US-Serie: "The Kennedys":Ab ins Bett, Herr Präsident!

Die TV-Serie "The Kennedys" treibt das liberale Amerika zur Weißglut. Dabei ist sie vor allem eines: großer Kitsch.

Jörg Häntzschel

Ist das das Titelthema von West Wing? Oder eher das von Denver Clan, der Serie, die im Original Dynasty hieß? - Es ist tatsächlich ein Mashup von beiden, das da, inklusive strahlender Militärtrompete, aus den Lautsprechern schwillt. Damit haben die Macher des umstrittenen Achtteilers The Kennedys, deren erste Folge nun am Sonntag im amerikanischen Fernsehen lief, ihr Konzept schon recht präzise umrissen.

Kennedy siblings are pictured at the wedding reception of Jacqueline Bouvier to John F. Kennedy in this picture taken in Hammersmith Farm Newport Rhode Island

Familie Kennedy 1953: Robert F. Kennedy, Patricia Kennedy, Eunice Kennedy Shriver, Edward M. Kennedy, Jean Kennedy, John F. Kennedy, Jacqueline Bouvier Kennedy. U.S. Senator Edward Kennedy.

(Foto: Reuters)

Man nennt den Kennedy-Clan gerne "America's Royal Family". Und die Serie, die ihren Aufstieg vom Anfang des Zweiten Weltkriegs bis zur Ermordung von Bobby Kennedy 1968 zeigt, spart nicht mit majestätischen Momenten, wahlweise von Frauenchören oder Violinen begleitet, die den Zuschauern in ihren schlichteren Wohnzimmern dargeboten werden.

Doch es ist natürlich erst der Kontrast mit den Intrigen und Hinterzimmerdeals, die aus der Geschichte der Kennedys Stoff fürs Fernsehen machen. Kaum sind wir JFK (leidlich plausibel gespielt von Greg Kinnear) bei einer Wahlkampfveranstaltung erstmalig begegnet, sehen wir ihn schon mit zermarterter Miene nach den Pillen tasten, mit denen er sich für den Auftritt fit gemacht hat.

Dass The Kennedys nun auf Reelz läuft, einem Abspulkanal für B-Ware, ist das Ergebnis einer heftigen Kontroverse, die seit Monaten geführt wird. Ursprünglich hatte der History Channel The Kennedys bestellt. Es war das erste Mal, dass sich der Sender an ein Dokudrama wagte; man versprach sich nicht nur Quote, sondern auch neue inhaltliche Impulse. Seit der Sender keine weiteren Luftkriegs- und Pharaonen-Dokus mehr finden konnte, hatte er sein Programm immer öfter mit Quatsch wie Ax Men gefüllt, das Holzfäller bei der Arbeit zeigt. Was eignete sich besser, um aus dieser Falle zu kommen, als ein Epos wie The Kennedys, der eine der turbulentesten Episoden der US-Geschichte aus der Intimperspektive zeigen würde?

Unglücklich nur, dass ausgerechnet Joel Surnow hinter der Serie steht. Er ist nicht nur erklärter konservativer Hardliner, sondern war auch der Mann hinter 24, der Terrorismus-Serie, die, wie sonst nur das Programm von Fox News, zum Paradebeispiel rechter Medienpropaganda während der Bush-Ära geworden ist. Kaum hatten die liberalen Hüter des Kennedy-Erbes den Namen entdeckt, witterten sie Geschichtsklitterung.

"Dieses Land gehört uns"

Der Filmemacher Robert Greenwald, der sich frühe Versionen der Drehbücher beschaffte, war so schockiert, dass er eigens eine Website einrichtete: stopkennedysmears.com. Die Kennedy-Experten, an die er die Skripts weiterreichte, waren ebenfalls entsetzt . John F. Kennedys ehemaliger Berater Ted Sorensen sprach von einer "Hinrichtung" der Charaktere.

Besonders wirkungsvoll, schreibt der Hollywood Reporter, seien die Proteste von John F. Kennedys Tochter Caroline gewesen. Im Januar ließ der History Channel die Serie als "ungeeignet für unsere Marke" fallen. Wochenlang fand sich kein Sender, der sie anfassen wollte.

Die Einwände der Historiker und Zeitzeugen bezogen sich vor allem auf fiktive, aber genrebedingt in der Serie als Tatsachen ausgegebene Szenen. "Keine einzige der Unterhaltungen mit dem Präsidenten, an denen ich laut Skript teilgenommen haben soll, hat stattgefunden", schimpfte Sorensen. Richard Reeves, der mehrere Bücher über US-Präsidenten geschrieben hat, stieß sich an der Szene, als der sinistre Präsidentenvater Joe Kennedy seinen Söhnen wie eine Losung zuraunt: "Dieses Land gehört uns."

Dass es aber unmöglich ist, historische Stoffe erzählerisch zu verarbeiten, ohne sich Freiheiten zu nehmen, liegt auf der Hand. Echte Entstellungen gibt es in der Serie keine. Das Problem ist eher, dass sie allein davon lebt, die politischen Ereignisse und die Tragik der Attentate mit Familienzwist und Bettgeschichten zu verpanschen und so Zusammenhänge herbeiinsinuiert, wo keine waren.

Wie eine dicke Soße wird der Kitsch über die Ereignisse gegossen. Am übelsten in den Sekunden bevor in Dallas die Schüsse fallen: JFK tauscht mit Jackie (Katie Holmes) noch letzte Liebesworte, bevor er sich mit Tränen in den Augen neben dem Strauß roter Rosen zurücklehnt, als beweine er seinen eigenen Tod. Singende Engel rufen ihn zu sich.

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