US-Talkmaster Larry King wird 80:Der Warum-Frager

Larry King turns 80 years of age.

US-Talkmaster Larry King feiert seinen 80. Geburtstag.

(Foto: dpa)

Eine Wohlfühl-Atmosphäre erzeugen, keine direkten Fragen stellen - und ehrlich zuhören, anstatt nur darauf zu warten, wieder selbst dran zu sein: Das ist der Stil von Larry King. Der Mann mit der dicken Brille und den Hosenträgern feiert seinen 80. Geburtstag.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt eine Geschichte, die Larry King immer wieder erzählt, wenn er erklären soll, wie er 56 Jahre lang im Showgeschäft überlebt hat. Sie handelt von Glück, von Zufall und einer wichtigen Erkenntnis. Es ist die Geschichte, wie er vor beinahe 50 Jahren Frank Sinatra interviewt hat.

Es war im Jahr 1964, King erwähnte während eines Gesprächs mit dem Komiker Jackie Gleason, dass es unmöglich sei, Frank Sinatra zu einem Interview zu bewegen. Der nahm seinerzeit nicht einmal das Telefon ab, wenn jemand von der New York Times anrief. Glücklicherweise habe Gleason seine Show gemocht, und zufälligerweise schuldete Sinatra diesem Jackie Gleason einen großen Gefallen, wie King in seiner Autobigraphie "My Remarkable Journey" schreibt: "Er hat gesagt: ,Du hast ihn. Du hast Frank Sinatra am Montagabend.'"

Vor dem Interview habe ihm der PR-Agent Jim Mahoney verboten, Sinatra auf die Entführung dessen Sohnes Frank jr. anzusprechen, also stellte King eine unverfängliche Frage zu dessen Verhältnis mit den Medien. Sinatra habe daraufhin von selbst über seinen Sohn gesprochen: "Frank hat die ganze Geschichte erzählt. Ich habe es nie erwähnt, er hat mit dem Thema angefangen. Mahoney ist beinahe ohnmächtig geworden."

Keine Provokation, keine Aggression

Das ist der Stil von Larry King, der am Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert. Er stellt keine aggressiven und provozierenden Fragen wie etwa einst Mike Wallace in seiner Sendung 60 Minutes, er ist auch kein Guerilla-Interviewer wie Neill Strauss, der sich zu Lady Gaga ins Bett legt, mit Snoop Doggy Dog zum Windeln-Kaufen fährt oder mit Courtney Love Drogen kauft.

King ist einer, bei dem sich die Interviewpartner wohlfühlen und deshalb Dinge erzählen, die sie sonst womöglich für sich behalten hätten. 60.000 Interviews hat Larry King nach Angaben des Senders CNN geführt, für den er zwischen 1985 und 2010 die Sendung Larry King Live moderiert hat - darunter mit Mahmud Ahmadinedschad, Wladimir Putin und Barack Obama.

Er brachte Marlon Brando dazu, ihn zu küssen. Er entlockte Lady Gaga das Geständnis, an der Immunkrankheit Lupus zu leiden. Robert Randall rauchte 1988 in Kings Sendung zum ersten Mal im amerikanischen Fernsehen einen Joint, Heather Mills nahm ihre Beinprothese ab. Natürlich war King live auf Sendung, als O.J. Simpson im Juni 1994 vor der Polizei flüchtete. King sagte während der Sendung: "Wenn wir heute Gott gebucht hätten, dann hätten wir das verschieben müssen, weil O.J. zur Verfügung steht."

Reden und reden lassen

Er bereitet sich bewusst nicht gewissenhaft auf seine Interviewpartner vor, um die möglichen Antworten nicht schon vorher zu kennen und diese wie andere Talkshow-Moderatoren einfach nur von Karteikarten abzufragen. Er will, dass sich ein Gespräch entwickelt, dessen Richtung vorher nicht bekannt ist. Bei dem er neugierig bleibt und aufgrund seiner rudimentären Informationen immer weiter nachfragen kann.

Das führt bisweilen zu legendären Momenten wie etwa im Jahr 1995, als er den Komiker Jerry Seinfeld fragte, ob denn dessen Sitcom vom Sender abgesetzt worden sei. Der hielt daraufhin einen Vortrag, wie erfolgreich er doch sei und dass die letzte Episode von Seinfeld mehr als 75 Millionen Amerikaner gesehen hätten: "Weißt Du eigentlich, wer ich bin?", brüllte Seinfeld. Das Gesprächsthema am nächsten Tag war nicht Kings mangelnde Vorbereitung - sondern Seinfelds Geltungsbedürfnis.

Heimelige Wohlfühlatmosphäre

King ist einer, der seinen Interviewpartnern zuhört und nicht nur darauf wartet, wieder selbst dran zu sein. Er unterbricht sie nicht, sondern lässt sie ausreden. Er gibt nur den Takt vor, die Melodie spielen die Menschen, die er interviewt. "Das funktioniert am besten mit Warum-Fragen", sagt er, "etwa: warum hast Du das gemacht? Eine Warum-Frage lässt sich nicht einfach mit einem Wort beantworten." Auf diese Weise würde er seine Interviewpartner dazu auffordern, sich zu öffnen und mehr zu erzählen.

Er erzeugt bei seinen Gesprächen eine heimelige Wohlfühlatmosphäre, bei der die Interviewpartner möglichst vergessen sollen, dass sie in einem Fernsehstudio sitzen und dass ihre Aussagen gerade live von Millionen von Menschen gehört werden. Auch das habe er durch das Interview mit Sinatra gelernt: "Er hat mir später einen Brief geschrieben und gesagt, dass es mir gelungen sei, die Kameras verschwinden zu lassen."

In einem Interview mit dem Hollywood Reporter kürzlich erklärte King, seine Fähigkeiten nirgendwo gelernt zu haben: "Ich bin dafür nicht zur Schule gegangen, das ist also nicht mein Verdienst. Ich bin lediglich stolz darauf, dass mir meine Neugier immer geholfen hat." Er habe bereits als Kind in Brooklyn seine Mutter oder den Busfahrer mit Warum-Fragen genervt.

Mittlerweile ist der Mann mit der dicken Brille und den Hosenträgern nicht mehr auf CNN zu sehen, er hat seine Show ins Internet verlegt. Sie heißt Larry King Now, dauert 30 Minuten und wird von seinem eigenen Streamingportal Ora.tv, dem Internetdienst Hulu und dem russischen TV-Sender RT TV ausgestrahlt.

Es gibt noch eine Geschichte, die King gerne erzählt. Sie handelt von dem Universalgenie Peter Ustinov, der ihm einst mitteilte, sehr gerne interviewt zu werden: "Er sagte: ,Bei einem guten Interview lernen nicht nur die Zuschauer und der Moderator etwas, sondern auch ich selbst, weil ich über Dinge nachdenke, die mir sonst entgangen wären.'" Larry King hat sehr viele Interviewpartner zum Nachdenken gebracht - und macht auch im Alter von 80 Jahren einfach damit weiter.

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