetstücke von Rupert Murdochs Medienimperium 21st Century Fox nur dann für 71,3 Milliarden Dollar übernehmen darf, wenn dabei nicht gegen das Kartellrecht verstoßen werde. Disney müsse wegen seiner Beteiligung am Sportsender-Netzwerk ESPN die im Übernahme-Paket enthaltenen 22 regionalen Sportsender sogleich weiterverkaufen. Deren Wert wurde kurz vor der Übernahme von der Analysefirma Guggenheim Securities auf etwa 22 Milliarden Dollar geschätzt.

Disney musste möglichst rasch einen Käufer finden, und das nutzte Sinclair: Im Mai gab es eine Einigung, wonach das Medienhaus für 9,6 Milliarden Dollar insgesamt 21 Sportsender übernehmen und am 3,5-Milliarden-Dollar-Verkauf des verbliebenen TV-Kanals YES Network an Amazon und die Baseball-Franchise New York Yankees beteiligt wird. Es schien die Anleger nicht besonders zu stören, dass Sinclair für dieses vermeintliche Schnäppchen neue Schulden in Höhe von 8,2 Milliarden Dollar aufnehmen musste - ganz im Gegenteil. Es heißt nun, dass Sinclair Interesse an vier regionalen Sportsendern des US-Telekommunikations-Konzerns AT&T habe. Kolportierter Kaufpreis: bis zu einer Milliarde Dollar. Der Aktienkurs steigt weiter.

In den USA werden zahlreiche Veranstaltungen nicht im landesweiten Fernsehen gezeigt, sondern auf regionalen Sendern wie jenen, die Sinclair übernommen hat oder kaufen möchte. Außerdem gehören dem Unternehmen zahlreiche Nischensender wie zum Beispiel der Tennis Channel: Wer also in der vergangenen Woche andere Live-Partien aus Wimbledon sehen wollte als die wenigen, die auf einem ESPN-Kanal gezeigt wurden, der brauchte entweder ein ESPN-Streamingabo - oder jenen Tennis Channel.

Wer Live-Sport präsentieren will, muss tief in die Tasche greifen, teilweise für Zehnjahres-Verträge

Sinclair hatte im vergangenen Jahr versucht, für 3,9 Milliarden Dollar den Nachrichten-Rivalen Tribune Media zu kaufen und ein ernsthafter Konkurrent des konservativen Nachrichten-Konglomerats Fox News zu werden - das auch aufgrund seiner Berichterstattung über Präsident Donald Trump äußerst erfolgreich ist. Das US-Justizministerium hatte allerdings Bedenken, also änderte der Konzern seine Strategie hin zu regionalen Sportsendern. Die Anleger würdigen das, auch wenn die Zukäufe mit einem Risiko verbunden sind.

Die TV-Rechte an Live-Sport werden immer teurer, nicht nur jene für Olympische Spiele oder Profiligen, sondern auch für Uni- und High-School-Sport. Die Uni-Football-Liga AAC zum Beispiel hat kürzlich einen Zwölf-Jahres-Vertrag mit ESPN für eine Milliarde Dollar vereinbart - das ist pro Jahr dreieinhalb Mal so viel wie im vorangegangenen Deal. Wer also Live-Sport präsentieren will, der muss tief in die Tasche greifen und bisweilen Verträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahrzehnt abschließen. Dazu kommt, dass die Produktion aufwendig ist, es braucht heutzutage nicht nur Kameras für beinahe jeden Blickwinkel aufs Spielfeld, statistische Aufbereitung des Gezeigten und Kommentatoren für jeden Platz beim Tennis zum Beispiel, sondern auch eine herausragende technische Infrastruktur zum Verarbeiten und Verschicken der Live-Daten.

Und Sinclair ist nicht der einzige Konzern, der den Wert von Sportübertragungen erkannt hat. Das Streamingportal Hulu zeigt seit ein paar Monaten Werbespots, in denen berühmte Sportler so tun, als würden sie Unmengen von Geld für Influencer-Werbung bekommen - die Basketballprofis Damian Lillard, Joel Embiid, and Giannis Antetokounmpo etwa oder die amerikanischen Fußballerinnen, die gerade Weltmeister geworden sind. Es sind absurde Filmchen, die Botschaft jedoch bleibt im Gedächtnis: Hulu zeigt jetzt auch Live-Sport.

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