US-Medien:"Trumpcast" - Komik in der Depression

Republican U.S. presidential candidate Donald Trump poses for a photo in New York

"Trump zeigt, was an sozialen Medien gefährlich ist und auch, was sie so reizvoll macht.", sagt der Journalist Jacob Weisberg.

(Foto: Lucas Jackson/Reuters)

Wer behält schon den Überblick in der täglichen Flut von Trump-Artikeln? Journalist Jacob Weisberg betreibt deshalb einen Podcast, in dem er über die Wunderlichkeiten des Milliardärs berichtet.

Von Matthias Kolb

Wenn es um Donald Trump geht, ist Jacob Weisberg nicht objektiv. Eine "nationale Katastrophe" sei der Erfolg des Milliardärs, betont der Journalist in jeder der bisher 44 Folgen seines Podcasts. Weisberg war bis 2008 Chefredakteur des liberalen Online-Magazins Slate und ist seitdem als Geschäftsführer für die Strategie der gesamten Slate-Gruppe zuständig. Slate gehört zur Gruppe der Washington Post und seit der Übernahme durch Jeff Bezos somit zu Amazon Associates.

Der Name Trumpcast ist Programm bei den im Web verbreiteten Hörstücken, die sich abonnieren lassen: Mindestens zwei Mal pro Woche beleuchtet Weisberg eine neue Facette des Trump-Phänomens. Dafür interviewt er Experten über Themen wie Persönlichkeitsstörungen (Trump ist Narzisst), Reality-TV (in der NBC-Show The Apprentice inszenierte sich Trump als Geschäftsmann) oder Faschismus (Trump ist Populist, kein Faschist).

"Er möchte Amerikas Diktator sein"

Trumpcast ist ideal für alle, die in der täglichen Flut von Trump-Artikeln den Überblick verlieren. Etwa 20 Minuten dauert eine Episode, und treffsicher wählt Weisberg die wichtigsten Enthüllungen aus. Er diskutiert ebenso über die Parallelen des Republikaners zu Berlusconi und Putin wie über die Geschichte der Familie Drumpf aus Kallstadt oder die charakteristische Helmfrisur von "The Donald". Das Projekt werde erst beendet, wenn die Polit-karriere des Immobilienunternehmers beendet sei, sagt Weisberg im Gespräch: "Im November hört der Spuk hoffentlich auf." Sollte Trump aber ins Weiße Haus einziehen, würde Weisberg seinen Podcast weitere vier Jahre fortführen.

Für die Trump-Fans hat der 51-jährige Weisberg Sympathien, viele hätten wirtschaftlich harte Jahre hinter sich und natürlich seien nicht alle Rassisten. Mit seinem Podcast will er aber zeigen, dass Trump völlig ungeeignet für das Weiße Haus sei: "Ich halte ihn für psychisch krank. Er glaubt nicht an die Demokratie und will nicht US-Präsident werden: Er möchte Amerikas Diktator sein."

Weisbergs Miene verdüstert sich beim Gespräch in der Brooklyner Slate-Zentrale, als es um die Rolle der Medien bei Trumps Erfolg geht. Er kritisiert vor allem CNN und Fox News: "Die Kabelsender haben die Debatten wie Entertainment-Shows organisiert - elf Kandidaten, Tausende Zuschauer, Zirkus-Atmosphäre. In diesem Umfeld setzt sich natürlich Trump durch." Die Moderatoren fänden selten die journalistischen Mittel, den Milliardär der Lüge zu überführen, klagt er: "Seine Fans bejubeln ihn, weil sie die Medien als Feind ansehen. Die Journalisten sind völlig ratlos, denn die TV-Sender sind mehr von Trump abhängig als er von ihnen."

Im Wahljahr boomen Politik-Podcasts

Was Weisberg aber begeistert, sind die Möglichkeiten von Podcasts. "Kein Format im Journalismus spricht das Publikum intensiver an. Die Leute hören bewusst zu, nicht nur nebenbei", schwärmt er. Als Slate-Geschäftsführer hat er Podcasts zum wichtigen Teil der Marke gemacht; an die 100 Podcasts gehören zum Netzwerk, 20 direkt von Slate. 2014 etwa startete die Show Serial Spoiler Special, in der sich alles um den megaerfolgreichen Podcast Serial drehte, der ein Verbrechen neu aufrollte. Slate gewann so viele neue Nutzer.

Weisberg nennt keine Zahlen, doch die wöchentlichen Downloads von erfolgreichen Produktionen dürften im sechsstelligen Bereich liegen, so Branchenschätzungen. Mitte Juni startete Weisbergs jüngster Coup: Bestseller-Autor Malcolm Gladwell präsentiert seine Neuinterpretationen von geschichtlichen Ereignissen im aufwendig produzierten Podcast Revisionist History - und nicht in einem Buch.

Werbekunden schätzen es, dass um viele der 20 Slate-Podcasts eine treue Gemeinschaft entstanden ist: Die Live-Aufzeichnungen der Politik-Runde Political Gabfest in amerikanischen Großstädten sind in Minuten ausverkauft und ziehen Hunderte Zuschauer an, die vorher den Moderatoren bei Cocktails Fragen stellen können. Auch Weisberg liebt das Intime am neuen digitalen Radio: "Ich rede in meiner Show nicht anders als beim Mittagessen mit Kollegen." Vielen Zuhörern gefällt, dass ihre Vorschläge - etwa was Interviewpartner angeht - berücksichtigt werden.

Mit Trumpcast liegt Slate voll im Trend, im Wahljahr boomen Politik-Podcasts, die hinter die Kulissen blicken. Bei The Axe Files von David Axelrod, dem früheren Berater von Barack Obama, sprachen Kandidaten wie Bernie Sanders oder Lindsey Graham über ihre Kampagnen. Für Off Message von der Online-Plattform Politico konnte Glenn Trush sowohl Hillary Clinton als auch Barack Obama jeweils 40 Minuten lang interviewen - eine Ewigkeit in Zeiten von Twitter und Kabel-TV.

Trumps Erfolg sei ohne Twitter nicht zu denken

Indirekt kommt Donald Trump in jeder von Weisbergs Folgen zu Wort: Der Stimmenimitator Joe Di Domenico liest vor, was der Milliardär via Twitter von sich gibt. Dass das oft komisch ist, gefällt Weisberg, "das Thema ist ja deprimierend genug". Allerdings sei der Erfolg des Republikaners ohne den Kurznachrichtendienst nicht zu erklären, sagt er. Andere Politiker überlassen es ihren Mitarbeitern, Twitter zu betreuen, sie wirken im Netz langweilig. Bei @realDonaldTrump gebe es keinen Filter, so Weisberg: "Er lebt seine Aggressionen und Unsicherheit via Twitter aus. Trump zeigt, was an sozialen Medien gefährlich ist und auch, was sie so reizvoll macht."

Obwohl Trumps PR-Team Reportern von kritischen Medien wie der Washington Post oder Buzzfeed den Zugang zu Events verweigert, hat Trumpcast bisher keine Auswirkungen auf die Arbeit der Slate-Journalisten. "Wir wurden noch nicht auf diese schwarze Liste gesetzt, was ich fast peinlich finde", sagt Jacob Weisberg.

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