Süddeutsche Zeitung

USA:Auf der Straße

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Die "New York Daily News" werden selbst von der Konkurrenz respektiert. Nun wurden viele entlassen.

Von Christian Zaschke

Die New York Daily News sind vielleicht nicht die beste Zeitung der Stadt - diese Ehre gebührt der New York Times. Aber sie sind die coolste Zeitung der Stadt. Das stellte das Blatt erst in der vergangenen Woche wieder unter Beweis, als es nach dem Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin in Helsinki die komplette Titelseite mit einem Cartoon füllte. "Offener Verrat", stand dort zu lesen. Zu sehen war Trump, der mit Putin auf der 5th Avenue in Manhattan Händchen hält und Uncle Sam, der Symbolfigur Amerikas, in den Kopf schießt. Wo immer man in der vergangenen Woche in New York hinkam und über dies und das und schließlich wohl oder übel auch über Trump plauderte, wurde diese Titelseite erwähnt.

Dass die Daily News auch in Zukunft noch solche Titelseiten produziert, darf bezweifelt werden. Nicht nur wurde der furchtlose Chefredakteur Jim Rich in dieser Woche gefeuert, mit ihm musste die halbe Belegschaft gehen. Die Daily News gehören zum Chicagoer Medienhaus Tronc. Dieses hat die Entlassungen damit begründet, dringend sparen zu müssen. Tatsächlich sind die Daily News seit Längerem defizitär, trotz einer gedruckten Auflage von immer noch 200 000 Exemplaren.

Die Zeitung ist eine New Yorker Institution. Seit 99 Jahren wird sie in der Stadt verkauft und wurde in dieser Zeit elfmal mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet - zuletzt erst 2017 für eine Serie über die New Yorker Polizei, an der die Reporter insgesamt drei Jahre lang gearbeitet hatten. Die Daily News sind ein robustes Boulevardblatt, "das zur Hochform aufläuft, wenn es sich mit Verbrechen und Korruption beschäftigt", wie die New York Times anerkennend formulierte. Das ist bemerkenswert, weil die Times die Konkurrenz äußerst selten lobt, schon gar nicht wenn sie aus der eigenen Stadt stammt.

Die drastische Titelseite über Trump war kein Ausrutscher. Unter der Führung von Jim Rich hat das Blatt den Präsidenten regelmäßig auf der Titelseite kritisiert. Trump wiederum schmerzt es, dass er gerade in seiner Heimatstadt so phänomenal unbeliebt ist. Wenn er etwas Freundlicheres über sich lesen will, das in New York gedruckt wurde, muss er zur großen Konkurrentin der Daily News greifen: der New York Post , die dem streng konservativen Medienunternehmer Rupert Murdoch gehört, dessen Fernsehkanal Fox News unermüdlich für Trump trommelt.

Die Daily News hat sich immer als Gegenentwurf zur Post verstanden. Grundsätzlich besser gelaunt und politisch eher liberal wie ihre Stadt. Besonders stolz war man immer darauf, als Vorlage der fiktiven Zeitung The Daily Planet gedient zu haben, bei der eine gewisse Lois Lane und ihr Freund Clark Kent als Reporter angestellt sind. Kent ist etwas besser bekannt unter seinem Künstlernamen Superman.

Das Unternehmen Tronc hatte die Daily News erst im vergangenen Jahr vom Immobilienentwickler Mortimer Zuckerman erworben. Der Kaufpreis weist darauf hin, dass es dem Blatt schon damals nicht gut ging: Er betrug exakt einen Dollar. Im Jahr 2016 hatte die Zeitung einen Verlust von 23,6 Millionen Dollar ausgewiesen. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor, sie dürften aber nicht wesentlich erfreulicher sein.

Zuckerman hatte die Zeitung 1993 übernommen und war so ähnlich vorgegangen wie die jetzigen Besitzer: Er hatte erst einmal jede Menge Leute rausgeschmissen. Zuletzt arbeiteten nur noch knapp 100 festangestellte Journalisten bei dem Blatt, von denen jetzt 45 gehen mussten. Die Konkurrenz von der New York Post will erfahren haben, dass das längst nicht alles ist: Neben den 45 Journalisten sollen 50 weitere Angestellte entlassen werden. Dass man mit der verbleibenden Rumpfmannschaft eine ernstzunehmende Zeitung herstellen kann, ist eher unwahrscheinlich.

Der geschasste Chefredakteur Jim Rich schrieb auf Twitter: "Wenn Sie die Demokratie hassen und glauben, lokale Behörden sollten ungeprüft und im Dunkeln operieren können, dann ist heute ein guter Tag für Sie." Rich wird durch einen Mann namens Robert York ersetzt, der nicht vom Journalismus, sondern von der wirtschaftlichen Seite des Mediengeschäfts kommt. Er soll vor allen Dingen mehr Geld im digitalen Geschäft erlösen.

Was zur Verbitterung unter den Mitarbeitern beiträgt: Der scheidende Tronc-Chef Michael Ferro erhält eine Abfindung in Höhe von 15 Millionen Dollar. Er hatte den Kauf der Daily News eingefädelt, war im März aber wegen Belästigungsvorwürfen zurückgetreten. Obwohl eine interne Untersuchung zu dem Ergebnis kam, an den Vorwürfen sei nichts dran, bleibt der Rücktritt wirksam. Mit dem Geld, das Ferro zum Abschied erhält, hätte man sämtliche entlassenen Mitarbeiter der Daily News noch zwei oder sogar drei Jahre bezahlen können.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2018
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