US-Medien:Das Geschäft mit den Fahndungsfotos

Mord, Drogen, schöne Frauen: In den USA finden Zeitungen mit Fahndungsfotos reißenden Absatz. Eine bittere mediale Erfolgsgeschichte.

Bastian Brinkmann

Die Frau sieht furchtbar aus. Jemand hat sie geschlagen, Drogen haben Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen. Dieses Bild kennt nun das ganze Heimatstädtchen der Amerikanerin, denn ihr Konterfei landet in der Zeitung. Die Nachbarn tratschen über die Abgebildete, die womöglich ihren Job verliert.

busted

Das US-Magazin Busted zeigt Fahndungsfotos. In Deutschland hätten die Blattmacher rechtliche Konsequenzen zu befürchten.

In den USA fotografiert die Polizei jeden Festgenommenen. Das Fahndungsfoto ist der Bild gewordene Tiefpunkt eines Menschenlebens - und die Haupteinnahmequelle von Ryan Chief, 35. Er ist der Chef eines Zeitungsverlags und verlegt Busted, ein Magazin, das ausschließlich lokale Fahndungsfotos veröffentlicht. Seite für Seite nur sogenannte Mug Shots. Das Heft erscheint in zwölf Lokalausgaben, insgesamt mit einer Druckauflage von 150.000 Stück. Ein Exemplar kostet einen Dollar.

Es ist eine bittere mediale Erfolgsgeschichte in den USA, dem Land des Zeitungssterbens. Nirgendwo sonst ist die Print-Branche so unter Druck. Doch Busted expandiert. Bald soll das Blatt auch in Kansas City und Denver angeboten werden.

Verbrechervisagen faszinieren die Amerikaner. Es ist ein voyeuristischer Einblick in die Banalität des mutmaßlichen Bösen, der die Leser reizt. Die Sendung Cops auf Fox News erzielt hohe Einschaltquoten, sie zeigt spektakuläre Verfolgungsjagden und gewaltsame Festnahmen.

Busted befriedigt dasselbe Publikum, nur auf lokaler Ebene. "Ist der Freund meiner Tochter verhaftet worden? Oder etwa ein Kollege? Das wollen die Leute wissen", sagt Zeitungsmacher Chief. Auf Facebook sind die meisten der 19.000 Busted-Fans weiblich und zwischen 44 und 55 Jahre alt.

Die Mug Shots holt sich das Busted-Team von den Sheriffs. Die Fotos sind frei verfügbar, die Polizei zeigt sie auch auf ihrer Website, inklusive des Namens, der Adresse und des mutmaßlichen Vergehens. Busted stoppelt diese Informationen nur neu zusammen. Damit juristisch alles sauber ist, steht auf jeder Zeitungsseite ganz unten in winziger Schrift, dass die gezeigten Personen natürlich nur verdächtig sind - und unschuldig, bis ein Gericht sie verurteilt. Ob es dazu kommt oder ob die Personen freigesprochen werden, erfährt der Leser nicht.

Produkt der Finanzkrise

Busted ist ein Produkt der Finanzkrise. Chief machte als Immobilienmakler in seinem alten Job kaum noch Geld. Deswegen setzte er sich mit einem Freund zusammen und bastelte zwei Wochen lang an der ersten Ausgabe, die dann in seiner Heimatstadt nahe Orlando, Florida erschien.

5000 Exemplare ließen die Gründer drucken und luden sie in den Kofferraum von Chiefs Wagen. Sie klapperten die Einzelhändler und Tankstellen ab und versprachen jedem Verkäufer 25 Cent pro Heft, das über die Ladentheke ging. Zwei Wochen später waren 4000 Ausgaben weg. "Ich wusste sofort, dass das ein Hit war", sagt Chief. Seitdem ist Busted gewachsen, allein aus dem Geld durch den Verkauf und Anzeigen. Anwälte schalten hier gerne.

Ryan Chief sieht sich als König der Geächteten. Er bestimmt, wer an den Pranger gestellt wird. Seine Arbeit, sagt er, stehe im Dienst der Gemeinde. Einmal wurde ein Eckladen überfallen, der Busted im Angebot hat. Der Verkäufer erkannte den Räuber aus der Zeitung wieder, die Polizei konnte ihn festnehmen. Der Kiosk-Besitzer kassierte 30.000 Dollar Belohnung. Chief erzählt stolz diese Anekdote. Seine Leute haben die Vorgabe, die Fotos auszusuchen, die Gewalt und Drogenkonsum zeigen, oder hübsche Frauen. "Wenn ich sage, ich wäre nicht auf Sensation aus, würde ich lügen", sagt Chief.

Unter dem Druck der Mug-Shot-Magazine bauen die Lokalzeitungen ihre Kriminal-Berichterstattung aus. Die St. Petersburg Times aus Florida hat eine Website eingerichtet, in der die Verhafteten der vergangenen 24 Stunden gezeigt werden, geordnet nach Alter, Größe und Augenfarbe. Demnach sind Braunäugige besonders kriminell. Auch The Slammer fischt im gleichen Gewässer und bringt in fünf Bundesstaaten ein Mug-Shot-Magazin heraus.

Gerne würde Chief seinen Service noch mehr Menschen anbieten. "In ein, zwei Jahren bedienen wir die ganze USA", sagt er. Vor einiger Zeit hat er Gespräche geführt, in Spanien und Frankreich.

In Deutschland hätten die Macher solcher Magazine große Probleme. Das Persönlichkeitsrecht stünde einem solchen Heft im Wege. Und auch der Pressekodex schreibt für Verdachtsberichterstattung große Zurückhaltung vor - Fotos müssen unkenntlich gemacht werden, die Namen anonymisiert. Für Ryan Chief dürfte das ein abwegiger Gedanke sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: