US-Medien zum möglichen Abhör-Skandal:Baseball, eine Taufe und der "Bishop of Bling"

US-Medien zum möglichen Abhör-Skandal: Nur eine kleine Meldung unter vielen: Der Abhör-Skandal auf der Homepage der New York Times

Nur eine kleine Meldung unter vielen: Der Abhör-Skandal auf der Homepage der New York Times

(Foto: Quelle: New York Times)

In den amerikanischen Medien wird die mögliche Überwachung des privaten Mobiltelefons von Angela Merkel durch US-Geheimdienste nur knapp thematisiert. Weitaus wichtiger sind die Finalserie im Baseball, die Taufe von Prinz George und der Lebensstil von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wolf Blitzer findet gewohnt deutliche Worte: "Es geht hier um das Image der Regierung und das von Präsident Barack Obama", sagt er in seiner Sendung The Situation Room auf dem Sender CNN. Es geht dabei jedoch nicht um die mögliche Ausspähung des privaten Mobiltelefons der deutschen Kanzlerin Angela Merkel - das Hauptthema der Sendung war das nicht funktionierende Onlineportal zu Obamas Gesundheitsreform healthcare.gov.

35 Minuten lang wird über die technische Panne bei der Obamacare-Website diskutiert, es kommen Experten und Betroffene zu Wort, eine Reporterin berichtet live aus Washington. Die Ankündigung, die Frist zur Anmeldung bei der neuen Bürgerversicherung um sechs Wochen verlängern zu wollen, wird gar als "Breaking News" verkauft. Obama wird nochmals zitiert, dass die Probleme "inakzeptabel" seien und "nicht beschönigt" werden dürfen.

Mit diesen Worten wäre eigentlich auch die neue Dimension der an Vorwürfen wahrlich nicht armen NSA-Affäre ganz gut beschrieben: Amerikanische Geheimdienste, so der nicht unbegründete Verdacht, sollen das Handy von Angela Merkel abgehört haben - die Kanzlerin hat beim amerikanischen Präsidenten angerufen, um das äußerst heikle Thema zu besprechen. In Deutschland wird ausführlichst darüber berichtet, in den Vereinigten Staaten ist das Thema eine Fußnote im Tagesgeschäft.

In The Situation Room wird der Bericht dazu zwischen der Geschichte eines Schülers, der offensichtlich seine Lehrerin erschossen hat, und einer Analyse eines aktuellen Gerichtsfalls platziert. Ganze 120 Sekunden dauert die Thematisierung des möglichen Skandals, in diesen zwei Minuten geht es dabei nicht nur um Deutschland, sondern auch um Aktivitäten der Geheimdienste in Frankreich, Mexiko und Brasilien. "Die Aufregung in diesen Ländern ist groß", sagt Blitzer. Und die Aufregung in den Vereinigten Staaten? Eher gering.

In den Nachrichten der Sender geht es bei der internationalen Berichterstattung zunächst einmal um die Taufe von Prinz George und die Frage, ob Prinz Harry und Pippa Middleton der Zeremonie beiwohnen. Danach wird tatsächlich über Deutschland berichtet: Es geht jedoch wieder nicht um das Handy von Angela Merkel, sondern um den ausschweifenden Lebensstil von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der bei NBC "Bishop of Bling" genannt wird. Auf einen Bericht über die NSA warten die Zuschauer vergeblich.

Bei ABC wird der Spieß gar umgedreht. Auf der Website des Senders ist in einem von der Nachrichtenagentur Associated Press übernommenem Bericht der Satz zu lesen: "Politiker in Übersee nutzen die Bedrohung ihrer Privatsphäre dazu, ihre Umfragewerte zu verbessern - oder von eigenen innenpolitischen Problemen abzulenken."

Der Sender Fox, gemeinhin recht aktiv bei der Berichterstattung um einen möglichen Skandal für Barack Obama, verhält sich erstaunlich zurückhaltend. Auf dem Hauptkanal wird das erste Spiel der Baseball-Finalserie zwischen Boston und St. Louis ausgestrahlt, der Nachrichtenkanal Fox News konzentriert die Berichterstattung wie viele andere Sender auf die Pannen bei der Gesundheitsreform.

Nach der Baseball-Partie geht Bill O'Reilly auf Sendung. Für den Moderator muss eine Panne von Obama das sein, was für Zlatan Ibrahimovic ein auf der Torlinie liegender Ball ist. Nur: O'Reilly schubst den Ball nicht über die Linie. Gegen Ende der Sendung geht es kurz um den Abhörskandal, doch er gibt sich eher amüsiert darüber, was die Amerikaner denn davon hätten, Frankreich abzuhören. Immerhin wird am Ende der Sendung die E-Mail einer Zuschauerin eingeblendet, die von ihrer Großmutter gelernt haben will, den Deutschen nicht zu trauen.

Abhörpraktiken des NSA im Ausland - eher eine Randnotiz

Auch in den politischen Talkshows geht es um andere Themen als Abhörpraktiken amerikanischer Geheimdienste. Bei Crossfire auf CNN debattieren Newt Gingrich und seine Kollegen über die Gesundheitsreform, in der MSNBC-Sendung Hardball wird der respektlose Umgang republikanischer Politiker mit dem Präsidenten thematisiert. Die Abhöraffäre und mögliche diplomatische Verwerfungen scheinen nicht wichtig genug für eine Diskussion zu sein.

Das zeigt auch ein Blick in andere Medien: In der Los Angeles Times gibt es lediglich eine Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press (eine andere als bei ABC), die Chicago Sun-Times und der San Francisco Chronicle verwenden denselben Bericht. Die Washington Post und die New York Times berichten immerhin über den Furor in Deutschland und den Anruf von Merkel - dort wird auch über das heikle Statement von Obamas Sprecher Jay Carney debattiert, dass Obama mit Merkel nur über Gegenwart und Zukunft sprach, nicht aber über die Vergangenheit.

Die technische Panne der Obamacare-Website bleibt an diesem Mittwochabend aber überall wichtiger als die mögliche Eskalation des NSA-Skandals. Wolf Blitzer sagt immerhin: "Das ist eine heikle Geschichte, die nicht einfach so weggehen wird." Sein Korrespondent in Washington, Jim Sciutto, erklärt jedoch sogleich, das Thema bitteschön nicht überzubewerten. Andere Länder würden die USA ebenfalls ausspionieren. "This is how it is done", sagt Sciutto. So wird das nun mal gemacht.

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