US-Medien zur Wahl:Das Nicken kandierter Gesichter

In der Nacht der US-Wahl passierte mit den US-Medien etwas unerwartetes: Die konservativen Fox News und der Obama-freundliche Sender MSNBC tauschten aus Versehen fast die Rollen. Auf der einen Seite wurde gelästert, auf der anderen ungewohnt deutlich kritisiert. Am Ende müssen sich beide aber einer jüngeren Konkurrenz geschlagen geben.

Peter Richter

Fox-News

Moderatorenriege von Fox-News: Zuerst bekommt man beim Einschalten einen Schock - dann gewöhnen sich die Augen langsam daran.

(Foto: Fox)

Der Sender Fox News verhält sich zum Rest des Fernsehprogramms ungefähr so wie sich Amerika, zumindest nach Einschätzung von Fox News, zum Rest der Welt verhält oder doch verhalten sollte: als der Ort, an dem alles ein bisschen bunter, lauter, intensiver, besser ist. Wenn man Fox News anschaltet, ist das erst einmal ein Schock. Dann gewöhnen sich die Augen daran, und wenn man dann wieder zurückschaltet, hat man das Gefühl, die anderen senden in Schwarz-Weiß.

So soll das auch sein. Und dem Obama zugetanen Sender MSNBC kommt dabei sozusagen die Rolle einer besonders grauen Fernseh-Sowjetunion zu, wozu hier Moderatoren wie Reverend Al Sharpton mit seinen von Chruschtschow'scher Wutlust befeuerten Dauerwerbeansprachen durchaus ihren eigenen Teil beitragen.

Kurz nachdem klar war, dass Obama wiedergewählt ist, kam es Dienstagnacht hier nun aus Rache zu folgendem Medien-Kurzschluss: MSNBC-Anchorwoman Rachel Maddow erzählte ihren Zuschauern, was auf Fox News gerade läuft. Sie erzählte, dass George W. Bushs einstiger Chefstratege Karl Rove da sitze und mit seinen demografischen Geheimtricks verzweifelt versuche, sich das Ergebnis in Ohio noch schönzurechnen. Und dann sagte sie, leicht kichernd, noch etwas über das viele schöne Make-up, das den Kollegen von der Konkurrenz zu diesem Zeitpunkt schon anfing aus den schockierten Gesichtern zu bröckeln.

Das war deswegen so fies, weil doch vor kurzem erst diese Geschichte im Magazin The Atlantic Monthly stand, die unter der schönen Überschrift "Foxy Ladies" endlich mal die Frage beantwortete, warum die Moderatorinnen auf Amerikas konservativem Krawallsender grundsätzlich ausschauen wie sehr attraktive Transvestiten.

Aufgedonnerte Frauen neben alten Männern

Die Autorin, Liza Mundy, schrieb darin, dass nämlich selbst Frauen, die bei Fox News nur als Interviewgäste zugeladen sind, weil sie, zum Beispiel, Expertin sind für irgendein Thema, in der Maske dermaßen unter Eye-Shadow und Lip-Gloss versteckt werden, dass sie sich fragen müssten, ob sie sich wirklich dem ganzen Land so im Fernsehen zeigen wollten: "als Mischung aus Captain Jack Sparrow und einer Kellnerin von Hooters". Es bleibt ihnen aber gar keine Wahl. Es ist Senderpolitik, dass Frauen so aussehen. Und warum? Weil das einem tendenziell älteren, konservativen Publikum genau so gefalle und ins Weltbild passe: Junge, aufgedonnerte Frau neben doppelt so altem, nach Golfplatz und Segelboot und Haus in Connecticut ausschauendem Anchorman. Schon das Bild ohne den Ton, war zu lernen, ist pure Ideologie.

So gesehen, war es am Wahlabend aber fast revolutionär zugegangen bei Fox: Die fotomodellhaft schöne Megyn Kelly sah zwar immer noch so aus, als hätte sie vor der Sendung einen Topf Vaseline geküsst, - aber der Lidschatten fehlte. Und der Mann mit den getönten Haaren an ihrer Seite war ungefähr genauso alt wie sie. Für Fox-Verhältnisse ist es von solchen Zuständen bis zur Befürwortung der Homo-Ehe nicht mehr weit.

Nicken mit kandiertem Gesicht

Und dann das: Dauernd waren den Abend über Konservative zu Gast, die die Republikaner kritisierten. Sarah Palin saß da, ihrerseits zurechtgemacht wie ein Geburtstagsgeschenk, und beklagte die Performance ihrer Parteifreunde. Mike Huckabee, der 2008 in den Vorwahlen gegen den dann ebenfalls erfolglosen John McCain unterlag, machte seiner Partei den Vorwurf, sich um die Stimmen von Schwarzen und Latinos noch nicht einmal gekümmert zu haben. Und Bill O'Reilly, der bei Fox ungefähr die Position bekleidet, die beim Fernsehen der DDR Karl-Eduard von Schnitzler innehatte - der gab, als die meisten Republikaner noch auf wenigstens ein paar gewonnene Swing States hofften, schon die Losungen aus, wie mit der Niederlage umzugehen sei. Nämlich als moralischer Sieger.

Das Land habe sich geändert. Das weiße, republikanische Amerika sei jetzt demografisch in der Minderheit. Die Leute, die jetzt in der Mehrheit seien, wollten "Dinge". Die Leute fühlten ein Anrecht, auf "Dinge". "Und wer gibt ihnen Dinge? Obama!" Amerika werde immer mehr wie Westeuropa. Die alten Werte - Frage nicht, was dein Land für dich, sondern du für dein Land . . . - die zählten nicht mehr. "Schwarze, Latinos und Frauen" wählten eben nun mal Obama, da helfe kein gutes Zureden. Und Megyn Kelly nickte ernst und betroffen dazu, so gut man mit einem kandierten Gesicht eben nicken kann.

Das war nicht nur die Ausdehnung von Romneys Unterstellung, 47 Prozent der Amerikaner würden sich auf staatliche Hilfe verlassen, auf praktisch fast alle Amerikaner. Abgesehen von einem aufrechten, aber durch Einwanderung und Emanzipation an den Rand gedrängten, alten Haudegen, versteht sich. Das passierte auch in exakt den fernsehtauglichen 1:30 Minuten, die ein Profi wie O'Reilly natürlich im Blut hat. Aber geholfen hat es eben nichts.

Deshalb ist die Frage im Grunde die, wer Dienstagnacht eigentlich alles gegen wen gewonnen hat. Obama gegen Romney? MSNBC gegen Fox News? Ja. Aber vor allem: Twitter gegen Fernsehen. Noch nie wurde so viel und von so vielen Seiten getweeted wie bei dieser Wahl. Der Siegesjubel von Obama ("Four more years!") wurde samt Bild mit dem sich in den Armen liegenden Ehepaar Obama sofort mehr als 260 000 Mal weiterverschickt. Die meisten Romney-Wähler aus dem ländlichen Raum werden gar nicht wissen, was das heißt.

Aber wenn das so weitergeht, dass sogar das Fernsehen dauernd die Anzahl von Tweets und Followers heranzieht, um irgendetwas auszusagen, dann könnten sie der Einfachheit halber bei der nächsten Wahl eigentlich gleich den Zuspruch bei Twitter zur Ermittlung des Präsidenten nehmen.

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