US-Serie "Game of Thrones":Mit der Klinge bei der Hand

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Irgendwo zwischen dem England von König Artus und J. R. R. Tolkiens Mittelerde: Die preisgekrönte US-Serie "Game of Thrones" präsentiert sich als blutiges und freizügiges Mittelaltermärchen. Doch zwischen all den Kettenhemden und prunkvollen Wappen geht es im Kern um Realpolitik statt Sentiment - nun auch im deutschen Fernsehen.

Michael Moorstedt

Eddard Stark kann eigentlich nicht über sein Leben klagen. Sechs Kinder hat er gezeugt - nun gut, eines davon ein Bastard - und er ist unangefochtener Herrscher in seinem ewig eisigen Reich namens Winterfell. Mit Fellmantel und Breitschwert bekleidet sitzt er in seiner Burg, ein Baum von einem Mann.

Für seine Rolle des Tyrion Lannister in Game of Thrones erhielt Peter Dinklage sowohl einen Emmy als auch den Scream Award 2011 als bester Nebendarsteller. Das Bild zeigt eine Szene aus Game of Thrones, die bei der Preisverleihung im Oktober vorgeführt wurde. (Foto: AP)

Doch das Unheil kommt von Süden. Starks Lehnsherr und Freund aus Kindertagen verlangt nach seinen Diensten. Er soll sich in die Hauptstadt begeben, um dem König dort als rechte Hand zu dienen, soll eintauchen in das Ränkespiel am Hof. "Der Winter naht", sagt er, bevor er sich aufmacht. Und dieser Satz ist nicht nur eine Wettervorhersage.

Kaum zehn Minuten ist die erste Folge von Game of Thrones alt, als der Zuschauer das erste Mal ahnt, dass das Leben des Lords bald ebenso sehr erschüttert werden soll, wie auch der Rest des Kontinents Westeros. In dieser Welt, sie ist irgendwo zwischen dem England von König Artus und J. R. R. Tolkiens Mittelerde zu verorten, ist Eddard Stark einer der wenigen Aufrechten. Darsteller Sean Bean hat schon Erfahrung in Sachen Mittelaltermärchen. In Peter Jacksons Verfilmung des Herrn der Ringe gab er den Kriegerprinzen Boromir.

Die Macher der Serie Game of Thrones, die seit dieser Woche beim Pay-Kanal TNT Serie erstmals im deutschen Fernsehen zu sehen ist, verzichten auf Kitsch und andere Genre-Restriktionen. Game of Thrones präsentiert sich ebenso freizügig wie blutig. Der König ist ein alter Hurenbock, seine Höflinge ein korrupter Haufen, in Westeros ist man schnell mit Intrigen, wenn nicht gar mit der Klinge bei der Hand, um ungeliebte Rivalen aus dem Weg zu räumen.

Hier gibt es keine Edelmänner: Prinzessinnen werden verschachert, um Bündnisse für künftige Feldzüge zu schmieden, die Straßen der Städte triefen vor Dreck und keinerlei übernatürliche Mächte sind in Sicht, auf die man die Misere schieben könnte - weder die eigenen Verfehlungen noch den Niedergang des Rests der Welt.

Hingabe ist gefordert

All die Probleme, denen sich die Menschen gegenüber sehen, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Drachen und Elfen sind in jener Welt ebenso Fabelwesen wie in der unseren. Es gibt zwar einen kleinwüchsigen Prinzen, doch der hält sich lieber in Bordellen auf statt auf magischen Waldlichtungen.

Game of Thrones basiert auf der nicht nur unter Eingeweihten hochgelobten Romanreihe Das Lied von Feuer und Eis des US-Autors George R. R. Martin. Und ebenso wie die Bücher fordert auch die TV-Adaption von ihrem Publikum eine gewisse Hingabe. Mindestens vier Erzählstränge werden parallel abgehandelt und mehr als ein Dutzend mehr oder weniger wichtige Hauptcharaktere bevölkern den Schirm.

Umso erstaunlicher ist, dass diese Mischung hervorragend funktioniert und der Zuschauer schnell bereit ist, sich diesem komplexen Geflecht aus unterschiedlichen Weltanschauungen, Religionen und Historie hinzugeben. Drei Emmys hat die Serie bislang gewonnen, und schon nach der ersten Folge hat der amerikanische Kabelsender HBO eine zweite Staffel eingekauft.

"Der Herr der Ringe trifft auf die Sopranos", so fasst Produzent David Benioff das Konzept von Game of Thrones sehr treffend zusammen. Eine der erfolgreichsten TV-Serien des letzten Jahrzehnts mit der epischen Tolkien-Verfilmung vermengen zu wollen: Tiefstapelei ist das gerade keine.

Realpolitik statt Sentiment

Dabei spricht die visuelle Präsentation wohl zunächst die Fans des Hollywood-Spektakels an, doch die eigentliche Geschichte ist eher geerdet. Es geht um Macht, darum, wie man sie bekommt und sie vor allem sichert. Zwischen all den Kettenhemden und prunkvollen Wappen herrscht Realpolitik statt Sentiment.

Der weiteren Adaption im Weg stehen könnten derweil die sagenhaften Produktionskosten. Allein der Pilot kostete zehn Millionen Dollar. Jede der zehn 50-minütigen Folgen hatte ein ähnliches Budget. Man sieht der Serie diesen Aufwand auch an. Game of Thrones blendet nur selten mit übertriebenen Spezial-Effekten. Stattdessen verlassen sich die Macher auf Komparsentumulte ebenso wie auf glaubwürdig choreographierte Schwertkämpfe.

Gefilmt wird an Schauplätzen in Island, Kroatien, Malta und Nordirland. An Drehbuchmaterial mangelt es auf jeden Fall nicht. Erst Ende Dezember erscheint der sechste Teil der Romanvorlage auf Deutsch. Und schon jetzt erstreckt sich die Geschichte auf mehr als 4000 Seiten.

Game of ThronesTNT Serie, mittwochs, 20.15 Uhr; Wiederholung von Folge 1 am 5.11. um 15 Uhr und am 6.11 um 22 Uhr.

© SZ vom 04.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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