Süddeutsche Zeitung

US-Start der vierten Staffel von "Game of Thrones":Immer besser, immer schlimmer

Am Sonntag startete in den USA die vierte Staffel von "Game of Thrones" und brachte erstmal die Streamingseite des Senders HBO zum Einsturz. Die Serie wird oft als beste Show in der Geschichte des Fernsehens bezeichnet - mit Recht, wie die aktuelle Episode zeigt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es war natürlich hundsgemein, was das amerikanische Unternehmen Home Box Office (HBO) an diesem Wochenende veranstaltete. Durch Kooperationen mit zahlreichen Kabelbetreibern war das Angebot der Pay-TV-Sendergruppe drei Tage lang frei verfügbar, aus den Bezahlsendern wurden Nichtbezahlsender. Es war so, als würde ein Eisverkäufer seine Süßigkeiten eine Zeit lang kostenlos verteilen, um mögliche Kunden von der Köstlichkeit der Produkte zu überzeugen und sie beim nächsten Besuch zur Kasse zu bitten.

Nur: HBO hat nicht nur Köstlichkeiten im Sortiment, sondern eine höchst süchtig machende, harte Droge mit dem Namen "Game of Thrones". In einer Zeit, in der wohl nur im Boxsport derart viele Superlative verwendet werden wie beim Anpreisen von Fernsehserien ("The Crazy Ones" etwa wurde kürzlich einmal beworben als die "beste neue Comedyserie am Donnerstagabend auf CBS"), wird die HBO-Serie nicht selten ganz einfach nur "die beste Fernsehserie der Geschichte" genannt. Und kaum jemand widerspricht.

Auf zwei HBO-Sendern liefen am Wochenende in Dauerschleife die Episoden der ersten drei Staffeln. Wer also tatsächlich noch nie eine Folge gesehen hatte, weil er sich entweder einen ausgedehnten Urlaub hinter dem Mond gegönnt oder vielleicht doch lieber die frei zu empfangenden Serien "Mad Men" oder "Breaking Bad" geschaut hat, der konnte nun innerhalb eines Wochenendes durch Binge-Watching alles nachholen. Kostenlos.

Als Höhepunkt präsentierte HBO am Sonntagabend noch die erste Folge der vierten Staffel. Kostenlos. Die neun restlichen Episoden werden jeweils am Sonntagabend ausgestrahlt. Nicht mehr kostenlos. Wer Entzugserscheinungen hat, der muss ab sofort bezahlen.

Und besonders ärgerlich kam es für die Nutzer des Streamingdienstes HBO Go: Zahlreiche US-Fans der Serie sahen am Sonntagabend nicht den Start der vierten Staffel sondern vor allem einen grauen Bildschirm, auf dem Entschuldigungen des Sender-Verbunds aufpoppten, wie sie "businessinsider.com" auf Screenshots inzwischen präsentiert.

"Es sieht so aus, als ob es im Königreich Probleme gibt", twitterte HBO Go. Circa eine Stunde später folgte die nächste Entschuldigung: "Die Probleme tun uns leid." Schuld war der Ansturm der Nutzer auf die Seite - inzwischen sei der Service wieder vollständig hergestellt.

Debatte über das Blutbad

Überhaupt hatten auch die bereits Süchtigen ein Jahr lang ohne "Game of Thrones" auskommen müssen, sie haben sich in Internetforen gegenseitig getröstet, sie haben Klubs gegründet, in denen sie die Romanvorlage "A Song of Ice and Fire" analysiert haben. Sie haben über den Inhalt des geplanten Computerspiels diskutiert und sich zum Hammel-in-Lauch-Bier-Brühe-Essen getroffen, sie haben Theorien entworfen, wie es denn nun weitergehen könnte in dieser Phantasiewelt von Westeros.

Vor allem haben sie über dieses Blutband am Ende der dritten Staffel debattiert, was eindrucksvoll sämtliche Stärken dieser Fernsehserie untermauerte. Knapp fünf Minuten dauerte "Red Wedding", dabei wurden zahlreiche Protagonisten wie Robb Stark, Königin Talisa und Catelyn Stark getötet.

Es geht bei "Game of Thrones" um menschliche Abgründe, die viszeral visualisiert werden. Es geht ums Fressen und ums Saufen, um Sex und das Abtrennen von Körperteilen - und natürlich wird das Fressen und das Saufen, der Sex und das Abtrennen von Körperteilen ausführlich und genüsslich gezeigt. Die Serie ist selbst ein einziger Abgrund. Der einzige Unterschied zur Buchvorlage: Die Protagonisten sind älter, sonst hätte die ohnehin lange Zeit als unverfilmbar geltende Geschichte überhaupt nicht verfilmt werden dürfen.

Was "Game of Thrones" besonders faszinierend macht, ist die intensive Beschäftigung mit den Figuren und ihren Abgründen, wohlgemerkt bei der Einführung von mittlerweile mehr als 250 namentlich erwähnten Figuren. Und: Ihr anschließendes erbarmungloses Sterbenlassen. Es gelingt den Produzenten D.B. Weiss und David Benioff, dass der Zuschauer mit diesen Charakteren fühlt - und tatsächlich weint, wenn etwa Robb Stark getötet wird.

Nur: Danach geht es einfach weiter mit dem Fressen und dem Saufen und dem Sex und der Gewalt. Im Vordergrund stehen nicht die Figuren, schon gar nicht ihre Darsteller. Der Star ist die Geschichte und ihre Stilisierung, das filmische Umsetzen dieser Phantasie von George R. R. Martin, diese Fantasy-Welt mit Drachen und weißen Wanderern, mit paralysierten Kindern und Zwergenprinzen.

Ein Fehler, eine Ungenauigkeit, eine falsche Ironie kann in diesem kniffligen Genre eine komplette Serie zerstören, doch hat es diesen Fehler in "Game of Thrones" noch nicht gegeben - obwohl nicht wenige Kritiker genau darauf warten.

Spekulationen über Spekulationen

Zum Beginn einer jeden Staffel hieß es zunächst, dass "Game of Thrones" niemals mit dem bereits Gezeigten würde mithalten könnten, die selbst gelegte Latte sei zu hoch - und doch wurde es stets besser, weil es stets schlimmer wurde.

Die ersten drei Spielzeiten waren eine Klimax der expliziten Unterhaltung. Die Frage vor dem Start der vierten Staffel war deshalb: Wie schlimm kann es noch werden? Der Slogan der Spielzeit jedenfalls lautet: "All men must die" - alle müssen sterben, vermutlich auch die Frauen. Die Zeitschrift Entertainment Weekly veröffentlichte schon einmal eine Karte, wo sich die prägenden Personen zu Beginn der Staffel befinden - verbunden mit Spekulationen, was mit diesen Figuren passieren sollte.

Weil zahlreiche deutsche Fans der Serie die erste Episode mit dem Namen "Two Swords" noch nicht gesehen haben (auf Sky Go und Sky Anytime läuft sie am Montag, auf Sky Atlantic HD am 2. Juni), sei nur so viel gesagt: Bislang ging es in der Serie um einen Krieg, der mit schweren Schwertern geführt wurde.

Je schlimmer, desto süchtiger

Dieser Krieg ist vorbei. Doch schon die Anfangssequenz dieser ersten Folge - von Regisseur D.B. Weiss stilistisch herausragend umgesetzt - verdeutlicht, dass es nun einen Krieg geben wird, der womöglich nicht von dem gewonnen wird, der besonders gut mit dem Schwert umgehen kann. Und natürlich geht es ums Fressen und ums Saufen, um Sex und das Abtrennen von Körperteilen - das wird am Ende dieser Episode deutlich.

"Ich werde tun, was Königinnen tun", sagt Daenerys Targaryen in einem Trailer zur vierten Staffel: "Ich werde herrschen!" Das Gleiche gilt für "Game of Thrones". Die Serie bleibt das Beste, was derzeit im TV zu sehen ist, jeder Widerspruch dagegen ist sinnlos. Nur: Je schlimmer es wird, je nackter, je viszeraler, desto süchtiger werden die Zuschauer. Der Sender HBO kann sich freuen. Er hat da eine Droge, von der kaum jemand loskommt, der sie einmal probiert hat.

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